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2. Marias Heimsuchung, Luk. 1, 39―56

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Elisabeths Empfängnis eine Bekräftigung der Engelsbotschaft an die Jungfrau. Freude und Pietät beflügeln den Fuß der heimsuchenden Maria (19). Letztere hierin Vorbild der Frauen (20), wie in der Eingezogenheit (21) und Demut Vorbild der Jungfrauen (22). Elisabeths Geisteserfüllung im Verhältnis zu der des Täufers, bezw. Marias (23). Die prophetisch-messianische Bezeichnung „Frucht des Leibes“ (24). Die Heimsuchung Marias eine Gnadengabe an Elisabeth (25). Jede begnadete Seele ein lebendiges Magnifikat (27). Wie die Sünde, nahm auch das Heil vom Weib den Anfang (28). Marias dreimonatlicher Aufenthalt bezweckte die Heiligung des Täufers, die Schulung des Gotteskämpfers (29). Die Geburt eines Heiligen ein Gemeingut aller. Johannes über die Schwächen des Kindesalters erhaben (30).


19.

„Maria aber machte sich in jenen Tagen auf und ging eilends ins Gebirge nach einer Stadt von Juda. Und sie trat in das Haus des Zacharias und grüßte Elisabeth"269.

Allen obliegt als moralische Pflicht: Wer Glauben heischt, soll den Glauben begründen. Darum verkündete der Engel, da er verborgene Dinge kundtat, der Jungfrau Maria, um deren Glaubwürdigkeit durch einen analogen Fall zu begründen, daß eine hochbetagte und unfruchtbare Frau empfangen habe; er wollte dartun, wie für Gott alles möglich ist, was ihm gefällt. Sobald nun Maria das vernommen hatte, trat sie nicht aus Unglauben gegen den Ausspruch, nicht aus Mißtrauen gegen die Botschaft, nicht aus Zweifel über den analogen Fall, sondern froh nach Herzenswunsch, fromm aus Dienstgefälligkeit, eilends vor Freude den Weg ins Gebirge an. Wohin anders als zur Höhe hätte sie auch jetzt, des Gottes voll, den eilenden Fuß lenken sollen? Die Gnade des Heiligen Geistes kennt keine langsamen schwerfälligen Schritte.


20.

[Forts. ] Lernet auch ihr, heilige Frauen, zarte Aufmerksamkeit, die ihr Verwandten in gesegneten Umständen erweisen sollt! Maria, die vorher allein in den innersten Gemächern weilte, hält nicht jungfräuliche Züchtigkeit vor der Öffentlichkeit, nicht das rauhe Gebirge vom Eifer, nicht die lange Reise von der Dienstbeflissenheit zurück. An den Liebesdienst denkend, nicht an Unbilde, verläßt sie, dem starken Zug des Herzens, nicht dem (schwachen) Geschlechte folgend, das Haus und zieht ins Gebirge.


21.

[Forts. ] Lernet, Jungfrauen, nicht in fremden Häusern herumziehen, nicht auf den Straßen verweilen, nicht dies und jenes in der Öffentlichkeit plaudern! Bis spät abends zu Hause, nur vorübergehend in der Öffentlichkeit270, so blieb Maria drei Monate bei ihrer Base: zur Dienstleistung erschienen, oblag sie auch nur dem Dienste. Drei Monate blieb sie, nicht wegen der Annehmlichkeit, die ihr das fremde Haus bot, sondern aus Abscheu, sich zu oft in der Öffentlichkeit blicken zu lassen.


22.

Ihr habt, Jungfrauen, von der Züchtigkeit Marias vernommen: vernehmt nun von ihrer Demut! Die Verwandte kommt zur Verwandten, die Jüngere zur Älteren, und sie kam nicht bloß, sondern grüßte auch zuvor. So ist es nämlich in der Ordnung: Je keuscher eine Jungfrau ist, um so demütiger muß sie sein. Sie lerne Älteren zu Diensten sein! Sie sei Lehrerin der Demut! Das bringt der Beruf der Keuschheit mit sich. Dazu kommt noch der Beweggrund der Liebe, dazu kommt auch noch die Vorschrift der Sittenlehre. Es ist nämlich wohl zu beachten: die höherstehende Person kommt zur niedrigeren, um der niedrigeren zu helfen: Maria zu Elisabeth, Christus zu Johannes. So kam denn auch später der Herr zur Taufe271, um die Taufe des Johannes zu heiligen. Schnell auch offenbaren sich die Segnungen der Ankunft Marias und der Gegenwart des Herrn; denn:


23.

„Sobald Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte gleichzeitig das Kind freudig auf in ihrem Schoße, und sie ward erfüllt vom Heiligen Geiste"272.

