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4. Die Geburt Jesu, Luk. 2, 1―20

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Der Zensus des Augustus typisch der Zensus Christi, bezw. der Kirche, darum geistlicher (36), universaler Art (37), der erste seiner Art (38). Christi Geburts-, bezw. der Menschen Erlösungsurkunde im Evangelium weist alle Formalitäten einer profanrechtlichen Urkunde auf (39). Lukas berichtet kurz über die menschliche, Johannes des näheren über die himmlische Geburt Christi (40). Nur die Kindheitsgeschichte Jesu bringt Lukas: Christus unsertwegen ein armseliges Kind (41); die menschliche Hülle birgt seiner Gottheit Fülle. Nicht das Wort, sondern der Sinn der Schrift entscheidet (42). Die Eselin, ein Typus der Heidenwelt, „erkannte ihren Herrn“: die Erkenntniskriterien (43). Die Weisen aus dem Morgenlande. Symbolische Bedeutung ihrer Geschenke (44). Christus der Stern (45). Christus der Weg. Lehre von den zwei Wegen (46). Allen Erdenpilgern winkt das Ziel des Himmelslohnes (47). Die Magier Nachkommen Balaams, Erben seines Blutes und Glaubens (48). Herodes ein Verfolger, aber nicht Leugner der Gottheit Christi; die ermordeten Kinder Opfer und Blutzeugen derselben (49). Die wachenden Hirten Vorbilder der Priester und Bischöfe, bezw. der himmlischen Schutzgeister der Kirche (50). Die dreimalige Engelsendung zur Beglaubigung der Geburt des Herrn (51). Die „Heerschar“ der Engel; ihr Lobgesang kündet die Gottheit des Herrn (52). In Glaubenssachen dürfen weder Person noch Worte der Hirten gering eingeschätzt werden (53). Das Beispiel Marias, der züchtigen, lernenden, schweigenden Jungfrau (54).


36.

[Forts. ] * „Es geschah aber in jenen Tagen, da ging vom Kaiser Augustus ein Befehl aus, daß der ganze Erdkreis die Vermögenserklärung abgebe"*305.

Im Begriff, von der Geburt des Erlösers zu sprechen, halten wir es nicht für unangebracht, die Frage nach der Zeit der Geburt aufzuwerfen. Was hätte denn auch die Erklärung über weltliche Dinge mit der Geburt des Herrn zu tun, wenn wir nicht auch darin ein göttliches Geheimnis erblicken müßten? Unter dem äußeren Vorgang der weltlichen Vermögenserklärung vollzog sich nämlich eine Erklärung geistiger Art, die nicht vor dem Herrscher der Erde, sondern des Himmels abzugeben war. Diese Erklärung betrifft den Besitzstand des Glaubens im Herzen. Nach der Aufhebung des alten Besitzstandes der Synagoge wurde nämlich der neue Besitzstand der Kirche geschaffen, der kein Zwangsverfahren kennen, sondern es beseitigen sollte. Unter dem Typus des Volkes trug die Kirche geistig* ihre* Namen auf Christus ein. Nicht Ländergebiete, sondern das Gebiet des Geistes und Herzens werden hier abgeschätzt, die Grenzen nicht abgesteckt, sondern hinausgerückt und jeglicher ohne Unterschied des Alters eingetragen; denn niemand ist von diesem Zensus befreit, weil jedes Alter Christus tributpflichtig ist. Wimmernde Säuglinge bekennen ihn mit dem Martertod306, Kinder im Mutterschoß bezeugen ihn mit freudigem Aufhüpfen307. Keine Drohung, keine Grausamkeit, kein Leid braucht man bei diesem Zensus besorgen; allein nur der Glaube zeichnet jeden ein. Willst du die Zensoren Christi erfahren? Ohne Rute und Drohung, lautet ihre Anweisung308, sollen sie ihre Forderung erheben, vielmehr freundlich das Volk aufsuchen, das Schwert in die Scheide stecken309, kein Gold in Besitz haben. Durch solche Zensoren ward der Erdkreis gewonnen.


37.

