Читать книгу Fellträger - Ana Marna - Страница 14

8. Samstag, 18. Mai 2013

Оглавление

Nähe Huntsville, Texas

Sara schreckte aus dem Halbschlaf hoch. Irritiert sah sie sich um.

Sie lag auf der Couch, gekleidet in ihren Bademantel, und war während des Lesens eingeschlafen. Seufzend betrachtete sie ihr Buch, das vom Sofa auf den Boden geglitten war. Offensichtlich waren die neuesten Erziehungsmethoden bei hyperaktiven Kindern doch nicht so spannend.

Sie horchte auf und lauschte. Erneut vernahm sie den Grund für ihr Hochschrecken.

Schüsse!

In der Nähe wurde eindeutig geschossen.

Unruhig erhob sie sich.

Ihres Wissens nach war die Jagdsaison noch nicht eröffnet. Und in diesem Teil des Waldes war Schießen sowieso nicht erlaubt. Schließlich standen hier Häuser.

Wieder zuckte sie zusammen.

An ihrer Haustür kratzte etwas.

Leise trat sie näher und lauschte. Ein Winseln drang an ihr Ohr.

Sara schluckte. Ob das ein Jagdhund war? Oder ein verwilderter Hund? Doch so einer würde wohl kaum an einer Tür kratzen.

Das Winseln und Scharren wurde drängender.

Sie atmete tief durch und öffnete vorsichtig die Haustür.

Kaum war die Tür einen Spalt auf, da drängte sich mit Wucht ein großer dunkler Körper ins Zimmer.

Sara wurde zurückgeschleudert und stieß einen erschrockenen Schrei aus. Fassungslos starrte sie auf das riesige Tier, das mitten in ihrem Wohnzimmer stand.

Dies war eindeutig ein Wolf, das sah sie sofort. Doch dieses Exemplar war deutlich größer als die Wölfe, die Sara aus dem Zoo kannte.

Sie spürte, wie ihr der Schweiß ausbrach.

Um Himmelswillen, was wollte ein Riesenwolf in ihrem Haus?

Jetzt erst sah sie die Blutlache, die sich unter dem Tier auf ihrem neuen cremefarbenen Teppich ausbreitete. Ihr Blick wanderte an dem Tier entlang. Es stand seitwärts zu ihr gerichtet, mit zotteligem grauschwarzem Fell, in welchem deutlich mehrere große Einschusslöcher zu sehen waren.

Das Tier zitterte am ganzen Körper und sah sie unverwandt aus seltsam grünirisierenden Augen an.

Sara atmete einmal tief durch.

Sie hatte von Wölfen, Hunden und anderem Getier nur wenig Ahnung, aber dass sich dieser Wolf nicht normal verhielt, das war ihr sofort klar. Und die grünen Augen irritierten sie. Sie kamen eindeutig in ihren Träumen vor.

Eine Ahnung kroch langsam in ihr hoch.

„Ach du große Scheiße“, murmelte sie. Dann schloss sie die Haustür und starrte den Wolf an.

„Geh bloß von meinem Teppich runter“, verlangte sie und versuchte dabei, drohend zu klingen. Ihr selbst kam es zwar wie ein erbärmliches Piepsen vor, aber das Tier reagierte und verließ seinen Standort.

Langsam trottete es auf das Schlafzimmer zu.

Sara wartete nicht lange, sondern lief hinterher und schloss die Zimmertür.

Dann rollte sie vorsichtig den Teppich zusammen und trug ihn ins Badezimmer. Sie legte das gute Stück in die Badewanne zum Einweichen, dann ergriff sie den Putzeimer und wischte die restlichen Blutspuren im Wohnzimmer auf.

Von draußen drang immer lauter werdendes Gebell zu ihr herein.

Diesmal war sie sich sicher, dass es sich um Jagdhunde handelte, und die Beute, der sie auf der Spur waren, hatte sich anscheinend gerade in ihrem Schlafzimmer verkrochen.

Hastig räumte sie den Putzeimer weg und schaltete den Fernseher an.

Da schellte es auch schon an der Tür.

Sara ging wieder hin und öffnete mit einem etwas flauen Gefühl.

Vor ihr standen drei bis an die Zähne bewaffneten Männer. Einer hielt zwei wild kläffende große Hunde an der straffen Leine.

Mit fragenden Augen blickte sie die Männer an.

„Kann ich …. kann ich ihnen helfen?“

Der Vorderste der Männer nickte grimmig.