Beachte die Wahl und Bedeutung der einzelnen Ausdrücke! Die Stimme bekommt Elisabeth zuerst zu hören, die Gnade indes Johannes zuerst zu fühlen. Jene hörte sie kraft der Naturordnung, dieser hüpfte auf kraft des Geheimnisses; jene fühlte Marias, dieser des Herrn Ankunft; die Frau die der Frau, das Kind die des Kindes. Die beiden ersteren sprechen, die beiden letzteren wirken im Innern Gnade. Sie lassen die erste Frucht des Geheimnisses der Liebe ihren Müttern zugute kommen, und die Mütter weissagen durch ein Doppelwunder kraft des Geistes ihrer Kinder. Das Kind hüpfte freudig auf, „und Elisabeth ward erfüllt". Nicht vor dem Kinde ward sie erfüllt, sondern nachdem das Kind vom Heiligen Geiste erfüllt war, erfüllte es auch die Mutter. Freudig hüpfte Johannes auf, freudig auch frohlockte Marias Geist273. Während noch Johannes aufhüpft, wird Elisabeth erfüllt; von Maria jedoch erfahren wir nicht, daß sie vom Geiste erfüllt ward, sondern daß ihr Geist frohlockte ― der Unbegreifliche wirkte unbegreiflich in der Mutter ― Ferner: erstere wird nach der Empfängnis des Kindes, letztere vor dessen Empfängnis erfüllt.


24.

[Forts. ] * „Gebenedeit bist du unter den Weibern, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes! Und woher wird mir dies, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt?"* 274

Es weiß der Heilige Geist, was er gesprochen, und vergißt es nicht, und die Erfüllung einer Weissagung liegt nicht bloß in wunderbaren Ereignissen, sondern auch in eigentümlichen Wortwendungen. Welches ist nun diese „Frucht des Leibes" als jene, von der gesprochen ward: „Sieh, das Erbe des Herrn sind Söhne, der Ertrag der Frucht des Leibes"275, d. i.: Das Erbe des Herrn sind Söhne, diese aber sind der Ertrag jener Frucht, die aus Marias Leib hervorgesproßt ist. Sie ist „die Frucht des Leibes", „die Blume aus der Wurzel", von der Isaias mit Recht weissagte: „Es wird hervorgehen ein Reis aus der Wurzel Jesse und aufblühen eine Blume aus der Wurzel"276. Die Wurzel ist das Geschlecht der Juden, das Reis Maria, die Blume aus Maria Christus: sie treibt, eines guten Baumes Frucht, je nach unserem Tugendfortschritte bald Blüten, bald Früchte in uns, bald verjüngt sie sich in dem zu neuem Leben auferstehenden Leibe.


25.

„Und woher wird mir dies, daß die Mutter des Herrn zu mir kommt?"

Nicht Unwissenheit ist’s, daß sie so spricht ― sie weiß, daß es des Heiligen Geistes Gnade und Wirken ist, daß die Mutter des Propheten von der Mutter des Herrn zum Besten ihres Kindes gegrüßt wird ― sondern im Bewußtsein, daß das nicht menschliches Verdienst, sondern der göttlichen Gnade Geschenk sei, ruft sie also aus: „Woher wird mir dies", d. h. ein wie großes Gut wird mir zuteil, „daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt?" Ich weiß, es kommt nicht von mir: „Woher wird es mir?" Auf welchen rechtlichen Anspruch, auf welche Taten hin, für welche Verdienste? Das gehört nicht zu den üblichen Gefälligkeiten von Frauen, „daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt". Ich merke das Wunder, ich kenne das Geheimnis: die Mutter des Herrn, vom Worte befruchtet, des Gottes voll.


26.

[Forts. ] * „Denn sieh, sobald die Stimme deines Grußes an mein Ohr gelangte, hüpfte das Kind in Freude auf in meinem Schoße. Und selig, die du geglaubt hast!"*277

Du siehst, Maria hat nicht gezweifelt, sondern geglaubt und darum auch die Frucht des Glaubens erzielt. „Selig," heißt es, „die du geglaubt hast!" Selig aber auch ihr, die ihr gehört und geglaubt habt! Denn jede Seele, die glaubt, empfängt und gebiert das Wort Gottes und wird seiner Werke gewahr. In jeder (Seele) sei Marias Seele, daß sie „groß mache den Herrn", in jeder sei der Geist Marias, daß er „frohlocke in Gott!"278 Gibt es auch nur* eine* leibliche Mutter Christi, so ist doch in der Ordnung des Glaubens Christus die Frucht aller. Denn jede Seele empfängt Gottes Wort, wenn sie sonst sonder Makel und Sünde in unversehrter Reinheit die Unschuld wahrt.


27.

