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3 Zur Systematik der interaktionsdiagnostischen Instrumente

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Die Beschreibung der Verfahren aber auch deren Systematik folgt verschiedenen Kriterien. Kötter und Nordmann (2003) definieren z. B. folgende Merkmale zur Klassifikation von interaktionszentrierten Diagnoseverfahren.

1. Makro- vs. mikroanalytische Verfahren

Makroanalytische Methoden »beruhen auf langen und damit auch meistens komplexen Kodiereinheiten« (Kötter & Nordmann, 2003, S. 446), die eher auf der »Ebene des Gesamtausdrucks und der Ausprägung/Intensität von Verhaltensmerkmalen im größeren Zeitfenster« (Sidor, 2012, S. 468) angesiedelt sind, während mikroanalytische Verfahren eher kurze und einfache Kodiereinheiten nutzen. Sie »stellen eine sehr detaillierte Analyse der Dauer und Häufigkeiten der Verhaltenskategorien in kurzen Zeitintervallen (meist im Sekundenbereich) dar« (ebd.). Mikroanalytische Verfahren, wie z. B. ICEP (Weinberg & Tronick, 1998), kommen in der Regel wegen ihres hohen Arbeitsaufwandes nur zu Forschungszwecken zum Einsatz, während makroanalytische Verfahren zeitökonomischer und damit praxisnäher sind.

2. Formale oder inhaltsbezogene Kodierung

Formale, also scheinbar inhaltsfreie, Analyseeinheiten sind beispielsweise Unterbrechungen, Redezeit, Anzahl der Äußerungen oder des Blickkontaktes (vgl. in der Übersicht Kötter & Nordmann, 2003, S. 449).

3. Ereignis- vs. zeitbezogene Kodierung

Zeitbezogene (oder intervallartige) Kodierung wird vorgeschlagen, wenn die Interaktionsprozesse schwer überschaubar und sehr komplex sind. Ereignisbezogene Kodierung wird dagegen empfohlen, wenn der Bedeutungsgehalt eine größere Rolle spielt.

4. Setting

Hinsichtlich des Settings lässt sich unterscheiden, ob die Diagnostik in naturalistischer Umgebung oder im Labor erfolgt.

5. Verhalten: inszeniert vs. frei (naturalistisch)

Verfahren können ebenfalls danach differenziert werden, ob die Beteiligten Anweisungen des Versuchsleiters folgen sollen (inszeniert)9 oder ob sie sich in freier und natürlicher Art bewegen und austauschen.

6. Technik der Datenerhebung

Die Datenerhebung kann mithilfe von Fragebogenverfahren, bei denen Selbst- oder Fremdbeurteilungsinstrumente zu unterscheiden sind, oder aber mittels Videoanalyse auf der Basis mehr oder weniger normierter mikro- oder makroanalytischer Kodierverfahren erfolgen.

7. Inhaltliche Dimensionen

Die Verfahren unterscheiden sich in Bezug auf die der Interaktionsbeurteilung zugrundeliegenden Zielstellung. Zunächst ist zu differenzieren zwischen Verfahren, die auf die Erfassung der Kompetenzen einer beteiligten Person mit Hilfe von beobachtbaren Interaktionen zielen. Der Prototyp ist hierfür die Erfassung der mütterlichen Feinfühligkeit mit Hilfe der entsprechenden Skala nach Mary Ainsworth (Grossmann & Grossmann, 2008, S. 116–122). Sodann gibt es Verfahren, die beziehungsrelevante Merkmale der Beteiligten erfassen sollen. Hierfür stehen v. a. der CARE-Index (Crittenden, 2005) sowie die Münchner Klinische Kommunikationsskala MKK (nach Mechthild Papoušek vgl. im Überblick dazu Domogolla, 2006). Und schließlich unternehmen die Autorinnen und Autoren einiger Verfahren den Versuch, die Beziehung »an sich« zu beschreiben, wofür als Prototyp das Eltern-Kind-Interaktionsprofil (EKIP: vorgestellt von Alpermann & Koch, 2007; Ludwig-Körner et al., 2006) stehen dürfte. Die meisten Verfahren jedoch bilden eine Mischung aus kind-, eltern- und beziehungsbeschreibenden Faktoren.

8. Altersspanne des Kindes

Viele Verfahren sind begrenzt auf einen Altersbereich, wie z. B. der CARE-Index oder auch die MKK. Daneben existieren aber auch wenige Verfahren, die ein größeres Altersspektrum – dann meistens modifiziert bezüglich der Interaktionsaufgaben und/oder der Beobachtungkriterien – abdecken. Hierfür steht z. B. die Heidelberger Marschak Interaktionsmethode (H-MIM), die von Marianne Marschak in den USA entwickelt und von Ritterfeld und Franke (1994/2009) für den deutschsprachigen Raum übersetzt und weiterentwickelt worden ist (Franke & Schulte-Hötzel, 2019).

Weitere Kriterien zur Beschreibung und Unterscheidung interaktionsdiagnostischer Instrumente sind die Dauer des Verfahrens, seine Praktikabilität, wozu unter anderem die Durchführungsobjektivität und die Verfügbarkeit (z. B. im deutschsprachigen Raum) zu zählen sind und natürlich die Ausprägung der Gütekriterien (Reliabilität, Objektivität und Validität).

9 sog. Interaktionsaufgaben (vgl. im Überblick Kötter & Nordmann, 2003, S. 441) oder auch das sog. Still-Face-Paradigma (Tronick, Als & Brazelton, 1978; eine praxisnahe Variante des Fremde-Situations-Tests nach M. Ainsworth).

Interaktionsbeobachtung von Eltern und Kind

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