Читать книгу Das Evangelium nach Lukas - Ambrosius von Mailand - Страница 11

Zweites Buch, Luk. 1,26-3,22 1. Marias Verkündigung, Luk. 1, 26―28

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Die jungfräuliche Gottesmutter „einem Mann verlobt“; Gründe: der Ruf der Jungfrau (1), das Interesse des Kindes, die Bezeugung der Jungfräulichkeit durch den Gemahl (2), die Täuschung des Teufels bezw. des Fürsten der Welt (3). — Marias Jungfräulichkeit trotz der Vermählung; Zeugen: Maria, Lukas, die Propheten, Christus der Herr (4); Joseph, der „Gerechte“, ein schriftbeglaubigter Zeuge. Die Bezeichnung ,Gemahlin' (5) und die Wendung: „er erkannte sie nicht, bis sie den Sohn gebar” keine Instanz dagegen (6). Die Jungfrau-Mutter Typus der Kirche, der makellosen Braut des Hl. Geistes (7). Maria, das Bild und Vorbild der züchtigen Junghau (8). Maria, die kluge Jungfrau. Unterschied zwischen einer schamhaften Jungfrau (Maria) und Frau (Elisabeth) (9). Die Größe Christi im Vergleich zur Größe des Johannes (10—11). Die Größe Christi in sich. Die Schriftbezeichnung Christi als des „Ersten“, bezw. des Vaters als des „Alleinigen“ keine Instanz gegen die Konsubstanzialität des Sohnes mit dem Vater (12—13). Marias Frage an den Verkündigungsengel keine Zweifelsfrage über das Daß, sondern eine Glaubensfrage nach dem Wie des Geschehens (14). Marias Verhalten dem Verkündigungsengel gegenüber im Gegensatz zu dem des Zacharias (15—18).


1.

„Zur nämlichen Zeit aber ward der Engel Gabriel vom Herrn gesandt in eine Stadt in Galiläa mit Namen Nazareth, zu einer Jungfrau, die verlobt war einem Manne mit Namen Joseph, vom Hause Davids, und der Name der Jungfrau war Maria"204.

Verborgen zwar sind die göttlichen Geheimnisse und unmöglich kann nach prophetischem Ausspruche ein Mensch Gottes Ratschluß erkennen205, aber gleichwohl können wir aus den sonstigen Heilstaten und -lehren des Herrn ersehen, wie auch das auf einem gewichtigeren Ratschlusse beruhte, daß zur Mutter des Herrn vor allem eine solche auserkoren wurde, „die einem Manne verlobt war". Warum aber wurde sie nicht vor ihrer Verlobung erfüllt? Vielleicht um dem Gerüchte vorzubeugen, sie habe im Ehebruch empfangen206. Und mit gutem Grunde stellte die Schrift beides fest, daß sie Verlobte und Jungfrau war: Jungfrau, damit sie unberührt vom Umgange mit einem Manne erschiene; Verlobte, damit sie nicht wegen Verletzung der Jungfräulichkeit in Verruf käme und gebrandmarkt würde, wenn der schwangere Leib ihr offen das Schandmal der Entehrung aufzudrücken schiene. Lieber aber wollte der Herr Zweifel über seine eigene Herkunft als über die Keuschheit seiner Mutter zulassen ― er wußte nämlich, wie zart jungfräuliche Scham und wie gefährdet der Ruf der Keuschheit ist ― und glaubte nicht die Glaubwürdigkeit seiner Herkunft auf die Gefahr ungerechter Verdächtigungen seiner Mutter sichern zu sollen. So verbleibt also der heiligen Maria Jungfräulichkeit wie in der Reinheit unversehrt so im Rufe unverletzlich. Es sollen ja die Heiligen „auch von denen gutes Zeugnis haben, die draußen sind"207. Auch wäre es nicht geziemend gewesen, wenn Jungfrauen von üblem Ruf als Deckmantel zu ihrer Entschuldigung die Ausrede verbliebe, es seien auch über die Mutter des Herrn schlimme Nachreden gegangen.


2.

