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7. September 2012
ОглавлениеHuntsville, Texas
Die Monate nach ihrem ersten Kontakt mit Robert Tellerond gestalteten sich für Sara anstrengend. Zwar besuchte er sie nicht täglich, doch wenn er kam, war er fordernd und beschäftigte sich die ganze Nacht mit ihr. Es war nicht der Sex, der sie belastete, den empfand sie sogar zu ihrer eigenen Überraschung als angenehm. Aber der regelmäßige Blutverlust zehrte an ihren Kräften und ließ sie zumindest am Tag danach unausgeglichen und ungeduldig werden. Und seine zynischen Tipps, wie sie die Blutregeneration schneller in Gang bringen konnte (jede Menge Fleisch und Orangensaft), waren nicht wirklich hilfreich.
Auch auf ihrer Arbeitsstelle kamen bald Kommentare von ihren Kolleginnen. Diese zielten allerdings in eine andere Richtung.
„Du solltest dir endlich einen Freund zulegen“, schlug Lydia vor. Sie war eine vierzigjährige, leicht korpulente Frau, die Sara schon öfters mit diesem Thema in den Ohren gelegen hatte. „Männer sind zwar manchmal anstrengend, aber der Sex mit ihnen kann durchaus ein Ausgleich zum Beruf sein.“
Sara seufzte.
„Ehrlich, Lydia. Ich habe Sex. Vielleicht nicht so regelmäßig wie du, aber dafür ist er jedes Mal sehr intensiv.“
Lydia platzte fast vor Neugier, das sah man ihr an.
„Wer ist es?“
„Keiner, den ich als festen Freund haben möchte“, wich Sara aus. „Und schau mich nicht so an. Ich verrate dir nicht, wer es ist. Du kennst ihn sowieso nicht und dein Typ ist er eh nicht.“
„Jung? Hübsch? Leidenschaftlich?“
„Ich habe keine Ahnung, wie alt er ist. Gut aussehen tut er und leidenschaftlich ist er auch.“
Lydia seufzte. „Er ist mein Typ! Trotzdem, du solltest ihn öfters treffen.“
Das sollte ich ganz bestimmt nicht, dachte Sara still und lächelte nur verhalten.
Sie überlegte eher, wie sie ein wenig Abstand zu ihrem Nachbarn gewinnen konnte, ohne dass dieser verärgert reagieren würde. Seine ursprüngliche Freundlichkeit hatte er inzwischen komplett abgelegt. Zwar vermied er es nach Möglichkeit, ihr Schmerz zuzufügen, doch er ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass er sie mehr als Besitztum und Nahrungsquelle ansah. Sie war offenbar ein schmackhafter Zeitvertreib, den er nach Belieben in Ekstase oder Furcht versetzte. Und das kostete er weidlich aus. Von dem charmanten Nachbarn war nicht viel übrig geblieben.
Zu ihrer Erleichterung vergrößerten sich die Zeitspannen zwischen seinen Besuchen. Um so überraschter war sie, als sie eines Nachmittags nach Hause kam und ihn in ihrem Wohnzimmer sitzend vorfand. Es war ungewöhnlich früh für seine Verhältnisse, aber ihn schien die Sonne, die durch das Fenster fiel, tatsächlich nicht zu stören. Obwohl sie diesen Vampir jetzt schon über ein halbes Jahr kannte, wusste sie so gut wie nichts von ihm. Er vertrug offensichtlich Sonnenlicht und sie hatte ihn nie etwas anderes zu sich nehmen sehen als Blut und diverse Getränke. Er war außergewöhnlich stark und schnell, ein Spiegelbild besaß er, Knoblauch störte ihn nicht (sie hatte sich eine Zeitlang täglich mehrere Knollen reingezogen, zum Entsetzen ihrer Kolleginnen und zur Erheiterung des Vampirs), und er konnte sie vergessen lassen, dass sie gebissen wurde. Die Bissspuren waren über Nacht verschwunden, er liebte klassische Musik, und er zwang ihr seinen Willen mit seinem Blick und seiner Stimme auf. Letzteres machte ihr am meisten Angst. Aber die wichtigen Dinge, wie man zum Beispiel Vampire töten konnte, und was sie sonst noch für Fähigkeiten hatten, wie viele es von ihnen gab, wie alt sie wurden, ob sie wirklich unsterblich waren, ob und wie sie sich fortpflanzten ... das wusste sie nicht. Gerade der letzte Punkt, die Fortpflanzung, verursachte ihr Sorgen. Immerhin hatte sie regelmäßig ungeschützten Sex mit ihm. Nie hätte sie sich getraut, ihn zu bitten ein Kondom zu benutzen, daher hatte sie sich heimlich die Antibabypille besorgt. Zu ihrem Entsetzen hatte er es sofort geschmeckt. Bereits ein kurzer Schluck von ihrem Blut ließ ihn zurückfahren.