Sodann erging, um dich zu überzeugen, daß es sich um einen Zensus nicht des Augustus, sondern Christi handelte, an den „ganzen Erdkreis" der Auftrag, sich aufschreiben zu lassen. Da Christus geboren wird, hat eine allgemeine Aufschreibung statt; da die Welt in Frage steht, steht aller Heil auf dem Spiel. Wer sonst hätte eine Aufschreibung des ganzen Erdkreises fordern können als jener, der die Herrschaft über den ganzen Erdkreis innehat. Denn nicht des Augustus, sondern „des Herrn ist die Erde und was sie erfüllt, der Erdkreis und alle seine Bewohner"310. Auf die Goten erstreckte sich des Augustus Szepter nicht, nicht auf die Armenier: Christi Szepter unterstanden sie; sie mußten doch, nachdem sie Blutzeugen Christi stellten, Christi Amtsträger aufgenommen haben. Und vielleicht werden sie darum, wie die Gegenwart lehrt, Sieger über uns, weil die Arianer die Herkunft dessen, den jene mit der Hinopferung ihres Blutes bekannten, in Frage stellten.


38.

[Forts. ] * „Diese Einschreibung war die erste, die erfolgte"*311. Nun aber berichten die Annalen der Geschichte von einer oftmaligen Aufschreibung, die in so manchen Gebietsteilen vorgenommen wurde. Jene nun war „die erste", doch auf geistigem Gebiete, zu der sich, weil es keine Ausnahme gibt, alle zu erklären haben, nicht auf eines Herolds, sondern auf des Propheten Ruf, der längst vorher vorausverkündete: „Ihr Völker alle, klatscht in die Hände, jauchzet Gott mit Jubelschall! Denn hocherhaben ist Gott, furchtbar, ein großer König über die ganze Erde"312. So erschienen denn auch zum Zeichen, daß es sich um den Zensus der Gerechtigkeit handelte, Joseph und Maria hierzu, d. i. der Gerechte313 und die Jungfrau, ersterer zum Schutze des Wortes, letztere zu dessen Geburt. Wo anders sollten der Gerechte und die Jungfrau bekennen als an der Geburtsstätte Christi? Denn „jeder Geist, welcher bekennt, daß Jesus Christus im Fleische gekommen ist, ist aus Gott"314. Wo aber ist nach einer höheren Auffassung die Geburtsstätte Christi als in deinem Herzen und in deiner Brust? Denn „nahe ist das Wort, in deinem Munde und in deinem Herzen"315.


39.

Geziemend aber war die Beifügung des Namens des Statthalters zum Zweck chronologischer Näherbestimmung: „Da Cyrinus Statthalter von Syrien war, erfolgte diese erste Aufzeichnung"316. Der Evangelist, wie es scheint, wollte damit zur Besieglung gleichsam den Konsul unserer Schrift beifügen. Denn wenn schon in Kaufverträgen die Konsuln verzeichnet werden, wieviel mehr mußte in der Urkunde über den Loskauf aller das Datum verzeichnet werden! Da hat man nun alles, was in Vertragsurkunden zu stehen pflegt: den Namen des höchsten Amtsträgers an Ort und Stelle, Tag, Ort, Betreff. Zeugen desgleichen werden gewöhnlich beigezogen: auch diese zog Christus für seine Geburt und Menschwerdung zur Beglaubigung des Evangeliums bei, da er sprach: „Ihr werdet mir Zeugen sein in Jerusalem"317.


40.

„Es begab sich aber, als sie daselbst waren, erfüllten sich die Tage, daß sie gebären sollte. Und sie gebar den erstgeborenen Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil kein Platz war in jener Herberge"318.