Was aber hätte man es den Juden, was dem Herodes verübeln können, wenn sie anscheinend einem Kinde aus dem Ehebruch nachstellten? Wie hätte Christus selbst sprechen können: „Ich bin nicht gekommen, das Gesetz aufzuheben, sondern zu erfüllen"208, wenn er schon mit seinem ersten Schritt ins Leben den Schein der Gesetzesverletzung erweckt hätte, nachdem doch außereheliche Geburten durch das Gesetz verpönt waren?209 Noch mehr! Gerade der Gemahl war der vollgültigste Zeuge der Schamhaftigkeit, der beigezogen werden konnte, imstande, Unrecht mitzufühlen und Schmach zu rächen, wenn er auch nicht in das Geheimnis eingeweiht war. Und wie? Mußte hierdurch nicht auch der Aussage Marias erhöhte Glaubwürdigkeit gesichert und einem Grund zur Lüge der Boden entzogen werden? In schwangerem Zustand außer der Ehe hätte sie wohl den Anschein erwecken müssen, durch eine Lüge ihre Schuld verschleiern zu wollen. Als Unvermählte nur hätte sie einen Grund zum Lügen gehabt, nicht als Vermählte, nachdem gerade der Frauen Niederkunft der Ehe Lohn, der Vermählung süße Frucht birgt.


3.

Ein nicht geringer Grund desgleichen liegt darin, daß die Jungfräulichkeit Marias dem Fürsten der Welt entgehen sollte; denn da er sie einem Manne verlobt sah, konnte ihre Geburt ihm nicht verdächtig erscheinen. Daß aber die Täuschung des Fürsten der Welt beabsichtigt war, geben Äußerungen des Herrn selbst klar zu erkennen: so, wenn den Aposteln aufgetragen wird, über Christus zu schweigen210, wenn den Geheilten verboten wird, mit der Heilung sich zu brüsten211, wenn den Dämonen befohlen wird, über den Gottessohn zu verstummen212. Daß die Täuschung des Fürsten der Welt, wie gesagt, beabsichtigt war, gab auch der Apostel klar zu erkennen mit den Worten: „Wir aber reden Gottes Weisheit, die im Geheimnis verborgen ist, die keiner von den Fürsten dieser Welt erkannt hat; denn hätten sie diese erkannt, würden sie nimmer den Herrn der Herrlichkeit gekreuzigt haben"213, d. i. nimmer die Hand geboten haben zu meiner Erlösung durch den Tod des Herrn. Er täuschte sie sonach zu unserem Besten, er täuschte sie zu ihrer Überwältigung, er täuschte den Teufel dadurch, daß er trotz Versuchung, trotz Fragen, trotz der Benennung mit ‚Gottessohn' niemals mit einer Selbstbezeugung seiner Gottheit hervortrat. Doch mehr noch (als den Teufel) täuschte er den Fürsten der Welt214. Denn der Teufel blieb wohl eine Zeitlang im Ungewissen, da er sprach: „Wenn du der Gottessohn bist, so stürze dich hinab"215, aber er erkannte ihn doch, wenn auch noch so spät, und wich von ihm. Auch die Dämonen erkannten ihn, da sie riefen: „Wir wissen, wer du bist, Jesus, Sohn Gottes. Was bist du gekommen, uns vor der Zeit zu quälen?"216 Darum wußten sie, daß er gekommen sei, weil sie vorauswußten, daß er kommen werde. Daß aber die Fürsten dieser Welt ihn nicht erkannten, welches triftigere Zeugnis könnten wir zum Nachweis hierfür erbringen als des Apostels Ausspruch: „Denn hätten sie (ihn) erkannt, nimmer würden sie den Herrn der Herrlichkeit gekreuzigt haben". Der Dämonen Bosheit nämlich gewahrt leicht auch das Verborgene; jene dagegen, welche von den Eitelkeiten der Welt eingenommen sind, vermögen zur Kenntnis des Göttlichen nicht zu gelangen.


4.

