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3. Ankündigung des Täufers, Luk. 1, 13―17

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Die Überfülle des göttlichen Wohltuns. Ein Heiliger bedeutet „nicht bloß Gnade für die Eltern, sondern auch Heil für tausend andere“ (29). Kinder „keine geringe Gottesgabe"; die Ehe eine göttliche Institution (30). Die Seelen-, bezw. Tugendgröße die wahre Größe des Menschen (31 f.). Der Geist des Lebens und der Geist der Gnade (33 f.). Das erfolgreiche Bekehrungswerk des Täufers (35). Johannes „im Geist und in der Kraft des Elias“ (36 f.). Johannes der Herold Christi. Die Wegbereitung unserer Seele (38).


29.

[Forts. ] * „Fürchte nicht, Zacharias! Denn sieh, dein Gebet ist erhört worden, und dein Weib Elisabeth wird einen Sohn gebären, den sollst du Johannes heißen; und Freude wird dir sein, und viele werden über seine Geburt sich freuen."*

Voll stets und übervoll strömt das göttliche Wohltun; nicht auf eine geringe Zahl beschränkt es sich, sondern häuft und erschöpft sich in einer Fülle des Guten: so (haben wir) hier zunächst die Frucht des Gebetes, ferner der unfruchtbaren Gattin Kindersegen, sodann die Freudeheimsuchung für weiteste Kreise und die Tugendgröße (des Täufers). Desgleichen wird ein Prophet des Höchsten verheißen und, um allen Zweifel auszuschließen, sogar des Künftigen Namen bestimmt. Einem so gewaltigen, jeden Wunsch übersteigenden Strome (des Wohltuns) gegenüber lautet die Strafe des Mißtrauens nicht mit Unrecht auf Verstummen. Wir werden später des näheren darauf zurückkommen. Allgemeine Freude aber birgt die Empfängnis und Geburt von Heiligen; denn ein Heiliger bedeutet nicht bloß Gnade für die Eltern, sondern auch Heil für tausend andere. So enthält also unsere Stelle eine Aufforderung an uns, der Geburt von Heiligen uns zu freuen.


30.

Aber auch für die Eltern liegt hierin eine Aufforderung zur Danksagung nicht weniger für die Geburt als für die Wohltat, deren sie mit den Kindern als ihren künftigen Geschlechtsträger und Erbfolgern gewürdigt wurden. Lies146, wie Jakob sich freute über die Geburt seiner zwölf Söhne! Dem Abraham wird ein Sohn geschenkt147, dem Zacharias Erhörung gewährt. Ein Gottesgeschenk ist sonach der Eltern Kind. Danken sollen also die Väter als Erzeuger, die Kinder für die Erzeugung, die Mütter für den lohnenden Ehrenpreis der Ehe; denn ihres Mühens und Ringens Sold sind Kinder. Es verjünge sich die Erde zu Gottes Lob, da sie bebaut wird, die Welt, da sie erkannt wird, die Kirche um des zahlreichen Wachstums des frommgläubigen Volkes willen! Nicht umsonst geht gleich zu Beginn der Genesis148 auf Gottes Geheiß eine Eheschließung vor sich: nur um der Häresie den Boden zu entziehen. Denn also billigte Gott die Ehe, daß er ihr Band knüpfte; also lohnte er sie, daß seine göttliche Vatergüte sogar denen Kinder schenkte, denen Unfruchtbarkeit sie vorenthielt.


31.

„Und er wird groß sein vor dem Herrn"149. Nicht von der Leibes-, sondern von der Seelengröße erklärte (der Engel) das. Es gibt vor dem Herrn eine Seelengröße, eine Tugendgröße, es gibt aber auch eine Seelenkleinheit, ein Kindheitsalter der Tugend. Ebenso bemessen auch wir die seelische und körperliche Altersreife nicht nach dem Zeitmaße, sondern nach der Tugendbeschaffenheit. So gilt als vollkommener Mann, wer von Jugendverirrung sich fern-, von den Schwankungen der Jugendzeit durch geistige Reife sich freihält; als Kind hingegen, wer sichtlich noch keinerlei Tugendfortschritt gemacht hat. Daraus erklärt sich jene Stelle bei Jeremias, da der Herr des bußflehenden und seinen Sünden fluchenden Ephraem sich erbarmte: „Von Jugend auf ist mein Liebling Ephraem ein Knabe in Genüssen"150. Wäre er nämlich nicht ein Knabe in Genüssen gewesen, würde er nie gesündigt haben. Und zwei zutreffende Ausdrücke:„in Genüssen" und „ein Knabe"; denn es gibt auch Knaben, die nicht sündigen: „Sieh, mein Knabe, den ich erkoren habe"151. Weil er den Genüssen nachhing, sündigte sonach jener, obschon er vom Herrn eine solche Unterweisung empfangen hatte, daß ihm Verirrung fremd hätte bleiben sollen. Wäre er also einerseits kein „Knabe in Genüssen" gewesen, wäre er andererseits an Altersreife der Tugend zum „vollkommenen Manne"152 fortgeschritten, würde er niemals gefallen sein: er hätte es nicht nötig gehabt, Verzeihung seiner Sünden zu erflehen statt lieber, wie er es sollte, der Verdienste Lohn zu erhoffen. Diesen Gedanken scheint auch unser Herr im Evangelium auszudrücken, wenn er mahnt: „Wollet keines von diesen Kindern gering achten!"153 Doch Ausführlicheres hierüber an seinem Platze154. ‚Kind' also ist der Gegensatz zu ‚groß'. Und wenn nach dem Apostel das Kind den Elementen der Welt unterworfen ist ― denn „da wir Kinder gewesen, waren wir den Elementen der Welt unterworfen"155 ―, ist der Große folglich über die Elemente der Welt erhaben.