„Hier läuft irgendwo ein Wolf herum. Ein Riesenvieh. Den Hunden nach befindet sich dieses Monster hier bei Ihnen!“

„Ein Wolf?“ Sara kicherte etwas hysterisch. „Sowas gibt es hier doch gar nicht.“

„Nein, normalerweise nicht“, knurrte der Mann. „Und ich möchte auch dafür sorgen, dass das so bleibt. Dieses Biest hat bereits drei von meinen Schafen gerissen und – bei Gott – das von heute war sein Letztes. Das schwör ich!“

Sara schluckte und starrte auf das riesige Gewehr, welches er in den Händen hielt. Diese Waffe war mit Sicherheit kein normales Jagdgewehr, sondern ein deutlich größeres Kaliber.

„Äh, aber die Wölfe sind doch geschützt, oder?“, wagte sie einzuwenden. Statt eine Antwort zu geben, drängte sich der Mann rabiat an ihr vorbei.

„Wo ist das Vieh?“, blaffte er.

„He“, rief Sara empört. „Was soll das? Glauben Sie allen Ernstes, hier in meinem Wohnzimmer steckt ein Wolf?“

„Keine Ahnung“, fauchte der Mann. „Aber den Hunden nach zu urteilen, ist er hier!“

„Das ist ja lächerlich. – He, wagen Sie es ja nicht, die Hunde hier reinzulassen!“

Sara funkelte den Hundehalter drohend an. Der zweite Mann drängte ebenfalls herein.

„Das ist Hausfriedensbruch!“

Sara wurde jetzt ehrlich wütend.

„Sieh mal in dem Raum da nach“, befahl der Anführer ungerührt und ging Richtung Küche.

Sara war fassungslos. Dass diese Männer so hemmungslos in ihr Haus eindrangen, war schon ein starkes Stück. Sie waren offenbar ziemlich auf Adrenalin. Wenn sie den Wolf sahen, würde es Mord- und Totschlag geben. Wobei sie nicht sicher war, welche Partei die besseren Karten hatte. Ihr Überraschungsgast war sehr groß!

Aber sie sah keine Möglichkeit, dies zu verhindern, ohne sich selbst in Gefahr zu begeben. Diese Jäger sahen zu allem entschlossen aus.

Der zweite Mann öffnete die Schlafzimmertür und trat hinein.

Dann stutzte er.

Sara sah wie er halb im Raum stand und sichtlich erschrocken war. Schließlich meinte er in einem entschuldigendem Tonfall:

„Bitte vielmals um Entschuldigung. Das … äh … war nur ein Missverständnis. Entschuldigen Sie.“

Hastig drehte er sich um und verließ den Schlafraum. Er schloss die Tür und grinste Sara verlegen an. Sein Freund kam aus der Küche und sah ihn fragend an, aber der schüttelte nur den Kopf.

„Ne, kein Wolf. Komm, lass uns verschwinden.“

Der Anführer knurrte nur etwas Unverständliches und stapfte wütend hinter ihm hinaus.

Sara sah ihnen irritiert hinterher. Als die Haustür krachend ins Schloss fiel, zuckte sie zusammen. Dann schielte sie zum Schlafzimmer und überlegte, wie sie sich gerade fühlte.

Es war wohl eine Mischung aus Erleichterung und Besorgnis.

Was hatte der Mann im Schlafraum gesehen?

Kurz schloss sie die Augen, murmelte ein leises Stoßgebet und öffnete die Tür zum Schlafzimmer.

Der Boden war zu ihrer Überraschung mit einigen ihrer Kleidungsstücke bedeckt. Dann fiel ihr Blick auf’s Bett und sie erstarrte.

Unter ihrer Bettdecke lag eindeutig kein Wolf, sondern ein Mann.

Er war etwas blass und unter den wirren schwarzen Haaren blitzten ihr bekannte grün-irisierende Augen entgegen. Keineswegs drohend, aber wachsam und angespannt.

„Au Mann“, stieß Sara hervor und spürte, wie sich ihre Beine mit Pudding füllten. Sie hatte das dumpfe Gefühl, dass da erneut eine ungewöhnliche Begegnung auf sie zukam. War das normal?

Dann gab sie sich innerlich einen Ruck. Viel schlimmer als die Begegnung mit Robert konnte es ja nicht werden – hoffte sie jedenfalls.

Sie trat näher und räusperte sich.

„Also, äh – es ist ja nett, wenn Sie sich in meinem Bett wohl fühlen, aber eine Erklärung hätte ich schon ganz gerne.“

Der Mann verzog sein Gesicht zu einem Grinsen, das Sara – wölfisch? – vorkam.

„Nun.“ Seine Stimme klang dunkel, aber durchaus angenehm. „Erstmal danke und dann brauche ich erneut Ihre Hilfe.“

„Ach.“

Mehr fiel Sara zunächst nicht ein.

Zur Erklärung schlug der Mann die Bettdecke zurück.

Sara schnappte nach Luft, und zwar nicht wegen seiner Nacktheit. Unter der Decke war alles in dunkles Blutrot getaucht. Riesige Einschusslöcher klafften im Bauch und in der rechten Schulter.

