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Die Petitio Principii

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Meine Herren, fing Prometheus an, ich habe nicht die Pretention, Sie mit dem zu interessieren, was ich Ihnen sagen will, und deshalb nahm ich diesen Adler mit mir. Nach jeder langweiligen Stelle meiner Rede wird er Ihnen ein bisschen vorfliegen. Ich habe auch obscöne Photographien und Raketen bei mir: bei den ernsteren Momenten meiner Rede werde ich dafür sorgen, das Publikum damit zu zerstreuen. So darf ich also auf einige Aufmerksamkeit hoffen, meine Herren.

An jedem Wendepunkte meiner Rede werde ich, werte Versammlung, die Ehre haben, Sie der Fütterung meines Adlers beiwohnen zu lassen – denn, meine Herren, meine Rede hat drei Teile; ich glaubte, diese Form nicht zurückweisen zu dürfen, die meinem klassischen Geiste gefällt. – Und dies zum Eingang gesagt, nenne ich nun sofort ohne viel Wortgepränge die beiden ersten Punkte meiner Rede:

Erster Punkt: Man muss einen Adler haben.

Zweiter Punkt: Im übrigen haben wir alle einen.

Fürchtend, dass Sie mich der Parteilichkeit beschuldigen, meine Herren; fürchtend auch, die Freiheit meines Gedankenganges zu stören, habe ich meine Rede nur über diese beiden Punkte ausgearbeitet; der dritte wird sich ungezwungen aus den beiden andern ergeben; ich lasse da der Begeisterung ihre Rechte. – Zum Schluss, meine Herren, wird der Adler einsammeln.

Bravo! Bravo! schrie Kokles.

Prometheus nahm einen Schluck Wasser. Der Adler flog pirouettierend dreimal um Prometheus, dann grüsste er. Prometheus blickte in den Saal, lächelte Damokles zu, Kokles zu, und da sich noch kein Zeichen der Langweile bemerkbar machte, hob er die Raketen für später auf und begann:

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Welch rednerisches Geschick ich auch immer hineinlege, weiss ich doch nicht, meine Herren, wie ich vor Ihrem klarsehenden Geiste mit dieser petitio principii zurechtkomme, die mich am Beginn meiner Rede erwartet. Meine Herren, wir können jedes tun, was wir wollen, wir entgehen nicht der petitio principii. Ich frage nun: was ist eine petitio principii? Meine Herren, ich wage zu sagen: jede petitio principii ist eine Bejahung des Temperaments; denn wo die Prinzipien fehlen, da behauptet sich das Temperament.

Wenn ich erkläre: Man muss einen Adler haben, so können Sie alle ausrufen: «Wozu? – Nun, was wollen Sie, das ich antworte und das sich nicht auf diese Formel der Behauptung meines Temperaments zurückführen Hesse: Ich liebe die Menschen nicht, ich liebe, was sie vernichtet.

Das Temperament, meine Herren, ist es, was sich behaupten muss. Eine neue petitio principii, werden Sie sagen. Aber ich bewies, dass jede petitio eine Behauptung des Temperamentes ist. Und wie ich sagte, dass man sein Temperament behaupten muss (denn es gebietet es), so wiederhole ich: ich liebe die Menschen nicht; ich liebe, was sie vernichtet. – «Was nun vernichtet den Menschen? Sein Adler. Darum, meine Herren, muss man einen Adler haben. Ich denke das zur Genüge bewiesen zu haben ... Pardon, meine Herren, ich sehe, dass ich Sie langweile; einige von Ihnen gähnen. Ich könnte nun, es ist wahr, einige Spässe einfügen; aber Sie würden das gezwungen finden; ich habe eine unheilbar ernsthafte Geistesverfassung. – Ich ziehe es daher vor, einige von den freien Photographien zirkulieren zu lassen; sie werden die beruhigen, die meine Worte langweilen; was mir erlauben wird fortzufahren.

Prometheus nahm einen Schluck Wasser. Der Adler flog pirouettierend dreimal um Prometheus und grüsste dann. Prometheus fuhr fort:

Der schlechtgefesselte Prometheus und andere Novellen

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