Jede Seele in solcher Verfassung ‚macht groß' den Herrn, wie die Seele Marias „den Herrn groß gemacht und in Gott dem Heiland frohlockt hat". Der Herr läßt sich nämlich ‚groß machen'; so heißt es auch an einer anderen Stelle: „Macht mit mir groß den Herrn!"279 Nicht als ob Menschenwort dem Herrn etwas hinzufügen könnte, sondern weil in uns seine Größe kund wird. Das Bild Gottes ist nämlich Christus280, darum macht die Seele mit jedem rechten und frommen Handeln dieses Bild Gottes, dem sie nacherschaffen ist, in seiner Größe offenbar; darum hat sie, während sie dasselbe in seiner Größe offenbart, an dessen Größe teil und wächst an Erhabenheit, so daß sie jenes Bild mit der leuchtenden Farbe der guten Werke und gleichsam durch eifernde Nachahmung seiner Tugendschöne in sich darzustellen scheint. ‚Groß macht' aber die Seele Marias den Herrn und froh jubelt ihr Geist in Gott, weil sie mit Seele und Geist281, dem Vater und dem Sohne hingegeben, frommen Sinnes den einen Gott, aus dem alles ist, und den einen Herrn, durch den alles ist282, verehrt.


28.

[Forts. ] Als Folge ergibt sich für Maria283: Je besser sie persönlich ist, um so größer ist ihre prophetische Erfüllung. Und es scheint nicht umsonst Elisabeth vor Johannes und Maria vor der Geburt des Herrn zu weissagen; denn schon regen sich die Anfänge des menschlichen Heiles. Wie nämlich die Sünde vom Weibe ausging, so nehmen auch die Heilsgüter vom Weibe ihren Anfang: auch Frauen legen weibischem Tun entsagend die Schwachheit ab, und die Seele, die geschlechtslose, eifert wie Maria, die sündelose, frommen Eifers keuschem Wandel nach.


29.

„Es blieb aber Maria drei Monate bei ihr und kehrte dann in ihr Haus zurück"284. Mit Recht hebt der Bericht von der heiligen Maria hervor, wie sie einerseits den Liebesdienst geleistet, andererseits hierbei eine mystische Zahl eingehalten habe. Der Grund ihres Verbleibens285 war ja nicht allein Gefälligkeit, sondern auch die Vervollkommnung des großen Propheten. Wenn nämlich schon mit ihrem ersten Eintreten ein solcher Gnadenfortschritt statthatte, daß auf den Gruß Marias das Kind freudig im Schoße aufhüpfte, die Mutter des Kindes aber vom Heiligen Geiste erfüllt ward, welche weitere Förderung, glauben wir, mußte nicht im Laufe einer so langen Frist die Anwesenheit der heiligen Maria zur Folge haben? „Es blieb aber Maria drei Monate bei ihr." So wurde der Prophet im Mutterschoße gesalbt und zum guten Kämpfer geschult; denn für einen gar gewaltigen Kampf ward seine Kraft gestählt. ― Solange endlich blieb Maria, bis „für Elisabeth* die Zeit sich erfüllte*, daß sie gebären sollte". Bei genauem Zusehen wirst du diese Wendung nirgends außer bei der Geburt von Gerechten gebraucht finden. So denn „erfüllten sich die Tage, daß Maria gebären sollte"286, „erfüllte sich die Zeit, daß Elisabeth gebären sollte"287, erfüllte sich die Lebenszeit, da heilige Männer von diesem Lebenslauf scheiden mußten. Eine Fülle weist nur des Gerechten Leben auf, die Tage der Gottlosen sind leer.


30.

„Es gebar nun Elisabeth einen Sohn, und ihre Nachbarn. . . freuten sich mit ihr"288. Die Geburt von Heiligen bedeutet Freude für die Vielheit. Sie ist nämlich ein Gemeingut; denn die Gerechtigkeit ist eine gemeinnützige Tugend. Darum leuchtet zum voraus über der Wiege des Gerechten (Johannes) ein Anzeichen des künftigen Lebens auf und deutet die Freude der Nachbarn vorbildlich schon auf den späteren Tugendglanz. ― Wohl am Platze aber ist die genaue Angabe der Zeit, wie lange der Prophet im Mutterschoße lag, um Marias Anwesenheit nicht mit Stillschweigen zu übergehen. Dagegen verlautet über die Zeit seiner Kindheit nichts, weil er, den hemmenden Schwächen der Kindheit enthoben, infolge der Anwesenheit der Mutter des Herrn erstarkte. Wir lesen darum im Evangelium außer seiner Geburt und der Weissagung über ihn, seinem freudigen Aufhüpfen im Mutterschoße und der Stimme in der Wüste nichts über ihn; er, der über die Natur, über das (Kindes-) Alter erhaben im Mutterschoße liegend vom vollendeten „Altersmaß der Fülle Christi"289 seinen Anfang nahm, bekam eben vom Kindesalter nichts zu kosten.

Das Evangelium nach Lukas

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