Saras Beine wurden erneut weich.

„Um Himmels Willen“, hauchte sie. Dann hastete sie zum Kleiderschrank und riss ihre Handtücher hervor. Damit beugte sie sich über den Mann und versuchte mit den Tüchern die Blutungen abzubinden.

„Sie brauchen dringend einen Arzt!“

„Nein!“ Die Aussage war knapp und eindeutig. „Kein Arzt, keine Polizei. – Niemand braucht das zu sehen!“

„Aber Sie werden verbluten“, protestierte Sara. Der Mann ergriff ihr Handgelenk mit Nachdruck.

„Nein! Das werde ich nicht. Das Einzige was ich benötige, ist etwas zu essen.“

Spätestens jetzt klingelten in Sara alle Warnglocken. Sie starrte ihn an.

„Äh … also … ich hab da noch eine Pizza …“

Er grinste jetzt wieder und schüttelte den Kopf.

„Nein, das bringt mir nicht viel. Ich brauche Fleisch. Proteine, und zwar jede Menge.“

Sara schaffte es nicht, seinem Blick auszuweichen. Schaudernd erkannte sie eine gewisse Ähnlichkeit zu Roberts Blick. Er war wild, gierig und hungrig.

„Fleisch“, murmelte sie. „Wer hätte das gedacht? Und in welchem Zustand? Gekocht, gebraten oder eher blutig?“

Das Grinsen wurde breiter.

„Nur keine Umstände. Am schnellsten geht es ohne Zubereitung.“

Sara wurde etwas blasser um die Nase.

„Also, da kann ich aber nicht viel bieten“, murmelte sie. „Ich hab da ein paar Koteletts im Kühlschrank. Reicht das?“

Jetzt lachte er sogar.

„Für den Anfang ja.“

Sie starrte auf seine Wunden. Tat ihm nichts weh? Das war kaum vorstellbar.

Der Mann fasste ihr Kinn und zwang sie, ihm wieder in die Augen zu sehen.

„Es tut weh“, sagte er leise. „Aber je schneller Sie mir Fleisch bringen, desto eher wird es mir besser gehen.“

Sara atmete tief durch und ging zur Küche. Hastig holte sie die Koteletts aus dem Kühlschrank und legte sie auf eine Platte. Kurz überlegte sie, ob Besteck nötig war, aber dann erschien es ihr überflüssig.

Als sie mit dem Fleisch den Raum betrat, richtete der Mann sich auf und fixierte die Fleischstücke mit gierigem Blick.

Sara stellte ihm die Platte auf den Beistelltisch.

„Ähm ... ich werde dann mal losfahren und mehr besorgen. Der nächste offene Laden ist eine Viertelstunde entfernt. Wie viel brauchen Sie?

„Zehn Kilogramm sollten erstmal reichen.“

Sie verbarg ihr Erschrecken und stand auf. Sein Blick hielt sie fest.

„Keine Polizei, kein Arzt, niemanden“, sagte er mit leiser Stimme. Doch sein Blick war alles andere als sanft.

Sara nickte. Diesen Ausdruck kannte sie. Sie hatte gelernt, dass man ihn besser ernst nahm.

Als sie etwa eine Dreiviertelstunde später wiederkam, betrat sie gleich die Küche und wuchtete das riesige Fleischpaket auf den Küchentisch.

Ein leises Geräusch hinter ihr ließ sie herumfahren.

Er stand direkt vor ihr: groß und einschüchternd.

Erschaudernd nahm sie wahr, dass die Wunden aufgehört hatten zu bluten. Inzwischen hatte er sich gereinigt und die Einschusslöcher sahen nicht mehr so riesig aus wie vorher.

Sein Blick ruhte voller Begierde auf den Fleischbrocken.

Sara schob sich langsam zur Seite.

„Ich ... äh … geh dann mal besser“, murmelte sie und floh aus der Küche.

Dann betrat sie das Schlafzimmer. Zumindest ihre größten Befürchtungen bestätigten sich nicht. Dieser seltsame Wolfmann hatte zu ihrer Erleichterung das Schlafzimmer gesäubert, so weit es ihm möglich war.

Seufzend betrachtete sie die durchgeblutete Matratze. Die war hinüber, das war klar.

Sie stemmte die Matte aus dem Bett und schleifte sie in die Ecke. Dann kramte sie nach verschiedenen Plastiktüten, um das ruinierte Stück zu verpacken.

Anschließend polsterte sie ihr Bett mit allen Decken und Kissen aus, die sie finden konnte.

Ein Räuspern ließ sie herumfahren.

Der Mann stand so dicht vor ihr, dass sie mit der Nase quasi an sein Kinn stieß. Nur nebenbei registrierte sie die ungewöhnlich dichte Körperbehaarung.