32.

[Forts. ] „Groß also wird Johannes sein" nicht an Kraft des Leibes, sondern an Größe der Seele. So hat er denn auch nicht die Grenzen eines Reiches erweitert, nicht irgendwelche Triumphzüge nach sieggekrönter Entscheidungsschlacht vor allem anderen sich verlangt, sondern, was mehr besagt, als Prediger in der Wüste Menschengenüsse und Fleischesgelüste mit großer Geisteskraft niedergerungen. Das Element des Kindes ist die Welt, das des Großen der Geist. So hat denn (Johannes) als Großer, nicht als Sklave den Lockungen des Lebens im Verlangen nach dem (wahren) Leben mit der bestehenden Auffassung gebrochen.


33.

„Und er wird mit dem Heiligen Geiste erfüllt werden schon vom Mutterleibe an"156. Ohne Zweifel beruht diese Verheißung des Engels auf Wahrheit; gab doch der heilige Johannes noch im Mutterschoße, bevor er geboren wurde, die Gnade zu erkennen, daß er den Geist empfangen hatte. Während nämlich weder sein Vater noch seine Mutter im Vorausgehenden wunderbare Dinge vollführten, verkündigte er durch sein Aufhüpfen im Mutterschoße die Frohbotschaft von der Ankunft des Herrn. Denn so liest man: Da die Mutter des Herrn zu Elisabeth gekommen war, rief diese aus: „Sieh, sobald dein Gruß an mein Ohr gelangte, hüpfte das Kind auf in meinem Schoße"157. Noch besaß es nicht den Geist (Odem) des Lebens, doch den Geist der Gnade. So konnten wir auch an einer anderen Stelle beobachten, wie die Heiligungsgnade der natürlichen Lebensbedingung zuvorkam; es sprach nämlich dort der Herr: „Ehe ich dich bildete im Mutterleibe, habe ich dich gekannt, und ehe du hervortratest aus dem Mutterschoße, habe ich dich geheiligt und dich zum Propheten für die Völker bestellt"158. Zwei verschiedene Dinge sind der Geist dieses Lebens und der Geist der Gnade. Ersterer nimmt seinen Anfang mit der Geburt, sein Ende mit dem Tode; letzterer ist nicht an Zeit, nicht an Alter gebunden, erlischt nicht mit dem Tode, ist nicht ausgeschlossen vom Mutterleibe. So hat auch Maria voll des Heiligen Geistes geweissagt159, der tote Elisäus einen menschlichen Leichnam durch die Berührung mit seinem eigenen Leibe erweckt160, Samuel nach seinem Tode, wie die Schrift bezeugt, nicht geschwiegen über das Zukünftige161.


34.

[Forts. ] „Und er wird vom Heiligen Geiste* erfüllt* werden". Wem nämlich des Geistes Gnade einwohnt, dem mangelt nichts; und wem der Heilige Geist eingegossen wird, dem erwächst die Fülle großer Tugenden.


35.

„Sodann endlich wird er viele von den Kindern Israels zum Herrn ihrem Gott bekehren"162. Wir bedürfen keines Beweises, daß der heilige Johannes die Herzen gar vieler bekehrt hat. Unsere Behauptung stützen ja der Propheten wie der Evangelisten Schriften ― „Stimme des Rufenden in der Wüste: bereitet dem Herrn den Weg, macht eben seine Pfade!"163 ― Und die Taufen, zu welchen die Volksscharen sich drängten, geben deutliche Kunde von den nicht geringen Fortschritten, welche die Bekehrung des Volkes nahm. Wer Johannes glaubte, glaubte ja Christus; denn nicht der eigenen Person, sondern dem Herrn galt die Predigt des Vorboten Christi. Und darum:


36.