Der heilige Lukas hat nur einen kurzen Bericht darüber gegeben, wie und wann und wo Christus dem Fleische nach geboren wurde. Will man hingegen über seine himmlische Zeugung Auskunft, lese man das Evangelium des heiligen Johannes319, der vom Himmlischen ausgehend zum Irdischen niederstieg. Da wird man finden, wann er war und wie er war und was er war, was er gewirkt hatte, was er fort und fort wirkte, und wo er war und wohin er gekommen, wie er gekommen, zu welcher Zeit er gekommen, aus welchem Grund er gekommen ist. „Im Anfang", heißt es, „war das Wort": da hat man, wann er war. „Und das Wort war bei Gott": da hat man, wie er war. Auch was er war, hat man: „und Gott", fährt er fort, „war das Wort"; was er gewirkt hatte: „alles ist durch dasselbe gemacht worden"; was er fort und fort wirkte: „das war das wahre Licht, welches jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt"; und wo er war: „er war in der Welt"; wohin er gekommen ist: „er kam in sein Eigentum"; wie er gekommen ist: „das Wort ist Fleisch geworden"; wann er gekommen ist, darüber gibt Johannes Zeugnis, wenn er von ihm bekennt: „Dieser ist es, von dem ich gesagt habe: der nach mir kommt, ist mir vorgegangen; denn er war eher als ich"320. Über den Grund seiner Ankunft bezeugt eben Johannes: „Sehet, das Lamm Gottes, sehet, welches hinwegnimmt die Sünde der Welt!"321 Haben wir nun die zweifache Geburt kennen gelernt und die* eine* Person in beiden322, und haben wir den Grund erfahren, warum er gekommen ist, um nämlich die Sünden der untergehenden Welt auf sich zu nehmen und die Sündenmakel und den Tod aller an sich, dem Unbesieglichen zu tilgen, so ist es nur folgerichtig, daß uns jetzt auch der heilige Evangelist Lukas die Wege lehrt und zeigt, die der Herr, da er seiner Menschheit nach heranwuchs, wandelte.


41.

Niemand darf sich daran stoßen, wenn die Kindheit des Johannes aus einer höheren Absicht, wie bemerkt, übergangen, hingegen die Kindheit Christi, wie wir dartun wollen, näher beschrieben wurde. Nicht alle können eben sprechen: „Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, um die Schwachen zu gewinnen; allen bin ich alles geworden"323. Und von keinem anderen kann so gesprochen werden: „Er ist verwundet worden um unserer Missetat willen und entkräftet worden um unserer Sünde willen"324. Er ward ein Kindlein, er ward ein Knäblein, daß du ein vollkommener Mann sein könnest; er lag in Windeln, daß du frei seiest von des Todes Banden; er lag in der Krippe, daß du am Altare stehest; er war auf Erden, daß du im Sternenbereiche weilest; er hatte kein anderes Plätzchen in jener Herberge, daß du viele Wohnungen im Himmel habest325. „Da er reich war," heißt es, „ist er euretwillen arm geworden, damit ihr durch seine Armut reich würdet"326. Meinen Reichtum also bedeutet jene Armut und die Schwachheit des Herrn meine Kraft. Für sich wählte er die Entbehrung, um allen seine überreiche Fülle zu bieten. Mich waschen jene Tränen des wimmernden Kindes rein, meine Sünden haben jene Zähren abgewaschen. Mehr also, Herr Jesus, danke ich als Erlöster deinen Leiden, denn als Geschöpf deinen Werken. Nichts fruchtete deine Geburt ohne die Frucht der Erlösung.


42.

[Forts. ] Doch niemand spanne die ganze Gestalt der Gottheit in den engen Rahmen des Leiblichen! Anders ist die Natur des Fleisches, anders der Gottheit Herrlichkeit. Deinetwegen ist er Schwachheit, in sich Kraft; deinetwegen Dürftigkeit, in sich Reichtum. Urteile nicht nach dem Augenschein, erkenne vielmehr deine Erlösung! Daß er in Windeln liegt, siehst du, daß er im Himmel ist, nicht; des Kindes Wimmern hörst du, des Rindes Brüllen nicht, das den Herrn erkennt; denn „es erkennt das Rind seinen Eigentümer und der Esel die Krippe (praesepe) seines Herrn"327, oder vielmehr ‚praesepium', wie ich nach der Lesart des Übersetzers328 hätte sagen sollen; mir liegt nämlich an einer unterschiedlichen Ausdrucksweise nichts, solange sie keine Sinnverschiedenheit einschließt. Denn wenn schon einer von jenen Rednern, die dem äußeren Redeprunk nachhängen, betonte, die Geschicke Griechenlands hingen nicht davon ab, ob man sich dieser oder jener Redeweise bediene, es sei vielmehr auf die Sache zu sehen329; wenn selbst Philosophen in Zirkeln, die ganze Tage in Streitreden vergeuden, weniger die im Lateinischen gebräuchlichen Wendungen gebrauchten, um sich lieber der eigenen zu bedienen, wieviel mehr sollten wir vom Wortlaut absehen und das Augenmerk auf die Geheimnisse lenken, für deren Wiedergabe die Zweckdienlichkeit des Ausdruckes entscheidend ist, weil die göttlichen Wunderwerke keineswegs im Glanze schöner Worte, sondern im Lichte ihrer Wahrheit aufstrahlten! So gab auch jener Eselin im übertragenen Sinn die heilige Krippe nicht Scheingenuß, sondern den Reingenuß natürlicher Speise zu kosten.