Mehr nahm sie die Tatsache gefangen, dass die Wunden an diesem muskulösen Körper bereits verschorften.

Eine eigentümlich animalische Ausstrahlung ging von ihm aus, die sie nicht nur erschauern ließ, sondern auch ein bisschen in Erregung versetzte. Sein Blick flackerte immer noch wild und gierig, aber diesmal auf eine andere Art und Weise - und weckte eine tief vergrabene Erinnerung in ihr.

Hastig trat sie einen Schritt zurück, was nur zur Folge hatte, dass er sich nachschob, bis sie mit den Kniekehlen gegen die Bettkante stieß.

Abwehrend stemmte sie ihre Hände gegen seine Brust.

„Bitte …“, stammelte sie. „Das geht mir ein bisschen zu schnell. Müssen Sie nicht erstmal ein Verdauungsschläfchen halten?“

Er wirkte belustigt – aber immer noch gierig.

„Das hatte ich vor“, antwortete er. Seine Stimme klang fast grollend, aber nicht unbedingt bedrohlich.

Sanft aber bestimmt umfasste er ihre Arme und zog sie eng an seinen Körper.

Seine harte Männlichkeit zwischen ihren Leibern ließ keinen Zweifel daran, was er unter Verdauungsschläfchen verstand.

„Du riechst gut“, grollte er ihr leise ins Ohr. „Unwiderstehlich gut.“

Sara entfuhr ein Keuchen. Wieder schwappte ein Erinnerungsfetzen in ihr hoch.

„Ich … ich schmecke aber bestimmt nicht. Ich mein – ich trag bestimmt eine Menge giftige Chemikalien in mir herum. – Ich …“

Aus dem Grollen wurde so etwas ähnliches wie Kichern, dabei drückte er sie aufs Bett und lag wie ein Stein auf ihr.

Sara war wie betäubt von seiner Nähe, seinem Geruch. Dieser war intensiver geworden und ließ sie erschauern. Er roch - vertraut.

Der Mann vergrub sein Gesicht an ihrem Hals und sog hörbar ihren Duft in sich auf.

Sara war sich sicher, dass er ihre Angst roch, aber das war ihr momentan egal. Seine Hände rissen ihr die Kleidung vom Körper, als wäre sie aus Papier.

Wieder entglitt ihr ein Keuchen, als er in sie eindrang.

Wild und ungestüm nahm er sie, aber erstaunlicherweise tat er ihr nicht weh.

Seine Leidenschaft überrollte sie wie ein Panzer. Sie verlor jedes Zeitgefühl, aber sie nahm trotzdem wahr, dass ihr „Partner“ alles andere als normal war.

Seine Gesichtszüge, sein Körper, alles schien sich zu verändern, vor allem, wenn er zum Höhepunkt kam.

Irgendwann lagen sie erschöpft nebeneinander.

Sara hatte die Augen geschlossen und versuchte ihre Gedanken zu sortieren.

Klar war, dass dieser Mann nicht normal war. Die Kombination Wolf und Mensch ließ ihres Wissens nur einen Schluss zu: Werwolf.

Hatte der Vampirjäger diese Kreaturen nicht auch erwähnt? Was wusste sie von Werwölfen? Im Grunde nur Legenden. Und wenn der Wahrheitsgehalt von diesen Geschichten genauso dürftig war, wie der über Vampire, dann durfte sie davon ausgehen, dass sie gar nichts wusste. Außer dass sie rohes Fleisch vertilgten und ihre Wunden schnell verheilten.

Sie schlug die Augen auf und sah in grüne nachdenkliche Pupillen.

„Ich dachte, so was passiert nur bei Vollmond“, murmelte sie.

Er zog seine buschigen Augenbrauen hoch.

„Ach, und was denkst du noch?“

„Keine Ahnung.“

Sie berührte zögernd seine Brust.

„Heilen Wunden bei dir immer so schnell? Oder hängt das mit dem Fleisch zusammen?“

Er blieb ihr diese Antwort schuldig, meinte aber: „Das mit dem Vollmond ist Blödsinn.“

„Ja, das hab ich wohl begriffen.“

„Es tut mir leid.“ Er zögerte kurz. „Ich hätte nicht hier hereinkommen dürfen. – Nicht auf diese Art. – Es war nur – es passte gerade – ich meine …“

„Schon klar“, murmelte sie. „Mit den Typen im Nacken wäre ich, glaub ich, auch überall reingerannt.“

Siedendheiß wurde ihr bewusst, was sein Stocken vermutlich bedeutete. Dieser Kodex von dem Robert immer gesprochen hatte, traf wahrscheinlich auf alle anderen Kreaturen ebenso zu.

Angst kroch wieder in ihr hoch.

