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4. Die Strafe des Zacharias, Luk. 1,18-20
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Der Unglaube schließt, der Glaube öffnet den Mund (39). Der verstummende Zacharias Typus des aufhörenden alttestamentlichen Priester- und Prophetentums (40), bezw. des im Unglauben ersterbenden Judenvolkes (41). „Unsere Sprache ist der Glaube“ (42).
39.
„Und Zacharias sprach zum Engel: Woran soll ich das erkennen? Denn ich bin alt und mein Weib ist vorgerückt in ihren Tagen. Und der Engel antwortete und sprach zu ihm: Ich bin der Engel Gabriel, der vor dem Herrn steht, und bin gesendet worden, dieses dir zu verkünden. Und du wirst stumm sein und nicht reden können bis auf den Tag, da dies alles geschehen wird, darum, weil du meinen Worten nicht geglaubt hast, die in Erfüllung gehen werden zu ihrer Zeit"181.
Zum Schweigen wird der Unglaube des Priesters verurteilt, der Glaube der Propheten erprobt sich im Sprechen. „Rufe, heißt es, und ich antworte: was soll ich rufen? Alles Fleisch ist Gras"182. Da hast du des Gebietenden Befehl, des Gehorchenden Beflissenheit, des Fragenden Bereitwilligkeit, des Willfährigen (Predigt-) Wort. Denn es glaubte, der da um Aufschluß bat, was er rufen solle; und weil er Glauben hatte, weissagte er. Zacharias hingegen vermochte, weil er nicht glaubte, nicht zu sprechen, sondern „gab es ihnen durch Winke zu verstehen und blieb stumm"183. Nicht* einen* nur betrifft der geheimnisvolle Vorgang, nicht* einen* nur das Schweigen.
40.
Es schweigt der Priester, es schweigt der Prophet184. Wenn ich mich nicht täusche, verstummte in dem* einen* der Mund des ganzen Volkes; denn in* einem* Mittler pflegte das ganze Volk zum Herrn zu sprechen. Das Aufhören der Opfer und das Verstummen der Propheten bedeutet das Schweigen des Propheten und das Schweigen des Priesters. „Ich will hinwegnehmen", spricht (der Herr), „die starke Kraft, den Propheten und den Berater"185. Und fürwahr, er hat hinweggenommen die Propheten, indem er von ihnen wegnahm das Wort, das in den Propheten zu sprechen pflegte. Fürwahr, er hat ihnen hinweggenommen die Kraft, indem Gottes Kraft von ihnen wich. Er hat ihnen hinweggenommen den Ratgeber, indem der Engel des Hohen Rates186 sie verließ; hat hinweggenommen die Stimme, weil nur mehr die Stimme des Wortes, nicht mehr das (Gottes-) Wort durch die Stimme ertönte; denn wenn nicht jenes Wort in uns wirkt, ist null und nichtig der Ton der Stimme. Eine Stimme nur ist Johannes, „die Stimme des Rufenden in der Wüste"187. Christus ist das Wort188. Dieses Wort ist das Wirksame; sobald es daher zu wirken aufhört, verstummt auch schon mit einem Mal, gleichsam des Geistes bar, der Seele Zunge. Auf uns ging nämlich Gottes Wort über, und in uns schweigt es nicht. So kann denn der Jude jetzt nicht mehr sprechen, was der Christ sprechen kann: „Eine Bewährung dessen verlangt ihr, der in mir spricht: Christus"189.
41.
„Und er gab es ihnen durch Winke zu verstehen"190. Es blieb nun Zacharias stumm und gab es durch Winke ihnen zu verstehen. Was ist ein Wink anderes als eine stumme Körperbewegung, die sich bemüht, das Gewünschte anzudeuten, ohne es ausdrücken zu können, gleichsam die stumme Sprache der Sterbenden, denen die Stimme im letzten Todesröcheln erstickte? Scheint dir nicht das Volk der Juden einem solchen Sterbenden ähnlich zu sein, so unvernünftig, daß es für sein Handeln keinen vernünftigen Grund angeben kann? Mit seiner Lebenshoffnung in den letzten Zügen liegend verlor es die Sprache, die es hatte; mit tastender Körpergeste trachtet es ein Zeichen für das Wort, nicht das Wort selbst zum Ausdruck zu bringen: ein stummes Volk, ohne die Vernunft, ohne das Wort. Warum denn wolltest du den, der keinen Laut hervorzubringen versteht, in höherem Grade für stumm halten als den, welcher den mystischen Sinn (des Wortlautes) nicht versieht? Fürwahr auch die Werke haben ihre Stimme und der Glaube sein lautes Rufen. So steht zu lesen: „Das Blut deines Bruders ruft laut zu mir"191. Auch jener ruft laut, der „tagüber aus seinem Herzen ruft"192. Wer sonach des Herzens Rufen verloren, hat auch das der Zunge verloren; denn wie könnte einer, der keinen Unterschied im Glauben festhält, unterschiedliche Worte festhalten? Zuvor hatte auch Moses bekannt, er vermöge nicht zu sprechen193, aber nachdem er’s bekannt hatte, empfing er das Wort194 und vollbrachte herrliche, gute Werke. Wie nun Moses hierin der Typus des Volkes und der Typus des Gesetzes war, so in seinem Verstummen auch Zacharias.
42.
[Forts. ] Die einzelnen Momente sind nun in ihrem Zusammenhang wohl zu beachten: Das Wort im Mutterschoß, das Gesetz im Verstummen; der Name ‚Johannes' wird ausgesprochen und Zacharias vermag zu sprechen; das Wort wird verkündet195 und das Gesetz beendet. Es liegt aber des Gesetzes Beendigung gerade in des Wortes Verkündigung. Die Sprache besitzt demnach, wer das Wort spricht, auch wenn er sie vorher nicht besessen196. Auf des Engels Befehl verstummt Zacharias, von des Engels Hand wird den Juden die Sprache verschlagen; denn nicht menschliches, sondern göttliches Machtgebot ist es, daß der, welcher Christus nicht glaubt, zu Gott nicht sprechen kann. Laßt und darum glauben, um sprechen zu können! Glauben soll auch der Jude, um sprechen zu können! Laßt uns im Geiste die Geheimnisse aussprechen, die tiefere Bedeutung der alttestamentlichen Opfer, die dunkle Sprache der Propheten verstehen! Stumm ist, wer das Gesetz nicht versteht; stumm ist, wer den Inhalt der göttlichen Schriften nicht versteht. Denn unsere Sprache ist der Glaube. Darum „will ich lieber in der Kirche fünf Worte kraft meines Geistes reden, um andere zu unterweisen, als zehntausend Worte in Sprachen"; denn „das Zungenreden ist zum Zeichen nicht für die Gläubigen, sondern für die Ungläubigen, die Weissagung aber nicht für die Ungläubigen, sondern für die Gläubigen"197.