Gar zweckmäßig aber teilten sich die Evangelisten in ihre Aufgabe. So führt der heilige Matthäus den Joseph ein, wie er vom Engel gemahnt wird, Maria nicht zu entlassen217; der Evangelist Lukas bezeugt an jener Stelle, daß sie keinen Umgang gepflogen haben; hier bekennt es Maria selbst in ihrer Frage an den Engel: „Wie wird das geschehen, da ich einen Mann nicht erkenne?"218 Aber auch der heilige Lukas seinerseits erklärt sie als Jungfrau mit den Worten: „Und der Name der Jungfrau war Maria". Und der Prophet sprach es aus, da er verkündete: „Sieh, die Jungfrau wird im Schoße empfangen"219. Und Joseph gab es deutlich zu verstehen, der sie, da er sie schwanger sah, ohne sie erkannt zu haben, entlassen wollte220. Und der Herr selbst, am Kreuze hängend, tat es kund, indem er die Mutter anredete: „Weib, sieh hier, dein Sohn", sodann den Jünger: „Sieh hier, deine Mutter"221. Auch diese beiden, Jünger und Mutter, bezeugten es; denn „von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich"222. Hätten sie Umgang gepflogen, würde doch Maria nimmermehr den eigenen Mann verlassen, noch der Mann, der „gerechte"223, zugelassen haben, daß sie von ihm scheide. Wie aber hätte der Herr die Scheidung anordnen können, nachdem gerade er den Grundsatz aufstellte, niemand dürfe sein Weib entlassen, außer wegen Ehebruches?224


5.

Eine schöne Belehrung aber gab der hl. Matthäus darüber, was der Gerechte tun solle, der sein Weib in Schande ertappe: Er solle sich rein vom Blute des Menschenmordes, rein von der Befleckung des Ehebruches halten; denn „wer einer Buhlerin anhängt, ist* ein* Leib mit ihr"225. So wird denn in Joseph überall der Nimbus und die Rolle des Gerechten gewahrt, um ihn als Zeugen zu empfehlen; denn „des Gerechten Mund kennt nicht Lüge, und seine Zunge spricht Gerechtigkeit"226, seine Gerechtigkeit spricht Wahrheit. Es darf dich auch nicht beirren, daß die Schrift häufig von einer Vermählten spricht; denn damit ist keine Aufhebung der Jungfräulichkeit, sondern nur eine Bezeugung der Ehe, der Vollzug der Vermählung klar ausgesprochen. So entläßt ja niemand ein Weib, das er nicht heimgeführt. Das Vorhaben der Entlassung schließt darum ein Geständnis der Heimführung in sich.


6.

[Forts. ] Zugleich auch darf es nicht befremden, daß der Evangelist schreibt: „Er erkannte sie nicht, bis sie den Sohn gebar"227. Diese Redeweise nämlich erklärt sich entweder aus dem Sprachgebrauch der Schrift ― so liest man anderswo: „Und bis ihr altert, bin ich derselbe"228. Hat nun etwa Gott nach deren Altwerden zu sein aufgehört? Und in den Psalmen: „Es sprach der Herr zu meinem Herrn: setze dich zu meiner Rechten, bis daß ich mache deine Feinde zum Schemel deiner Füße"229. Wird er etwa nachher nicht mehr thronen? ― oder daraus, daß ein Anwalt, der eine Sache vertritt, es für genügend hält, vorzubringen, was zur Sache gehört: was darüber hinausliegt, kümmert ihn nicht; denn er beschränkt sich auf den Nachweis der Sache, die er übernommen hat; den neuen Rechtsfall, der anhängig wird, schiebt er hinaus. Darum glaubte auch der Evangelist, der den Nachweis des unversehrten Geheimnisses der Menschwerdung übernommen hatte, nicht weiter den Nachweis der Jungfräulichkeit Marias führen zu sollen, um nicht mehr als Anwalt der Jungfrau denn als Verteidiger jenes Geheimnisses angesehen zu werden. Sicherlich aber hat er, da er Joseph für einen Gerechten erklärte, hinreichend klar ausgesprochen, daß derselbe unmöglich den Tempel des Heiligen Geistes, die Mutter des Herrn, den Schoß des Geheimnisses (der Menschwerdung) verletzen konnte.


7.

Wir haben den Wortlaut der Wahrheit230 vernommen, wir haben den beabsichtigten Zweck derselben vernommen: nun laßt uns den mystischen Sinn derselben vernehmen! Mit gutem Grund ist Maria eine Vermählte, zugleich aber auch Jungfrau; denn sie ist Vorbild der Kirche, die makellos ist, aber auch Braut. Als Jungfrau hat diese uns vom Geiste empfangen, als Jungfrau gebiert sie uns ohne Schmerzenslaut. Und vielleicht war die heilige Maria deshalb einem anderen verlobt, von einem anderen (mit der Leibesfrucht) erfüllt, weil auch die einzelnen Kirchen vom Geiste und von der Gnade erfüllt werden, gleichwohl aber äußerlich einem sterblichen Priester angetraut sind.