In diesem Moment klingelte es an der Haustür.

Entschlossen richtete sie sich auf und griff nach ihrem Bademantel.

Als seine Hand auf ihre Schulter sank, schob sie diese vorsichtig aber entschieden hinunter und sah ihm fest in die Augen.

„Keine Sorge. Wenn das wieder diese Typen sind, kommen sie diesmal nicht an mir vorbei.“

Sie ignorierte sein belustigtes Schnaufen und schnappte sich auf dem Weg zur Tür einen Feuerhaken.

Dann erst öffnete sie.

Entgeistert starrte sie auf den jungen Mann, der vor ihr stand.

Er war groß, schlank, mit einer blonden Wuschelfrisur und lächelte sie entwaffnend an.

Als sie in seine Augen sah, schnappte sie hörbar nach Luft.

Sie waren grün-irisierend und beängstigend vertraut.

„Hallo“, meinte er mit einer angenehmen Baritonstimme. „Ich hab hier die Spur eines Freundes verloren. Vielleicht können Sie mir weiterhelfen?“

Sara umklammerte den Schürhaken und war vor Schreck sprachlos.

„Hach“, krächzte sie nur. Nach einer Pause räusperte sie sich und fragte: „Wie sieht Ihr Freund denn aus?“

Sein Blick ruhte nachdenklich auf der Eisenstange in ihren Händen.

„Nun“, meinte er langsam. „Er ist groß, dunkelhaarig und etwas ungestüm. – Außerdem, hmm, vielleicht haben sie auch seinen Hund gesehen. Der ist ziemlich groß und eher schwarz, mit ähnlichem Temperament.“

„Oh“, meinte sie. „Ja, den hab ich kennengelernt. Der war hier. Die Jäger haben ihn erwischt. Der hat meinen Teppich völlig versaut.“

Seine Augen wurden so plötzlich dunkel und drohend, dass sie unwillkürlich zurückwich und die Stange hob. Er sprang auf sie zu und seine Wucht hätte sie quer durch den Raum geschleudert, – aber er packte sie am Kragen und hob sie hoch.

„Wo ist er? Was ist mit ihm?“

Die Frage war ein lautes Knurren.

Sara schnappte nach Luft, unfähig sich zu rühren.

„Woher soll ich wissen, dass Sie wirklich sein Freund sind?“, keuchte sie zurück.

Er ließ sie so plötzlich los, dass sie fast zu Boden gesackt wäre.

Ohne Mühe nahm er ihr den Feuerhaken aus der Hand und ließ ihn einfach fallen.

„Er ist mein Freund.“ Sein Tonfall ließ keinen weiteren Zweifel zu. „Also, wo ist er?“

Sara rieb sich die schmerzenden Arme.

„Oh, ich denke, es geht ihm prima. Er hat sein Schappi bekommen, sein – äh – Verdauungsschläfchen gemacht und ist wahrscheinlich ganz der Alte, – soweit ich das mit meinem nichtvorhandenen Kennerblick beurteilen kann.“

Er betrachtete sie argwöhnisch, aber bevor er sie wieder etwas fragen konnte, ertönte vom Schlafzimmer ein Räuspern.

„Hallo Simon. Was machst du denn hier? Nachts, so allein im Wald.“

Simon starrte ihn an.

„Du verdammter Idiot“, knurrte er so wild, dass Sara zurücksprang. Ihr Blick wanderte zwischen den beiden Männern hin und her. Dann meinte sie laut und deutlich:

„Scheiße, auch noch zwei von der Sorte.“

Damit drehte sie sich um und ließ sich aufs Sofa plumpsen.

Sie spürte mehr, als dass es zu hören war, wie der Dunkelhaarige sich näherte und hinter ihr aufbaute.

Der Mann namens Simon verschränkte die Arme.

„Max“, knurrte er. „Was ist hier los?“

Der Angesprochene beugte sich zu Sara herunter und legte seine Hände sanft auf ihre Schultern.

„Na ja, ich schätze, ich habe Mist gebaut“, brummte er und vergrub sein Gesicht in Saras Haaren.

„Und wie …“

Max riss den Kopf hoch und funkelte ihn frustriert an.

„Mann, es ging so schnell. Die Kerle haben mir aufgelauert und mir ein paar Elefantenkaliber ins Fell geschossen. Das war verdammt knapp.“

„Wie knapp?“

Max schwieg und vergrub wieder sein Gesicht in den blonden Locken.

Simon stieß grollend den Atem aus und betrachtete die Frau vor ihm.

Sie war ausgesprochen hübsch. Seine Nase verriet ihm ihre Anspannung und ihre Angst.

Irritiert horchte er in sich hinein. Sie fürchtete sich – zweifellos – aber überraschend wenig.