43.

Das ist der Herr, das die Krippe, durch welche uns das göttliche Geheimnis kund getan ward, daß die Heiden, die nach Brauch unvernünftiger Tiere an Krippen lebten, mit der Fülle heiliger Nahrung gesättigt werden sollten. Es erkannte die Eselin, das Bild und der Typus der Heiden, die Krippe ihres Herrn. Und darum ruft sie aus: „Der Herr ist mein Hirt, und nichts wird mir mangeln"330. Oder sind es etwa schwache Anzeichen, die ihn als Gott erweisen? Engel dienen331, Weise beten an332, Märtyrer bekennen333. Aus dem Mutterschoße kommt er hervor, doch aus dem Himmel strahlt er; in irdischer Herberge liegt er, doch in himmlischem Lichte glänzt er; eine Vermählte hat ihn geboren, doch eine Jungfrau empfangen; eine Vermählte ihn empfangen, doch eine Jungfrau ihn geboren. Der heilige Matthäus nämlich belehrte uns über dieses nicht geringe Geheimnis, das der heilige Lukas, weil bereits erschöpfend dargelegt, stillschweigend übergehen zu dürfen glaubte; er hielt sich für reich genug bedacht, wenn er von allen Dingen die Krippe des Herrn sein eigen nennen dürfe.


44.

Jenem Kindlein nun, das du in deinem Unglauben für ein gewöhnliches hältst, gingen die Weisen aus dem Morgenlande eine so weite Wegstrecke nach, „fielen nieder und beteten an", nannten es König und bezeugten, indem sie von ihren Schätzen Gold, Weihrauch und Myrrhe darbrachten, seine künftige Auferstehung334. Welches sind nun diese Gaben des wahren Glaubens? Das Gold gilt dem König, der Weihrauch dem Gotte, die Myrrhe dem Toten. Etwas anderes nämlich ist das Abzeichen des Königs, etwas anderes das Opfer der göttlichen Macht, etwas anderes ein ehrendes Begräbnis, das den Leib des Toten nicht der Verwesung anheimgeben, sondern davor bewahren soll. Auch wir, Brüder, wollen, da wir dies hören und lesen, von unseren Schätzen solche Gaben hervorlangen! Denn „wir haben einen Schatz in irdenen Gefäßen"335. Wenn du nun schon an dir, was du bist, nicht nach dir, sondern nach Christus beurteilen mußt, wieviel mehr mußt du an Christus nicht was dein, sondern was Christi ist, beurteilen!


45.

[Forts. ] Die Weisen bringen von ihren Schätzen Gaben dar. Wollt ihr wissen, einer wie schönen Auszeichnung sie gewürdigt wurden? Der Stern ist nur für sie sichtbar, wo Herodes haust, unsichtbar; wo Christus weilt, wird er wiederum sichtbar und weist den Weg. So ist dieser Stern also Weg, der Weg Christus336, weil Christus im Geheimnisse der Menschwerdung der Stern ist; denn „ein Stern wird aufgehen aus Jakob, und ein Mann aufstehen aus Israel"337. So ist denn, wo Christus ist, auch der Stern; denn er ist „der helleuchtende Morgenstern"338. Mit dem eigenen Lichte weist er sonach auf sich.


46.

[Forts. ] Vernimm eine weitere Lehre! Auf einem anderen Wege kamen die Weisen, auf einem anderen kehren sie zurück. Nachdem sie nämlich Christus geschaut, Christus erkannt hatten, traten sie besser fürwahr, als sie gekommen waren, den Rückweg an. Zwei Wege gibt es ja, einen, der zum Verderben führt, einen, der zum Reiche führt339. Jener ist der Sündenweg, der zu Herodes führt, dieser Weg ist Christus, auf dem man ins Vaterhaus zurückgelangt; denn hier ist nur ein vorübergehendes Verweilen, wie geschrieben steht: „Gar lange schon war meine Seele (in der Fremde) weilend"340. So laßt uns denn dem Herodes, dem vorübergehenden Träger weltlicher Macht, aus dem Wege gehen, um zur ewigen Wohnstätte des himmlischen Vaterlandes zu gelangen!