8.

[Forts. ] * „Und der Engel trat zu ihr hinein und sprach: Gegrüßt seist du, voll der Gnade, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit unter den Weibern. Sie aber ward, sobald sie seiner ansichtig wurde, verwirrt bei seinem Eintritte"*231.

Studiere die Jungfrau in ihrem sittlichen Wandel, studiere die Jungfrau in ihrem züchtigen Verhalten, studiere die Jungfrau in ihrer Rede, studiere sie in ihrem geheimnisvollen Wesen! Es ist Jungfrauenart, zu erzittern und bei jedem Eintritte eines Mannes zu erbeben, vor der Anrede durch einen Mann zu erröten. Möchten die Frauen das Ideal der Keuschheit, das sie vor Augen haben, nachahmen lernen! Allein weilt sie in ihrem Gemache, so daß keine Mannsperson sie sehen, nur der Engel sie antreffen konnte. Allein ohne Begleiter, allein ohne Zeugen, daß kein unartiges Wort sie entweihe, trifft sie des Engels Gruß. Lerne, Jungfrau, schlüpfrige Reden meiden! Maria errötete sogar vor dem Gruße des Engels.


9.

„Sie dachte indes nach, was das für ein Gruß sei "232.

Im Bunde mit ihr erscheinen sonach Schüchternheit, insofern sie erschrak, und Klugheit, insofern sie verwundert über den neuen Segensgruß nachdachte, den man nie gelesen, nie vordem vernommen hat233. Maria allein blieb dieser Gruß vorbehalten; denn sie allein wird mit Recht „voll der Gnade" geheißen, insofern sie allein die Gnade erlangte, der keine andere gewürdigt war, daß sie vom Urheber der Gnade erfüllt wurde. ― Es errötete auch Elisabeth. So laßt uns denn den Unterschied zwischen der Züchtigkeit einer Frau und einer Jungfrau kennen lernen! Erstere errötete aus einem sachlichen Anlaß, letztere aus Zartgefühl; bei der Frau haben wir die Schamhaftigkeit in einem eingeschränkten234, bei der Jungfrau das zarte Schamgefühl in einem höheren Maß.


10.

„Und der Engel des Herrn sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast Gnade gefunden bei Gott. Und sieh, du wirst empfangen im Schoße und einen Sohn gebären, und du sollst seinen Namen Jesus heißen. Dieser wird groß sein"235.

Auch von Johannes wurde zwar vom Engel versichert: „Er wird groß sein"236 . Doch dieser war groß als Mensch, jener groß als Gott; denn „groß ist der Herr und lobwürdig überaus, und seiner Größe ist kein Ende"237. Ja fürwahr, auch Johannes war groß; denn „keinen größeren Propheten gibt es unter den von Weibern Geborenen als Johannes den Täufer"238. Doch einen Größeren noch hat er (über sich); denn „der Geringste im Reiche Gottes ist größer als er"239. Groß war Johannes. Indes vor dem Herrn trinkt auch der große Johannes nicht Wein und starkes Getränk240, dieser aber ißt und trinkt mit den Zöllnern241. Jener sollte sich durch Fasten Verdienst sammeln, weil er von Natur nichts vermochte. Warum aber hätte Christus, dem die Gewalt der Sündenvergebung von Natur eignete, jene (Zöllner) meiden sollen, die er zu besseren Menschen machen konnte, als selbst Aszeten waren?


11.

[Forts. ] Zugleich hat das eine mystische Bedeutung, daß der Herr das Gastmahl derer nicht verschmäht, denen er sein Geheimnis darbieten will. Er ißt, jener (Johannes) fastet: Vorbilder der beiden Völker! In letzterem fastet das Volk, in ersterem speist es. Doch hat auch Christus gefastet, daß du dem (Fasten-) Gebote nicht abspenstig würdest; er hat mit Sündern gegessen, daß du seine Huld ersehest, seine Macht erkennest. ― Groß war auch Johannes. Doch seine Größe hat einen Anfang und hat ein Ende. Der Herr Jesus aber ist zugleich „der Anfang und das Ende", zugleich „der Erste und der Letzte"242. Nichts kommt vor dem Ersten, nichts nach dem Letzten.