Dafür, dass ihr offenbar bewusst war, wer oder besser, was vor ihr stand, wirkte sie erstaunlich gefasst.

Außerdem war da noch etwas anderes. Irgendetwas an ihr roch seltsam. Es war schwach, aber wahrnehmbar. Aber vor allem duftete sie umwerfend gut.

Er hockte sich vor ihr nieder, und sie erwiderte gefasst seinen Blick.

„Wissen Sie, wir haben da jetzt ein kleines Problem.“

„Ach“, Sara schluckte. „Lassen Sie mich raten. Da gibt’s wahrscheinlich so eine Art Gesetz. Nach dem Motto – keiner soll’s wissen.“

„So ist es“, nickte Simon und überlegte, wie erstaunt er jetzt sein müsste.

„Scheiße, Simon.“ Maxs Stimme klang ärgerlich. „Sie hat mir den Pelz gerettet.“

„Zweifellos“, bestätigte Simon trocken und ließ Saras Mienenspiel nicht aus den Augen.

Diese fragte sich, wie hoch die Wahrscheinlichkeit war, dass ihretwegen drei nichtmenschliche Kreaturen dieses dämliche Gesetz brachen. Sie kam zu keinem beruhigenden Ergebnis.

Ob sie von Robert erzählen sollte? Aber der war in diesem Punkt mehr als deutlich gewesen.

Simons Augen hielten ihren Blick weiterhin fest, als wollte er ihre Gedanken lesen.

„Was sollen wir jetzt nur mit ihr machen?“

Seine Stimme war nicht unfreundlich, was Sara ein wenig hoffen ließ.

„Also wir könnten ja erstmal ganz entspannt was trinken“, schlug sie vor. „Was ... äh … ist denn bei euch so angesagt?“

Simon grinste bereitwillig.

„Oh, ein Bier wäre nicht schlecht.“

Sie versuchte, sich hochzustemmen, aber Maxs Hände ließen es nicht zu.

„Er soll’s selber holen“, knurrte er. Dann zog er sie halb hoch und zerrte ihr ungeduldig den Bademantel vom Leib.

Simon sah interessiert zu, wie sein Freund über die Frau herfiel.

Maxs Erregung war für ihn deutlich zu riechen – und ansteckend. Der nackte Frauenkörper war so verlockend nah und verströmte in zunehmendem Maße betörende Duftstoffe aus.

Sara kam sich vor wie in einem Traum. Ihre Sinne waren vernebelt von den Gerüchen und Geräuschen, der Erregung, die über sie zusammenschlug. Schon einer dieser Männer war überwältigend, aber als sich plötzlich auch Simon an sie drängte, verlor sie völlig die Kontrolle über sich.

Es ging nicht nur ihr so.

Die beiden Männer verfielen in einen wilden Rausch, der kein Ende zu nehmen schien.

Als Sara wieder in der Lage war, klar zu denken, lag sie auf dem Boden, unter und über sich Arme und Beine.

Ächzend schob sie die schweren Gliedmaßen von sich und richtete sich auf.

Aufgewühlt sah sie auf die beiden Männer herunter, die mit geschlossen Augen und ineinander verknäuelt am Boden lagen.

Dann seufzte sie leise und tappte ins Badezimmer.

Zwei Augenpaare folgten ihr unter halbgeschlossenen Lidern.

Kurze Zeit später drangen Duschgeräusche aus dem Bad.

Simon schob seinen Freund zur Seite, so dass er sich aufrichten konnte, und hockte sich in einen der burgunderfarbenen Sessel.

„Wir haben da ein verdammt großes Problem!“

Max folgte seinem Beispiel und nahm auf der Couch Platz.

„Ich weiß“, seufzte er. „Aber ehrlich. Das war alles andere als geplant.“

„Schon klar, aber was machen wir jetzt mit ihr?“

„Ich hab keine Ahnung“, gab Max zu. „Ich weiß ja, dass wir sie zumindest dem Rudel melden müßten, aber ... ach verdammt, ich will nicht, dass ihr etwas passiert. Frag mich nicht wieso, aber das geht mir dermaßen gegen den Strich, dass es beinahe wehtut.“

Simon betrachtete seinen Freund mit einer Spur Mitleid. Aber er verstand ihn genau. Diese Frau war etwas Besonderes, auch wenn er nicht erfassen konnte, woran das lag. Klar war, dass sie verdammt gut roch. Irgendwie nach Wolf, obwohl sie eindeutig keiner war. Und genauso wie Max verspürte er den deutlichen Drang, sie zu beschützen.

„Sie wirkte nicht wirklich überrascht über die Existenz von Werwölfen“, meinte er nachdenklich. „Zumindest war sie erstaunlich cool. Ob sie schon wissend war?“

Max zuckte die Schultern.