47.

Nicht Auserlesenen allein sind diese Belohnungen vorgesetzt, sondern allen, weil „alles und in allen Christus ist"341. Du siehst nämlich, wie nicht umsonst unter den Chaldäern, die in der Zahlenlehre für besonders bewandert gelten, Abraham „Gott glaubte", oder wie die Magier, ob sie auch mit magischen Künsten die Gottheit sich zu versöhnen strebten, an die Geburt des Herrn auf Erden glaubten. Nicht umsonst, sage ich: es sollte vielmehr von den Feindesvölkern ein Zeugnis für die heilige Religion, ein Beispiel der Gottesfurcht gewonnen werden.


48.

[Forts. ] Doch wer anders sind diese Weisen als, einer geschichtlichen Überlieferung342 zufolge, Abkömmlinge Balaams, von dem geweissagt ward: „Ein Stern wird aufgehen aus Jakob". Sie sind demnach nicht weniger Erben seines Glaubens als seines Blutes. Er schaute den Stern im Geiste, sie schauten ihn mit den Augen und glaubten. Sie hatten einen neuen Stern geschaut, wie er seit der Erschaffung der Welt nicht geschaut war, hatten ein neues Schöpfungswerk geschaut und suchten nicht allein auf Erden, sondern auch im Himmel nach der Gnade des neuen Menschen der Weissagung des Moses gemäß: „Ein Stern wird aufgehen aus Jakob, und ein Mann aufstehen aus Israel". Und sie erkannten, daß dies ein Stern sei, der einen Menschen und Gott zugleich bezeichnet. Sie beteten das Kindlein an. Sie würden es gewiß nicht angebetet haben, hätten sie ein bloßes Kindlein vermutet. Der Magier sieht das Ende seiner Künste nahen, du nun wolltest das Erscheinen der Gnadengaben für dich nicht einsehen? Jener bekennt Unbekanntes, du wolltest Verheißenes nicht erkennen? Jener glaubt zu seinem Nachteil343, du wolltest nicht zu deinem Besten dich für den Glauben entscheiden?


49.

Die Geburt eines Königs kündigen die Weisen an. Herodes erschrickt. Er versammelt die Schriftgelehrten und die Hohenpriester und fragt, wo Christus erscheinen werde. Die Weisen kündigen nun einen König an, Herodes fragt nach Christus. Er legt sonach über den König, nach welchem er fragt, ein Bekenntnis ab. Das Forschen nach dem Orte seiner Geburt beweist ferner seine Vorherverkündigung; denn man würde unmöglich nach ihm geforscht haben, wäre er nicht angekündigt worden. O verblendete Juden! Ihr glaubt nicht an die Ankunft dessen, den ihr mit Augen seht; ihr glaubt nicht an die Ankunft dessen, von dem ihr sagt, er werde kommen. „Verkündet es mir, damit auch ich komme und es anbete!"344 Herodes stellt ihm zwar nach, aber seine Gottheit leugnet er nicht; er hebt ja seine Anbetungswürdigkeit hervor. Ferner befiehlt er die Tötung der Kinder: wem anders aber als Gott gebührte ein solches Schlachtopfer? Noch fehlt dem Kindesalter das Verständnis, und dennoch bekennt es Gott, für den es hingeschlachtet wird. Diese kurzen Angaben aus Matthäus wollten wir deshalb streifen, damit klar ersichtlich werde, daß es den Kindheitstagen (Jesu) durchaus nicht an göttlichen Werken gebrach. War nämlich das physische Alter zum Wirken unfähig, dann war es fürwahr Gott, der mit göttlichen Werken das physische Alter sich betätigen ließ, der auch* die Hirten in jener Gegend wachen machte, daß sie „Nachtwache hielten bei ihrer Herde"*345.


50.

Sehet den Anfang der neu erstehenden Kirche! Christus wird geboren, und die Hirten beginnen zu wachen, um die Herden der Heiden, die vordem wie Tiere lebten, in die Hürde des Herrn zu sammeln, daß sie nicht im dichten Dunkel der Nacht den Überfällen der geistigen Raubtiere346 zum Opfer fielen. Und mit Recht wachen die Hirten, die der „gute Hirte"347 hierzu anleitet. Die Herde bedeutet sonach das Volk, die Nacht die Weltzeit, die Hirten die Priester. Oder vielleicht auch mag jener Hirte gemeint sein, welchem die Mahnung gilt: „Sei wachsam und bestärke!"348 Denn nicht allein die Bischöfe hat der Herr zur Hut seiner Herde bestellt, sondern auch die Engel hat er hierzu bestimmt.