„Das Zeug schmeißt du sofort in den Müll“, knurrte er. „Das schmeckt absolut widerlich.“
„Äh, ich will aber kein Kind ...“
„Sofort!“
Also hatte sie die Pillen gehorsam vor seinen Augen entsorgt, damit sie wieder gut schmeckte. Leider klärte er sie bezüglich passenderer Verhütungsmittel nicht auf. Bei ihrer vorsichtigen Frage hatte er nur spöttisch gegrinst und sie dann aufs Bett geworfen. Sie fragte ihn nie wieder.
Jetzt sah sie irritiert auf die cremefarbene Couch, die sich in den letzten Monaten einige unschöne bräunliche Flecken eingefangen hatte (die nächsten Sitzmöbel würden Rot sein, das hatte sie sich geschworen) und war sich nicht sicher, ob dieser frühe Besuch positiv oder negativ zu bewerten war.
Robert Tellerond winkte sie zu sich und sie ließ sich gehorsam auf seinem Schoß nieder. Zu ihrer Überraschung zog er sie nicht gleich aus, sondern strich ihr sanft mit dem Finger über die Wange.
„Ich werde demnächst umziehen, süße Sara.“
„Oh.“
Sie starrte ihn überrumpelt an. Das war definitiv das Letzte, womit sie gerechnet hatte. Gespannt wartete sie ab. Sein Blick ruhte nachdenklich auf ihr.
„Für eine Weile werde ich nicht erreichbar sein und sicherlich nicht mehr in dieses Haus zurückkehren.“
Er küsste ihre Hand und zog sie enger an sich. Sara ertrug den Schmerz, als seine Zähne sich in ihren Hals bohrten, klaglos. Bereits nach zwei Schlucken ließ er sie wieder los. Auch das war ungewöhnlich.
„Du wirst ebenfalls ausziehen.“
Erneut war sie überrascht, doch sie schwieg. Er lächelte.
„Keine Fragen? Kein empörter Aufschrei?“
Sie zog die Schultern hoch.
„Bisher haben Sie noch nie meine Fragen beantwortet, und meine Meinung hat Sie auch noch nie interessiert.“
Jetzt lachte er laut auf.
„Das stimmt allerdings. Umso besser. Also, ich habe nicht weit von dieser Stadt ein kleines Haus für dich aufgestöbert. Dort kannst du dich in Ruhe ausbreiten.“
„Warum kann ich nicht hierbleiben?“, fragte sie jetzt doch. Der Gedanke auszuziehen gefiel ihr nicht. Sie fühlte sich in ihrer Wohnung sehr wohl. Und diese lag angenehm nahe am Kindergarten.
Jetzt wurden seine Hände doch aktiv und er zog ihr die Bluse aus. In der nächsten Stunde kam Sara nicht mehr dazu, weitere Fragen zu stellen. Später lag sie atemlos neben ihm und überlegte, welche Möglichkeiten sie hatte, um ihn umzustimmen. Doch seine nächsten Sätze ließen jegliche Hoffnung zerplatzen. Robert Tellerond wusste sehr genau, was er von ihr erwartete und sein Tonfall ließ keinen Widerspruch zu.
„Anfang nächster Woche kommt der Umzugswagen. Du wirst feststellen, dass auf deinem Konto genügend Geld ist, um dich in dem Haus einzurichten.“
Er küsste sie erneut und strich ihr über den Nacken. Diese Bissspuren waren nie verschwunden. Sie hatten einen ganzen Tag gebraucht, um zu verheilen. Zurück waren zwei weiße Male geblieben.
„Meine Bedingungen bleiben natürlich bestehen“, raunte er ihr ins Ohr. „Verlierst du nur ein Wort über mich, werde ich da sein und dich töten. Glaube mir, Entfernung spielt keine Rolle.“
Sara durchlief ein leichtes Zittern. Der Vampir lachte leise.
„Du hast Angst, das ist gut, süße Sara. Das wird dich am Leben halten. Keine Sorge, ich werde dich ab und zu besuchen.“
Saras Begeisterung hielt sich offensichtlich in Grenzen, was ihn wieder zum Lachen brachte.
„Süße Sara, keine bange, ich werde dich weitgehend in Ruhe lassen. Aber ich muss zugeben, dass du ein sehr amüsanter Zeitvertreib bist. Dein Durchhaltevermögen ist wirklich erstaunlich. - Du hast gefragt, warum. Hmm, sagen wir mal so: Ich bin solche Wohnblöcke leid geworden. Und wenn ich dich besuche, mag ich es lieber ungestört.“
Sara stieß einen leisen Schrei aus, als er wieder in sie eindrang.