„Er wird hergehen vor dem Angesicht des Herrn im Geiste und in der Kraft des Elias"164. Passend werden diese beiden Begriffe verbunden; denn niemals ist der Geist ohne Kraft, noch die Kraft ohne den Geist. Und darum vielleicht „im Geiste und in der Kraft* des Elias*", weil gerade der heilige Elias beides besaß, große Kraft und Gnade: die Kraft, das Herz der Volksscharen vom Unglauben zum Glauben zurückzuführen, die Kraft des Entsagens und Ertragens und den Geist der Weissagung. In der Wüste weilt Elias, in der Wüste Johannes. Jener bezog von Raben165, dieser von Hecken166 die Nahrung und zog, jede Lockung sinnlichen Genusses mit Füßen tretend, eine spärliche Lebensweise vor und verschmähte eine üppige. Jener fragte nicht nach des Königs Achab Gunst167, dieser verachtete die des Herodes. Jener teilte den Jordan168, dieser wandelte ihn zum heilbringenden Taufbad. Dieser verkehrt mit dem Herrn auf Erden, jener erscheint mit dem Herrn in Herrlichkeit169. Dieser ist der Vorläufer bei der ersten, jener bei der zweiten Ankunft des Herrn170. Jener erquickte nach Ablauf von drei Jahren die ausgetrocknete Erde mit reichlichem Regen171 und dieser befruchtete nach drei Jahren das Erdreich unseres Herzens mit dem Tau des Glaubens. Du fragst, welche drei Jahre das seien? „Sieh", spricht er, „drei Jahre sind es, seitdem ich komme und an diesem Feigenbaum Frucht suche, und ich finde keine"172. Dieser mystischen Zahl (der Jahre) bedurfte es, um den Völkern das Heil zu bringen: Das erste Jahr ist die Zeit der Patriarchen ― und damals gerade reifte aus der Menschheit ein Jahresertrag wie niemals später auf Erden ―, das zweite die Zeit des Moses und der übrigen Propheten, das dritte ist eingeleitet durch die Heilsankunft des Herrn. „Sieh", spricht er, „das angenehme Jahr des Herrn und der Tag der Vergeltung!"173 Auch jener Hausvater, der einen Weinberg pflanzte, schickte nicht einmal, sondern des öfteren seine Erntearbeiter dahin ab: erst schickte er Knechte dahin, sodann wiederum Knechte, das dritte Mal aber sendete er seinen Sohn"174.


37.

[Forts. ] „Im Geiste und in der Kraft des Elias" erschien Johannes. Das eine läßt sich ohne das andere nicht denken. So begegnet man (der gleichen Verbindung) auch im folgenden, wenn es heißt: „Der Heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten dich überschatten"175. Doch es scheint vielleicht dieser Vorgang zu erhaben für eine Anwendung auf uns und auf die Apostel: indes auch die Wasserfluten, die unter Elias nach Teilung des Jordans zum Ursprung des Flusses zurückströmten, wie die Schrift es bezeugt hat : „Der Jordan ward zurückgestaut"176, deuten auf die künftigen Geheimnisse des Heilsbades hin, durch welche die getauften Kinder vom Sündenzustand in den Urstand ihrer Natur zurückversetzt werden. Und wie? Hat nicht der Herr selbst seinen Aposteln verheißen, daß ihnen die Kraft des Geistes verliehen werden soll, da er versicherte: „Ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist in euch kommen wird"?177 Sodann im folgenden: „Da entstand plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein Windstoß mit großer Gewalt daher käme"178. Zutreffend „mit großer Gewalt", weil „durch seines Mundes Hauch (Geist) all ihre Kraft besteht"179 ― jene Kraft, welche die Apostel vom Heiligen Geiste empfangen haben.


38.

Zutreffend steht auch, der heilige Johannes „wird hergehen vor dem Angesichte des Herrn"; denn er war sein Vorbote schon in der Geburt und sein Vorbote noch im Tode. Und vielleicht dürfte sich dieses Geheimnis auch in unserem Leben hier und heute noch wiederholen. Es zieht nämlich unserer Seele, sobald wir den Weg zum Glauben an Christus einschlagen, gleichsam die Kraft des Johannes voraus, um die Wege unserer Seele zu bereiten180 und aus dem Krummpfade dieses Lebens gerade Wege für unseren Wandel zu schaffen: an keiner Krümmung des Irrtums sollen wir ausgleiten, jedes Tal unserer Seele voll Tugendfrüchte prangen können, jede über weltliche Verdienste sich erhebende Höhe lieber in Furcht als Tiefland vor dem Herrn sich breiten im Bewußtsein, daß Hinfälliges nichts Hohes bedeuten kann.

Das Evangelium nach Lukas

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