12.

Der herkömmliche menschliche Zeugungsvorgang darf dich nicht zur falschen Auffassung verleiten, er könne nicht „der Erste" sein, weil er der Sohn ist. Folge der Schrift, um nicht irren zu können! Der Sohn wird hier „der Erste" genannt. So steht auch vom Vater zu lesen, er sei „allein": „Der allein die Unsterblichkeit hat und in unnahbarem Lichte wohnt"243, wie du auch (vorher) gelesen: „Dem unsterblichen alleinigen Gott"244. Indes ist weder „der Erste" vor dem Vater, noch der „Alleinige" ohne den Sohn. Verneinst du das eine, bejahst du das andere. Beidem geh nach ― und beides bestätigst du! Er sprach nicht: „Ich bin der Erstere und ich bin der Letztere", sondern: „Ich bin der Erste und ich bin der Letzte". „Der Erste" ist der Sohn und darum gleichewig; denn er hat den Vater, mit dem er ewig ist. Ich wage zu sagen: „der Erste" ist der Sohn, aber „der Alleinige" ist er nicht, und mit gutem Grund sage ich’s und in religiöser Gesinnung sage ich’s. Was spitzt ihr, Häretiker, die Ohren auf gottloses Gerede. Ihr seid ins Netz geraten, das ihr selbst ausspannt. „Der Erste" ist der Sohn, doch „der Alleinige" ist er nicht: „der Erste", weil er immer mit dem Vater ist; nicht „der Alleinige", weil er nimmer ohne den Vater ist. Nicht ich sage dies, sondern er selbst hat gesagt: „Und ich bin nicht alleinig, denn der Vater ist bei mir"245. Alleinig ist der Vater, weil nur* ein* Gott ist; alleinig ist der Vater, weil es allein nur eine Gottheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes gibt. Und was einzig ist, das ist alleinig. Alleinig ist der Vater, alleinig der Eingeborene, alleinig auch der Heilige Geist. Denn der Sohn ist nicht auch der Vater, oder der Vater auch der Sohn, oder der Heilige Geist auch der Sohn. Ein anderer ist der Vater, ein anderer der Sohn, ein anderer der Heilige Geist; denn wir lesen: „Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Tröster geben"246. Allein ein Vater ist, weil nur* ein* Gott ist, aus dem alles ist; allein ein Sohn, weil nur* ein* Herr ist, durch den alles ist247. Das ‚allein' bedingt die Gottheit; ‚Zeugung' weist ebenso auf den Vater wie den Sohn, so daß nirgends der Sohn ohne den Vater, oder der Vater ohne den Sohn erscheint. Er ist also nicht allein, weil er auch nicht allein unsterblich ist und nicht allein in unnahbarem Lichte wohnt; denn „Gott hat niemand je gesehen außer der eingeborene Sohn, der im Schoße des Vaters ist"248, der zur Rechten des Vaters sitzt. Und diesem soll, so wagen einige zu behaupten, das Licht unnahbar sein, in welchem der Vater wohnt? Ist etwa das Licht besser als der Vater? Welches Licht aber soll dem unnahbar sein, dem selbst der Vater nicht unnahbar ist? Er gerade ist das wahre Licht und der Erzeuger des ewigen Lichtes, von dem geschrieben steht: „Das war das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt"249. Sieh, ob nicht dies das „unnahbare Licht" ist, in welchem der Vater wohnt, aber auch der Sohn wohnt, weil der Vater im Sohne und der Sohn im Vater ist250.


13.

