Читать книгу Fellträger - Ana Marna - Страница 17

11. Montag, 29. Juli 2013

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Nähe Huntsville, Texas

Als Max und Simon zwei Tage später in Saras Wohnung traten, starrten sie irritiert auf das schwarze Fellbündel zu ihren Füßen.

„Was ist das?“, fragte Simon. Eine gewisse Ablehnung war nicht zu überhören.

„Ein Hund“, klärte Sara ihn freundlich auf.

„Und was zum Teufel macht der hier?“

„Na ja, ich glaube, er wohnt jetzt hier.“

„Sara!“

Er klang nicht amüsiert.

„Was?!“

Sie spürte Ärger in sich aufsteigen. Immerhin war dies ihr Haus und ihr Leben.

„Spricht irgendetwas dagegen, dass ich mir einen Hund anschaffe? Hast du Angst vor deinen Verwandten?“

Max fing an zu lachen, aber Simon sah ihn zornig an.

„Hunde mögen uns nicht“, knurrte er.

Sara sah auf ihren neuen Hausgenossen, der seelenruhig auf den Teppichzotteln lag.

„Scheint so“, bemerkte sie trocken. „Er wirkt echt aufgeregt.“

Simon betrachtete den Hund misstrauisch.

„Er riecht seltsam.“

„Er ist seltsam“, bestätigte Sara. „Aber er ist immerhin stubenrein.“

Innerlich atmete sie auf. Offensichtlich war der Geruch des Hundes irritierend genug, um von Roberts Duft abzulenken. Das allein war schon ein wichtiger Grund, ihn im Haus zu lassen.

„Wie heißt er überhaupt?“, fragte Max.

„Äh, keine Ahnung. Er ist mir zugelaufen.“

„Wie bitte?“

Simon runzelte die Stirn.

„Ja und? Im Grunde ist er ja nicht der Einzige“, versetzte Sara etwas schnippisch und tätschelte demonstrativ den Hundekopf.

„Ich nenne ihn einfach Hund. Wenn’s dir nicht passt, kannst du dir ja einen anderen Namen überlegen.“

Simon stöhnte.

„Na toll, aber eins sage ich dir: Wenn diese Töle mir querkommt, mach ich sie einen Kopf kürzer.“

„Mein Hund besitzt Anstand und Würde“, behauptete Sara und überlegte gleichzeitig, ob sie damit wirklich richtig lag. Bisher hatte ihr neuer Begleiter nichts anderes von sich preisgegeben, als dass er anhänglich war. Ohne zu zögern war er in ihr Auto gesprungen, als sie zur Arbeit gefahren war. In der Kindertagesstätte war er ihr bis in ihren Arbeitsraum gefolgt, hatte die kreischenden Kinder, die über ihn hergefallen waren, eine Zeitlang geduldig ertragen und sich dann unter ihren Schreibtisch gelegt ohne einen Mucks von sich zu geben. Ihre anfängliche Sorge um die Kinder hatte sich spontan in Luft aufgelöst, aber so ganz geheuer war ihr das alles trotzdem nicht. Kein normaler Hund ertrug dreissig kreischende Kinder, und kein halbwegs richtig tickender Hund schloss sich spontan so eng an einen Menschen.

Aber er schien dem Augenschein nach nicht gefährlich zu sein und so blieb ihr erst einmal nichts anderes übrig, als seine Anwesenheit zu tolerieren. Der Verdacht, dass Robert an dieser Situation nicht unschuldig war, drängte sich ihr geradezu auf, und das allein war schon Grund genug, nicht zu rebellieren.

Dies alles erzählte sie ihren Freunden natürlich nicht. Würde und Anstand zu behaupten erschien ihr klüger. Und „Hund“ protestierte nicht.

„Wie wär’s mit Rocky“, schlug Max vor. „Muskeln scheint er immerhin zu haben.“

Sara zuckte mit den Schultern.

„Von mir aus“, meinte sie. „Also, Rocky, darf ich vorstellen? Das sind Simon und Max, zwei außergewöhnlich freundliche Werwölfe, die nichts anderes im Kopf haben als Ficken.“

„Äh“, kam es von Max. „Also das klingt nicht sehr nett.“

„Aber realistisch!“

„Stimmt auch wieder.“ Er grinste. „Und da wir das Thema damit angesprochen haben: Wie wär’s mit uns beiden?“

Damit war das Problem Hund erledigt. Und das Thema, wie erkläre ich einen Vampirgeruch, ebenso. Sara war erleichtert und ließ sich von Max ohne Protest auf die Couch legen.

In den folgenden Tagen lebte Rocky sich also ein und Sara gewöhnte sich daran, immer einen Riesenhund an ihren Beinen zu haben. Das war durchaus ein beruhigendes Gefühl. Sie war sich sicher, dass er keine potentielle Gefahr an sie heranlassen würde – warum auch immer.

Im Prinzip behandelte sie ihn wie einen Menschen und damit schien er überhaupt keine Probleme zu haben. Manchmal war es schon seltsam, wenn er ihre Anweisungen mit absoluter Präzision befolgte. Aber in der Regel vermied sie es, ihn zu bevormunden. In ihrem Haus und auf ihrer Arbeitsstelle fügte er sich widerstandslos ihren Regeln und das reichte ihr völlig. Nie wäre sie auf die Idee gekommen, ihn Pfötchen geben zu lassen oder Hundetricks mit ihm auszuprobieren, und zu ihrer Überraschung versuchte auch keines der Kinder, ihn zu gängeln. Anfangs streichelten sie ihn begeistert, doch nach wenigen Tagen ignorierten sich Hund und Kinder weitgehend, was Sara durchaus gefiel.