51.

[Forts. ] * „Sieh, ein Engel des Herrn stand vor ihnen"*349.

Beachtet, wie Gottes Fürsorge den Glauben bekräftigt! Ein Engel belehrte Maria, ein Engel den Joseph, ein Engel die Hirten. Eine einmalige Sendung genügte nicht; denn erst „durch zwei und drei Zeugen steht jegliches Wort fest"350.


52.

[Forts. ] * „Und es gesellte sich zum Engel eine Menge der Heerschar der Himmlischen, welche Gott lobten und sprachen: Ehre Gott in der Höhe und auf der Erde Friede den Menschen, die guten Willens sind"351.*

Zutreffend ist der Name „Heerschar der Engel", weil sie ihrem Heerführer (Christus) folgten. Wem nun hätten die Engel lobgesungen als ihrem Herrn? Denn so steht geschrieben: „Lobt den Herrn von den Himmeln her, lobt ihn in den Höhen! Lobt ihn, alle seine Engel!"352 Erfüllt nun hat sich die Weissagung. Von den Himmeln her erschallt Gottes Lob, und auf Erden wird er sichtbar. Von ihm versichert Markus: „Er war zusammen mit den Tieren, und die Engel dienten ihm"353. Im einen erkenne einen charakteristischen Zug seines Erbarmens, im anderen einen Beweis seiner göttlichen Macht! Im Deinigen354 liegt der Grund für seine Herablassung zu den Tieren, im Seinigen der Grund für seine Lobpreisung durch die Engel.


53.

Und sie sprachen:* „Laßt uns das Wort sehen, das da geworden ist, wie der Herr es uns kund getan hat! Und sie kamen eilends"*355.

Du siehst die Hirten eilen; niemand nämlich sucht lässigen Schrittes Christus. Du siehst die Hirten dem Engel glauben. Auch du glaube dem Vater, dem Sohn, dem Heiligen Geiste, den Engeln, den Propheten, den Aposteln! Sieh, wie genau die Schrift die Bedeutung der einzelnen Worte abwog! „Sie eilen", sagt sie, „das Wort zu sehen." Denn sieht man den Leib des Herrn, sieht man das Wort, das der Sohn ist. Nicht für ein geringes Glaubensbeispiel solltest du dies halten, nicht für minderwertig die Person der Hirten: In der Tat, je minderwertiger sie in wissenschaftlicher Hinsicht ist, um so höher steht sie in Sachen des Glaubens. Nicht von Gelehrtenkreisen überfüllte Schulen suchte der Herr auf, sondern das einfache Volk, dem Schmuck und Schminke der Rede, die es hört, fremd ist: um die schlichte Wahrheit handelt es sich da, nicht der Schönrederei bedarf es. Glaube auch nicht die Worte der Hirten als minderwertig verachten zu dürfen! Bei den Hirten hält selbst Maria Glaubenslese; von den Hirten nimmt die Ansammlung des Volkes zur Verehrung Gottes ihren Ausgang; denn „sie wunderten sich über die Dinge, die von den Hirten zu ihnen gesprochen wurden"356.


54.

„Maria aber bewahrte alle diese Worte, in ihrem Herzen sie überdenkend"357. Erkennen wir daraus die Keuschheit, welche die heilige Jungfrau in allem wahrt! Ebenso züchtig dem Munde wie dem Leibe nach, überdachte sie im Herzen den Inhalt des Glaubens. Wenn Maria von den Hirten lernt, warum lehnst du es ab, von den Priestern zu lernen? Wenn Maria, bevor es noch apostolische Verordnungen gab, schweigt, warum willst du nach dem Erlaß apostolischer Verordnungen lieber lehren denn lernen? Wisse, da liegt der Fehler in der Person, nicht im Geschlecht; denn das Geschlecht ist heilig. Ohne eine Verordnung empfangen zu haben, gab denn auch Maria ein vorbildliches Beispiel.

Das Evangelium nach Lukas

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