[Forts. ] Mit Recht denn „groß"; denn weit erstreckt sich Gottes Macht, weit reicht der himmlischen Wesenheit Größe. Kein Gebot, keine Schranke, kein Maß, kein Ende hat die Trinität. Nicht raumgebunden ist sie, unbegreiflich dem Denken, unfaßbar dem Urteil, unwandelbar an Jahren. Es verlieh zwar der Herr Jesus auch Menschen eine Größe; denn „über die ganze Erde geht aus ihr Schall, und bis an des Erdballs Grenzen ihre Rede"251 ― aber nicht bis an die Grenzen der Welt, nicht bis an die Grenzen des Himmels, nicht über die Himmel hinaus. Dagegen ist im Herrn Jesus „alles erschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare; und er ist vor allem, und alles besteht in ihm"252. Blicke auf zum Himmel: Jesus weilt dort. Schaue zur Erde: Jesus ist da. Steig kraft des Wortes zum Himmel auf, steig kraft des Wortes zur Unterwelt hinab: Jesus ist da. Denn ob du zum Himmel emporsteigst: Jesus ist dort; ob du zur Unterwelt hinabsteigst: er ist da253. Jetzt, da ich spreche, ist er bei mir da an diesem Punkte, in diesem Augenblick. Und wenn in Armenien eben jetzt ein Christ spricht, ist auch dort Jesus zugegen; denn niemand kann sagen: „Herr Jesus, außer im Heiligen Geiste"254. Du magst dich in Gedanken hinabversetzen in die Abgründe, du wirst auch dort Jesus wirken sehen; denn es steht geschrieben: „Sage nicht in deinem Herzen: Wer steigt hinauf in den Himmel? d. i. um Christus herabzuholen, oder: Wer steigt in den Abgrund? d. i. um Christus von den Toten heraufzurufen"255. Wo also wäre er nicht, der alles erfüllt, was im Himmel, unter der Erde und auf der Erde ist? Mit Recht denn „groß", dessen Macht die Welt erfüllt, der überall ist und immer sein wird; denn „seines Reiches wird kein Ende sein"256.


14.

* „Es sprach aber Maria zum Engel: Wie wird dies geschehen, da ich einen Mann nicht erkenne?"*257 Es könnte den Anschein erwecken, als ob hier Maria nicht geglaubt hätte, wenn man nicht genau zusähe; denn es wäre nicht recht, die Auserkorene zur Mutter des eingeborenen Gottessohnes sich ungläubig zu denken. Wie doch hätte es geschehen können ― unbeschadet freilich der Prärogative der Mutter, der gewiß größere Rücksicht gebührte: je größer indes das Vorrecht, umso größer das Glaubensmaß, das ihm entsprechen soll ― wie also hätte es geschehen können, daß Zacharias, der nicht geglaubt hatte, zum Verstummen verurteilt, Maria aber, wenn sie wirklich nicht geglaubt hätte, durch die Eingießung des Heiligen Geistes hoch begnadigt wurde? Nein, Maria durfte weder ungläubig, noch verwegen und anmaßend sein: nicht ungläubig sein gegen den Engel, nicht Göttliches sich anmaßen. Nicht leicht nämlich war erkennbar „das Geheimnis, das von Ewigkeit in Gott verborgen war"258, das nicht einmal die höheren Mächte zu erkennen vermochten259. Und dennoch versagte sie nicht den Glauben, verweigerte sie nicht den Dienst, sondern zeigte sich gern bereit und gelobte Gehorsam. Ihre Frage: „Wie wird dies geschehen?" war keine Zweifelsfrage über das Daß des Geschehens, sondern ein Sicherkundigen nach dem Wie des Geschehens.


15.

Wie bescheiden klingt nicht diese ihre Frage im Vergleich zu den Worten des Priesters (Zacharias)? Sie spricht: „Wie wird dies geschehen?" Er erwiderte: „Woran soll ich das erkennen?"260 Sie geht sogleich auf die Sache ein, er zweifelt noch an der Botschaft. Seinen Unglauben nur verrät sein Bekenntnis des Nichtwissens und seine Forderung gleichsam nach einer weiteren Gewähr für seinen Glauben; jene erklärt sich bereit zum Handeln und zweifelt nicht am Geschehen; sie fragt nur, wie es geschehen könne. Denn so liest man: „Wie wird das geschehen, da ich einen Mann nicht erkenne?" Die unglaubliche und unerhörte Art der Zeugung mußte erst vom Ohre vernommen werden, um Glauben zu finden. Eine Jungfrau-Mutter ist Zeichen eines göttlichen, nicht menschlichen Geheimnisses. So heißt es denn auch: „Nimm dir hin ein Zeichen: Sieh, eine Jungfrau wird empfangen im Schoße und einen Sohn gebären"261. Das hatte Maria gelesen, darum glaubte sie an dessen künftige Erfüllung. Doch wie es geschehen würde, hatte sie vorher nicht gelesen; denn selbst einem so großen Propheten war das Wie des Geschehens nicht geoffenbart worden. Ein so wunderbarer, geheimnisvoller Auftrag durfte nicht aus Menschen-, sondern sollte aus Engelsmund mitgeteilt werden. Jetzt zum ersten Mal vernimmt das Ohr: „Der Heilige Geist wird auf dich herabkommen"262. Das Ohr vernimmt es, und es findet Glauben.


