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Geschichte des Kokles
ОглавлениеIch habe nicht viele Beziehungen auf dieser Welt, dachte mich auch in keine bevor das passierte, was ich Ihnen erzählen will. Ich kenne meine Eltern nicht und habe lange einen Grund gesucht, warum ich mein Leben weiterführe. Ich ging auf die Strasse, um da irgend eine Bestimmung zu finden. Ich suchte den Zufall, irgend etwas, das ich tun müsste und das dann die Richtung meiner Existenz bestimmen sollte; denn ich habe mich nicht selber gemacht, zu gutmütig dafür von Natur aus. Von Haus aus gut, wie ich Ihnen sage, bestand meine Tat darin, dass ich ein Taschentuch vom Boden aufhob. Der es verloren hatte war noch keine drei Schritte vor mir her, ich lief ihm nach, überreichte es ihm. Er nimmt es ohne überrascht zu sein, – nein, überrascht war ich, als er mir ein Couvert überreichte, gerade das, welches hier liegt.– Wollen Sie, sagte er lächelnd, darauf eine Adresse schreiben? – Welche? frage ich. – Irgendeine, antwortete er. – Und dabei überreichte er mir, was man zum Schreiben braucht. In dem Bedürfnis, mich ganz von der Umgebung bestimmen zu lassen, tat ich, was er verlangte. Ich sagte Ihnen schon, dass ich nicht viele Beziehungen auf dieser Erde habe. Der Name, den ich aufschrieb und der mir, ich weiss nicht warum, gerade durch den Kopf schoss, war der eines mir völlig Unbekannten. Ich schreibe, glaube die Sache erledigt, grüsse und will gerade weitergehen – da bekomme ich eine ziemlich bedeutende Ohrfeige.
Das Erstaunen liess mich den Spender aus den Augen verlieren. Als ich zu mir selbst kam, war ich von einer Menschenmenge umringt. Alles sprach und gestikulierte. Einige packten mich und wollten mich zur nächsten Apotheke bringen. Mit Mühe konnte ich mich damit losmachen, dass ich erklärte, mir täte nichts weh, obschon ich aus der Nase blutete und mir der Unterkiefer ernstlich schmerzte.
Der geschwollenen Backe wegen musste ich eine Woche lang zu Hause bleiben, welche Zeit ich mit Nachdenken verbrachte:
Warum hat er mir die Ohrfeige gegeben? Aus Irrtum natürlich. Was kann er gegen mich haben? Ich tu niemandem was zu leide, niemand kann mir ein Leid wünschen. Das Böse ist etwas, das man vergilt.
Und wenn es kein Irrtum ist, – dachte ich, denn zum erstenmal dachte ich überhaupt. Wenn mir diese Ohrfeige richtig bestimmt war? Übrigens, kam ich zum Schluss, was liegt an Irrtum oder Nichtirrtum, ich habe die Ohrfeige bekommen – und ... werde ich sie zurückgeben? – Ich sagte schon, ich bin von Hause aus ein gutmütiger Mensch; und dann war da noch ein Haken: der mich geohrfeigt hatte war viel stärker als ich.
Als meine Wange wieder normal war und ich endlich wieder ausgehen konnte, suchte ich meinen Ohrfeigenmann; ja, um ihm auszuweichen. Ich traf ihn nicht, und wenn ich ihn vermied, geschah es ohne mein Wissen.
Aber sehen Sie – und dabei beugte er sich zu Prometheus – sehen Sie, wie sich heute alles verkettet, alles sich kompliziert statt sich zu explizieren: – Ich erfahre, dass dieser Herr dank meiner Ohrfeige 500 Franks bekommen hat ...
Erlauben Sie ... sagte Damokles.
Kokles ist mein Name, wandte sich Kokles an Damokles; Kokles, damit Sie so glücklich sind, zu wissen, wem sie Ihre 500 Franks zu danken haben ...
Aber ...
Ja, ich weiss: sagen wir nicht: wem; sagen wir: dem Erdulden wessen ... Denn wissen Sie und vergessen Sie nicht, dass Ihr Gewinn auf meinem Unglück ...
Aber ...
Regen Sie sich nicht auf, ich bitte Sie. Zwischen Ihrem Gewinn und meinem Schmerz besteht eine Beziehung; ich weiss nicht welche, aber es besteht eine Beziehung ...
Aber, mein Herr ...
Nennen Sie mich nicht: mein Herr.
Aber, wertester Herr Kokles.
Sagen Sie: Kokles zu mir, ganz einfach.
Also, mein lieber Kokles ...
Nein, werter Herr, – nein Damokles – Sie können sagen, was Sie wollen, ich habe hier auf meiner Wange noch eine Erinnerung an die Ohrfeige, eine Narbe, die ich Ihnen gleich zeigen will.
Die Unterhaltung wurde unangenehm persönlich. Und hier ist es, wo der Takt des Kellners sich so schön zeigte.
Durch ein geschicktes Manöver – er goss einfach eine volle Schüssel auf Prometheus – lenkte er plötzlich die Aufmerksamkeit der beiden andern auf ihn. Prometheus konnte einen Ausruf nicht unterdrücken und seine Stimme klang nach denen der Beiden so tief, dass man nun bemerkte, dass er bis jetzt geschwiegen hatte.
Der Ärger des Damokles vereinte sich mit dem des Kokles.
Aber Sie sagen ja gar nichts – schrien sie ...