„Kann ich nicht sagen, aber sie roch erschrocken, als sie mich in Menschengestalt sah. Damit gerechnet hat sie nicht unbedingt. Obwohl ...“ Er überlegte. „Na ja, als ich als Wolf vor ihr stand, hat sie, glaub ich, sofort gerafft, dass ich kein gewöhnliches Tier war. Zumindest hat sie mich nicht so angesprochen.“

„Das sollten wir auf jeden Fall klären!“

„Und dann?“

Simon schloss die Augen und lauschte auf die Geräusche, die aus dem Badezimmer drangen.

„Wir müssen ihr klar machen, dass es sehr ungesund für sie enden wird, wenn sie mit anderen über Wölfe quatscht.“

„Na toll, und wie willst du das anstellen? Drohst du ihr, sie zu zerreißen?“, spottete Max. „Ehrlich Simon, ich bezweifle, dass du das überzeugend rüberbringst. Keiner von uns hat jemals einen Menschen angegriffen, und ich für meinen Teil habe das auch nicht vor.“

„Das weiß sie aber nicht“, beharrte Simon. „Außerdem will ich ihr nicht vor uns Angst machen, sondern vor den anderen. Womit ich ja auch nicht falsch liege. Die Ältesten weisen einen ja ständig darauf hin, dass Wissende sterben müssen.“

Die Tür klapperte und Sara trat ins Zimmer, eingehüllt in ihren Bademantel. Als sie die Männer nackt vor sich sitzend sah, blieb sie stehen. Keine Frage, der Anblick war beeindruckend. Beide Männer waren muskulös, gut gebaut und wirkten auf Sara ausgesprochen anziehend. Zu ihrer eigenen Überraschung empfand sie die ungewöhnlich ausgeprägte Körperbehaarung der beiden sogar als attraktiv.

Langsam trat sie zu dem leeren zweiten Sessel und ließ sich darauf nieder. Zwei grüne Augenpaare fixierten sie.

„Du wirst uns was erklären müssen“, begann Simon. Sara ahnte, was da kommen würde. Schon unter der Dusche hatte sie sich eine Erklärungsstrategie zurechtgelegt.

„Und was?“, fragte sie, ohne ihre Besorgnis zu verstecken.

„Wie es kommt, dass du nicht überrascht über unsere Existenz bist. So cool wie du reagiert niemand, der vorher keine Ahnung hatte!“

Sara schluckte. Sie hatte also richtig vermutet.

„Na ja“, meinte sie zögernd. „Da war vor einigen Monaten so ein Kerl bei mir. Der hat behauptet, dass er übernatürliche Geschöpfe jagt, und er hat mir einiges über Hexen, Vampire und Werwölfe erzählt. Eigentlich hab ich ja gedacht, das wäre ein Spinner, aber was er da so erzählt hat, war irgendwie ziemlich überzeugend.“

„Wer war der Kerl und wo ist er jetzt?“ hakte Simon alarmiert nach.

„Äh, der hieß Nils Bogart oder so, aber ich glaube, er ist tot.“

„Glaubst oder weißt du’s?“

„Äh, ich weiß es. In der Zeitung stand da so ein Artikel. Irgendjemand hat ihn wohl getötet. Die Polizei hielt es für einen Raubüberfall.“

Max schnaubte.

„Vielleicht hat er bei seiner „Jagd“ ja einen würdigen Gegner gefunden.“

„Na gut.“

Simon war besänftigt. Er roch keine Lüge an ihr. Sara wirkte zwar beunruhigt, aber sie befand sich in einer stressigen Situation. Da war das nichts Ungewöhnliches.

„Trotzdem haben wir jetzt ein Problem.“

Er wechselte einen angespannten Blick mit Max. Dieser räusperte sich.

„Wie du ja schon vermutet hast, gibt es da so eine Regel.“

„Keiner darf’s wissen“, murmelte Sara. Er nickte.

„Genau. Und dummerweise wird diese Regel sehr ernst genommen.“

Er stockte und sah wieder hilfesuchend zu Simon. Sara entging seine Unsicherheit nicht und langsam glaubte sie, dass sie ein weiteres Mal Glück hatte. Die beiden Männer, die da nackt auf ihrer Sitzgarnitur hockten, wirkten auf sie nicht wie reißende Bestien, die mordlüstern über jeden Menschen herfielen. Und selbst in Wolfsgestalt waren beide nicht unbedingt furchterregend gewesen. Ob die gängigen Erzählungen über Werwölfe bezüglich Aggressivität, Blutrünstigkeit und Mordlust wahr waren? Im Moment hatte sie nicht den Eindruck und das erleichterte sie enorm. Die Wölfe rochen das sofort, und Simon gab ein unwilliges Knurren von sich.