Nur eines beunruhigte sie. Sie sah Rocky nie fressen.

Dabei wirkte er alles andere als kränklich oder verhungert. Er schien im Gegenteil die wandelnde Gesundheit zu sein.

Eines Abends erfuhr sie warum – aber das beruhigte sie keineswegs.

Sie hatte es sich angewöhnt, ihn abends nach draußen zu lassen, damit er eine Runde ums Haus rennen und dabei dringende Geschäfte erledigen konnte.

An besagtem Abend folgte sie ihm nach einigen Minuten um noch ein paar Gerätschaften in den Gartenschuppen zu stellen.

Als sie zufällig einen Blick über die Hecke warf, bot sich ihr ein äußerst ungewöhnliches Bild.

Auf dem Trampelpfad, der am Waldrand entlangführte, stand ein junger Mann in gebeugter Haltung mit ausgestrecktem Arm. An diesem hing Rocky und umklammerte mit seinem kräftigen Gebiss den nackten Unterarm. Erschrocken gewahrte Sara, dass Blut von dem Arm nach unten tropfte, aber was sie ebenso mit Schaudern registrierte war, dass der Mann völlig regungslos in dieser unbequemen Haltung stand und mit glasigen Augen aber einem Lächeln auf den Hund starrte.

Plötzlich ließ Rocky den Arm los und leckte mit seiner großen Zunge über die Bisswunde. Danach trat er ein paar Schritte zurück und hockte sich nieder. Der Mann bewegte sich erst einige Augenblicke später und trat auf Rocky zu.

„Na, du schöner Hund“, meinte er und legte vorsichtig die Hand auf Rockys Kopf. „Braver Kerl, lässt dich wohl gerne kraulen, was?“

Der Hund ließ ihn kurz gewähren. Aber dann stand er auf und drehte ihm den Rücken zu. Dabei gewahrte er Sara, die ihn immer noch anstarrte, und stutzte. Auch der Mann sah sie jetzt und lächelte ihr zu.

„Ein schöner Hund, gehört der Ihnen?“

Sara räusperte sich.

„Äh … halbwegs, ja. Er ist so eine Art Gast. – Ähm, geht es ihnen gut?“

„Oh ja, mir ging es nie besser, warum?“

„Na ja, sie sehen ein bisschen blass aus. Ich hoffe, er hat sie nicht gebissen.“

Der Mann lachte.

„Nein nein, hat er nicht. Wissen sie, ich kenne mich mit Hunden aus. So schnell beißt mich keiner.“

„Na dann …“, murmelte Sara und rief nach Rocky, der sofort mühelos über die Hecke sprang.

Der Mann grüßte freundlich und ging weiter.

Sara betrat mit dem Hund auf den Fersen das Haus und ließ sich in einen Sessel fallen. Dann starrte sie wieder auf ihren unheimlichen Hausgast.

Der erwiderte völlig gelassen ihren Blick.

Sie holte tief Luft.

„Also gut, jetzt weiß ich also, dass du doch nicht nur von Luft lebst und tatsächlich kein normales Hündchen bist. Wobei das Letztere wohl schon länger klar war. Ich will nicht behaupten, dass ich alles durchblicke, aber eines kannst du mir glauben: Wenn du so was jemals mit mir machst und ich krieg das raus, dann fliegst du, klar?“

Rocky entblößte eine Reihe spitzer Zähne und grinste sie an.

„Mist“, murmelte Sara. „Warum passiert mir so was ständig? Ist das ein Fluch?“

Ehe sie es sich versah, war Rocky mit einem Satz vor ihr und fuhr mit seiner Zunge durch ihr Gesicht.

Sara zuckte mit einem überraschten Schrei zurück,

„Nicht! Hör auf!“

Zu ihrer Erleichterung ließ er von ihr ab und trollte sich auf seinen Lieblingsteppich.

In dieser Nacht lag Sara lange wach und versuchte, ihre Gedanken zu sortieren.

Offensichtlich gab es nicht nur Werwölfe und Vampire, sondern ebenso Vampirhunde oder wie auch immer man solche Geschöpfe auch nannte. Gab es da so was wie Verwandtschaft? Ob die sich verstanden? Miteinander redeten? Ob sie Robert doch fragen sollte? Er war schon länger nicht mehr aufgetaucht, was sie eigentlich freute, aber diese Geschichte mit einem bluttrinkenden Hund war ihr doch ein wenig unheimlich. Ob der Hund sie gebissen hatte, darüber wollte sie nicht unbedingt nachdenken. Im Prinzip konnte es ihr egal sein, geschadet hatte er ihr ja nicht, aber das Gefühl als Futternapf auch noch für einen Hund zu dienen, war nicht wirklich prickelnd. Sie hoffte nur, dass Rocky sich zumindest in Zukunft zurückhielt.

Nur wenige Tage später kam Robert zu Besuch. Er warf einen kurzen Blick auf den Hund und meinte: „Raus!“

Rocky gehorchte so prompt, dass sich jede Frage, ob die beiden sich kannten, erübrigte. Und da Robert das Thema nicht ansprach, beschloss Sara, es ebenfalls zu lassen. So wie sie den Vampir inzwischen kannte, würde er ihr sowieso keine gescheite Antwort geben, und Rocky fügte sich inzwischen problemlos in ihr Leben ein. Sogar die Wölfe hatten sich schon an ihn gewöhnt. Max fand es obendrein cool, dass da endlich mal ein Hund war, der nicht den Schwanz einkniff, wenn er den Raum betrat.

Also richtete sich Sara darauf ein, für eine unbestimmt lange Zeit in der Aufmerksamkeit von einem Vampir, einem Vampirhund und zwei Werwölfen zu stehen.

Fellträger

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