„Siehst du“, lächelte er. „In deinem neuen Domizil brauchst du dich nicht mehr zu zügeln. Da kannst du so laut schreien, wie du willst. Niemand wird es hören.“
Irgendwie klang das in Saras Ohren wie eine Drohung.
Ihr neues Haus lag nur wenige Meilen von Huntsville entfernt, direkt am Waldrand. Sara war sofort verliebt, als sie es sah.
Es war mit seinen neunzig Quadratmetern Grundfläche relativ klein und besaß weder Keller noch Dachgeschoss. Doch für Saras Bedürfnisse reichte es völlig aus. Durch die Haustür trat man direkt in das geräumige Wohnzimmer. Von dort führten drei Türen in ein kleineres Schlafzimmer, eine angenehm große Küche und ein überraschend modernes Badezimmer mit Badewanne und Dusche. Das Schönste aber war ein kleiner Garten rund ums Haus. Hinter dem Haus, zum Wald hin, lagen eine kleine Garage und ein großer Stellplatz. Beides erreichte man über einen schmalen Feldweg, der um das Haus führte. Und das Angenehme war, dass keine Nachbarn in der Nähe waren. Das nächste Wohnhaus, eine alte Ranch, lag einige hundert Meter entfernt und die Bewohner, ein älteres Ehepaar, schienen freundlich und hilfsbereit zu sein.
Sara wusste sofort, dass Robert Tellerond ihr Traumhaus gefunden hatte, - und das war ihr unheimlich. Aber da er in den letzten Monaten ihr komplettes Leben umgekrempelt hatte und sie gewissenlos als Nahrungsquelle nutzte, war sie bereit, sein Geschenk zu akzeptieren. Genauso wie das Geld, das wie versprochen auf ihrem Konto lag. Der Betrag hatte ihr zunächst die Sprache verschlagen. Für so viel Geld hätte sie etliche Jahre arbeiten müssen.
Noch eine Frage, die sich ihr unwillkürlich aufdrängte. Wovon lebte dieser Vampir? Wie kam er an Geld? Dass er einem gewöhnlichen Beruf nachging, war für sie unvorstellbar.
Das Erste was sie sich zulegte, war eine burgunderrote Sitzgarnitur sowie entsprechende Bettwäsche. Nach langem Überlegen gestattete sie sich einen großen cremefarbenen (waschbaren) Zottelteppich, der zwischen der Garnitur und dem Eingangsbereich zu liegen kam. Die Küche war wie das Badezimmer modern genug, so dass sie lediglich den Kühlschrank austauschte, der unangenehm muffig roch. Dazu kam ein kleiner Esstisch mit vier Stühlen drumherum.
Da sich der Weg zu ihrer Arbeitsstelle deutlich verlängert hatte, stellte sich für sie die Frage, ob sie sich ein Auto anschaffen musste. Sie hatte noch nie eines besessen, und bisher alles zu Fuß oder mit ihrem Fahrrad erledigt. Nach langem Abwägen entschied sie sich für einen alten Ford F. Zumindest im Winter würde sie ihn gebrauchen können, oder bei größeren Einkäufen. Sie war aber fest entschlossen, weiterhin so oft wie möglich mit dem Fahrrad zu fahren.
Alles in allem kratzten diese Ausgaben nicht einmal annähernd an dem Geld von Robert Tellerond und Sara überlegte, ob sie es nicht besser anlegen sollte. Da sie aber keine Ahnung von Aktien hatte, schob sie die Entscheidung erst einmal zur Seite. Lieber kümmerte sie sich um den Garten und vertiefte sich in die neueste Literatur über Gemüse- und Kräuteranbau. Die städtische Bibliothek bot da eine Menge Auswahl.
Er besuchte sie nur wenige Wochen nach ihrem Umzug und war höchst amüsiert über die Farbe der Couch und der Bettwäsche.
„Sehr praktisch“, lächelte er und unterzog die Neuanschaffungen dem ersten Härtetest. Beide bestanden ihn mit Bravour, stellte Sara nach seinem Verschwinden fest. Die Reinigung war problemlos und es waren keine verunzierenden braunen Blutflecke zu sehen. Sara war zufrieden. Burgunderrot war zwar nicht ihre Lieblingsfarbe, ersparte ihr aber vermutlich eine Menge Arbeit.
Wie angesagt, sah sie den Vampir nicht mehr so oft wie am Anfang, doch alle paar Wochen schneite er unangekündigt in ihr Leben und brachte sie jedes Mal an die Grenze der Regenerationsfähigkeit. Einerseits war sie froh darüber, aber - es war ihr selbst peinlich - den Sex mit ihm vermisste sie.
Doch dieses Problem löste sich auf unvorhersehbare Weise einige Monate später.