„Sara, nimm das bitte ernst! Wir beide hier sind dir ... äh ... wohlgesonnen. Aber das gilt nicht für andere unserer Art. Die Regel ist ernst. Todernst! Wissende Menschen müssen sterben! Das mag brutal erscheinen, ist aber der beste Schutz, den wir gegen die Menschen haben. Wenn wir dem Rudel von dir erzählen, werden sie dich töten. Und Max und ich können dich nicht davor schützen. Wir sind keine Kämpfer.“

„Und wenn ihr einfach nicht’s von mir erzählt?“, wagte Sara vorzuschlagen.

Wieder wechselten die Männer einen Blick. Dieses Mal redete Max weiter.

„Das haben wir uns auch schon überlegt. Aber das geht nur, wenn du auch wirklich den Mund hältst. Falls jemals bekannt wird, dass du redest, werden unsere Leute nicht nur dich umlegen. Simon und ich gehen damit ein sehr hohes Risiko ein. Zum einen vertrauen wir dir die Sicherheit unserer Gattung an und zum anderen auch unsere eigene.“

Sara hörte durchaus, dass er nicht „würde“ sagte, und trotz seiner Warnung durchströmte sie wieder Erleichterung.

„Ich verspreche euch hoch und heilig, dass ich keinem Menschen auch nur ein Sterbenswort von euch erzählen werde“, versicherte sie ernst. Dass sie es ehrlich meinte, verströmte sie mit jeder Pore ihres Körpers, und die beiden Wölfe entspannten sich merklich.

Einige Zeit herrschte Schweigen. Dann grinste Max plötzlich.

„Tja, also wenn das geklärt ist, könnten wir den Rest der Nacht doch eigentlich noch nutzen.“

Sara stöhnte sofort auf.

„Das meinst du nicht im Ernst! Ich brauche zumindest ein bisschen Schlaf. Morgen muss ich mich etwa dreissig kleinen Monstern stellen, da brauche ich jede Energiereserve, die ich nur kriegen kann.“

Max erhob sich und langte über den Tisch nach ihr. Da Sara versuchte, ihm auszuweichen, erwischte er nur den Ärmel ihres Bademantels. Den hielt er aber fest. Sara gelang es, aus dem Mantel zu schlüpfen und landete bei ihrem Fluchtversuch direkt in Simons Armen.

„Keine Sorge, meine Hübsche“, brummte er in ihr Ohr, und presste ihren nackten Körper an sich. „Wir schenken dir so viel Energie, dass du den Rest der Woche locker durchstehst.“

Und als Maxs Hände sich von hinten über ihre Brüste legten und sein Unterleib sich an ihr rieb, war Sara völlig klar, dass sie in dieser Nacht keine Chance mehr auf Schlaf haben würde.

In den nächsten Wochen stellte Sara fest, dass „ihre“ Werwölfe mehr als anhänglich waren. Zwar kamen sie nicht täglich vorbei, doch einmal in der Woche stand mindestens einer von ihnen auf der Türschwelle, und der Grund war schlicht und ergreifend: Sex. Noch nie in ihrem Leben hatte sie so oft und intensiv Sex mit Männern ausgeübt. Erst recht nicht mit zweien gleichzeitig. Die beiden forderten ihr einiges ab, aber zu ihrer eigenen Überraschung gefiel es ihr. Nie hatte sie das Gefühl, dass sie zu etwas gezwungen wurde, und ihre anfängliche Furcht war schnell verflogen. Zwar erzählten sie ihr wenig von sich selbst und von ihrer Lebensweise, doch das störte sie nicht weiter. Allerdings war da noch die Sorge schwanger zu werden. Sie wusste nicht, ob Werwölfe und Menschen kompatibel waren, aber sie war nicht unbedingt scharf darauf es herauszufinden. Nach reiflicher Überlegung ließ sie sich eine Hormonspirale legen und hoffte, dass dies für ihren Vampir akzeptabel war. Die Wölfe schien es jedenfalls nicht zu stören.

Verwundert stellte sie nach besagten Wochen fest, dass sie sich noch nie so ausgeglichen gefühlt hatte, wie jetzt. Selbst bei ihrer Arbeit mit den Kindern war sie geduldiger als sonst. Vielleicht hatte Lydia doch recht, und ihr hatte nur ausreichend Sex gefehlt?

Einzig ihre Träume verursachten ihr noch Kummer. Immer öfter wachte sie nachts mit Herzrasen und dem Geruch nach Wolf in der Nase auf, und häufig klangen in ihr Bilder von tätowierten Armen und grünen Pupillen nach. Sie war sich ziemlich sicher, dass diese Augen nicht zu Simon oder Max gehörten, auch wenn sie sich sehr ähnlich waren.

Sie wirkten lange nicht so freundlich.

Fellträger

Подняться наверх