16.

[Forts. ] Da spricht sie denn:* „Sieh, die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Worte"*263. Sieh die Demut, sieh die Gottergebenheit! „Magd des Herrn" nennt sie sich, die zur Mutter Erwählte. Sie ließ sich durch die völlig unerwartete Verheißung nicht zu Selbstüberhebung hinreißen. Zugleich erhob sie als „Magd" keinen Anspruch auf irgendwelche Bevorzugung infolge der so großen Gnadenauszeichnung: sie wollte nur tun, was ihr befohlen wurde. Zur Mutter dessen bestimmt, der „sanftmütig und demütig" war264, mußte auch sie Demut zur Schau tragen. „Sieh, die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Worte!" Da hat man ihre Dienstbeflissenheit, da sieht man ihren Wunsch: „Sieh, die Magd des Herrn" besagt ihre Dienstbereitschaft; „mir geschehe nach deinem Wort" den Wunsch, den sie hegte.


17.

Wie schnell nun leistet Maria Glaubenszustimmung selbst angesichts der Ungleichartigkeit der Voraussetzungen! Denn was wäre so ungleichartig wie der Heilige Geist und der (menschliche) Leib? Was so unerhört als eine Jungfrau in gesegneten Umständen wider das Gesetz, wider die Sitte, wider die Keuschheit, deren Pflege einer Jungfrau das Teuerste ist? Zacharias hingegen verweigerte nicht anbetrachts der ungleichartigen Natur, sondern anbetrachts des greisen Alters den Glauben. Die entsprechende natürliche Voraussetzung war ja gegeben: Von Mann und Weib geht in der Regel die Zeugung aus, und sobald die erforderliche Voraussetzung da ist, soll man nicht mehr Unglaubhaftes annehmen. Da nämlich das Alter zur Natur, nicht die Natur zum Alter hinzutritt, kommt es so manchmal vor, daß das Alter die Natur behindert. Gleichwohl widerspricht es nicht der Vernunft, daß die geringere Ursache einer größeren weicht und eine höhere Kraft, welche die Natur auszeichnet, die Folgen, welche das geschwächtere Alter gewöhnlich mit sich bringt, aufhebt. Dazu kommt, daß Abraham und Sara ebenfalls im hohen Alter einen Sohn empfangen hatten265 und Joseph „ein Sohn des Alters"266 war. Wenn nun Sara getadelt wird, weil sie lachte267: noch gerechtere Verurteilung verdiente, wer weder dem (Engels-) Wort noch (Schrift-) Beispiel glaubte. Maria aber hat mit den Worten: „Wie wird das geschehen, da ich einen Mann nicht erkenne" augenscheinlich nicht nach dem Daß, sondern nur nach dem Wie des Geschehens gefragt; denn es geht deutlich hervor: sie war von der Notwendigkeit des Geschehens überzeugt, wenn sie auch über das Wie desselben um Aufklärung bat. Darum ward sie auch gewürdigt zu hören: „Selig, die du geglaubt hast!"268 Ja wahrhaft selig, die besser tat denn der Priester! Während der Priester sich ablehnend verhalten hatte, verschaffte sich die Jungfrau über das Unverstandene Klarheit. Kein Wunder auch, wenn der Herr, da er daranging, die Welt zu erlösen, sein Werk bei Maria begann, damit eben sie, durch deren Vermittlung allen das Heil bereitet wurde, als erste die Frucht des Heiles aus ihres Kindes Hand genösse.


18.

[Forts. ] Und mit Recht fragt sie, wie das geschehen werde. Denn sie hatte wohl gelesen, daß eine Jungfrau gebären werde, nicht aber, wie die Jungfrau gebären werde; sie hatte, wie gesagt, gelesen: „Sieh, eine Jungfrau wird empfangen in ihrem Schoße"; wie sie indes empfangen werde, hat erst der Engel im Evangelium ausgesprochen.

Das Evangelium nach Lukas

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