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Eine Stunde später

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Olivia saß in ihrem Wagen und strich über die Ummantelung des Objektivs. Es fühlte sich kühl und schön und wertvoll an.

Das Gespräch mit Mister Cohen war besser gelaufen als erwartet.

Als er mit seinem alten 911er die Straße einbog, zog Olivia ihr Kleid zurecht (Mister Cohen mochte Kleider, vor allem, wenn sie kurz und eng saßen) und lief ihm bereits auf der Auffahrt entgegen. Sie hatte sich extra vorher etwas Wasser ins Gesicht und aufs Dekolletee gesprüht, damit es aussah, als wäre sie gerannt. Während Mister Cohen also in ihren Ausschnitt glotzte und sich überlegte, ob ihre Brüste bei der Atemgeschwindigkeit nicht aus dem Kleid hüpfen mussten, erzählte sie ihm ihre Story. Ihr Dad wäre mal wieder im Krankenhaus – was stimmte – und sie wäre den ganzen Weg hierher zurückgerannt – Lüge –, um ihm persönlich zu sagen, dass er die Miete leider erst übermorgen haben könnte. Zwischen den Sätzen machte sie immer wieder theatralische Pausen, in denen sie Mister Cohen mit ihren Kulleraugen anblickte und sich die Tränen wegwischte. Dank ihrer spanischen Wurzeln beherrschte Olivia den Unschuldsblick aus dem Effeff. Es war von Vorteil, große dunkle Augen zu haben, die von einem olivfarbenen Teint und schwarzen Haaren umrahmt wurden. Solange Mister Cohen ihr nicht zu nahe kommen würde, würde ihm auch nicht der Zwiebelgeruch auffallen. Irgendwie hatte sie sich ja zum Weinen bringen müssen.

Ihr Plan ging auf. Mister Cohen gewährte zwei Tage Aufschub, machte allerdings – mit einem weiteren Blick auf ihren Busen – deutlich, dass ab da die Sache mit ihrem Vater nicht mehr ziehen würde. Olivia griff nach seinen Händen und bedankte sich überschwänglich. Dann stürmte sie davon, trug die Miete direkt zu Ed und kaufte das 1.4er-Objektiv.

In der Sekunde, als sie sie in der Hand hielt, wusste sie, dass sie das Richtige getan hatte. Was für eine Linse! Sie war nicht aus diesem Billig-Plastik, sondern hatte diese schöne und kühle Metallummantelung. Dazu lag sie schön schwer in der Hand, und allein der Haptik wegen könnte sie sie den ganzen Tag herumtragen. 1.4er-Blende bei 85 Millimetern. Damit könnte sie bei Offenblende die schönsten Nachtaufnahmen knipsen, selbst mit der alten D2er-Cam aus der Redaktion.

»Ich brauche nur noch eine coole Location«, sagte Olivia und bettete das Objektiv zurück in die Fototasche. Es musste ein außergewöhnlicher Ort sein, wo niemand sonst hinkommen würde. Vielleicht unten am Strand, aber da hatte sie schon Bilder für den letzten Wettbewerb geschossen. Auf alle Fälle wollte sie keinen Platz, der schon zigmal fotografiert worden war. Sie brauchte etwas Einmaliges. Das Klingeln ihres Smartphones riss sie aus den Grübeleien. Sie sah aufs Display. Randys Foto lachte ihr entgegen. Olivia nahm ab. »Hi, Randy.«

»Hi. Ich wollte nur fragen, ob das morgen mit der Galerie klappt.«

»Ich denke schon.«

»Gut.«

»Ja.« Olivia tippte auf dem Lenkrad herum. »Du kennst nicht zufällig eine außergewöhnliche Location zum Knipsen, oder? Ich muss ein paar schicke Nachtaufnahmen machen.«

»Nicht aus dem Stegreif, aber warte mal.« Sie hörte Randy irgendetwas tippen. Saß er eigentlich auch mal nicht vor der Kiste? »Ah, hier. Wie wäre es mit der alten Highschool aus den 80ern? Das Gebäude steht noch, aber … warte, hier ist ein Eintrag von einem anderen Fotografen … ne, kannste vergessen. Ist alles abgeschlossen. Da kommen wir nicht rein, es sei denn, wir schlagen ein Fenster ein. Ich suche weiter … Oh, das wäre vielleicht was. Der alte Jahrmarkt draußen auf Angel Island.«

»Das ist dort, wo dieser Geschäftsmann nach Öl gebohrt hat und das Fracking läuft, oder?« Randy hatte davon während der Fahrt zum Hafen vor ein paar Tagen erzählt.

»Ja, genau. Auf der Insel war früher ein Jahrmarkt aufgebaut. Ein Teil der Fahrgeschäfte steht noch, genau wie das Riesenrad. Da könntest du fündig werden.«

»Perfekt. Ich hole dich in fünfzehn Minuten ab.«

»Äh, wozu?«

»Du wirst mich begleiten. Du hast doch am Hafen schon öfter mit Mason protestiert.«

»Schon, aber ich wollte mich gerade bei WoW einloggen.«

»Vergiss es. Fünfzehn Minuten. Halte dich bereit.«

»Bei deinem Fahrstil rechne ich eher mit zehn.«

Olivia grinste, legte auf und gab Gas. Auf zur Fotojagd.


*

Ein MORDs-Team - Der komplette Fall Marietta King

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