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Hospiz Heartfull

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Ein Samstagmorgen


Chris wartete unter einer Eiche im Schatten, steckte einen Kaugummi in den Mund und blickte aufs Meer, das sich weit unter ihm sattblau bis zum Horizont erstreckte. Das Hospiz lag in den Bergen in einem alten Herrenhaus, das für diesen Zweck umgebaut worden war. Die Patienten konnten hier in Ruhe und Frieden ihre letzten Wochen verbringen. Chris hatte schon befürchtet, dass es hier trostlos sein würde. Unter todkranken Menschen zu sein, stellte er sich sehr beklemmend vor, aber die Atmosphäre und die Energie dieses Ortes strahlten genau das Gegenteil aus. Außerdem roch es angenehm nach Sommer, Salz und Freiheit. Chris liebte es, am Meer zu sein. Es hatte etwas Erlösendes, und jedes Mal, wenn er das viele Wasser sah, wurde ihm bewusst, wie klein seine Probleme doch eigentlich waren. Leider ließ ihm sein Job nicht so viel Zeit für Ausflüge dieser Art. Mit Lucian war er ständig auf Achse. Heute New York, morgen Paris, übermorgen Sydney. Chris’ Welt bestand aus Hotelzimmern, Reisekoffern und perfekt dosierten Duschgels. Manchmal wachte er morgens auf und musste erst einmal überlegen, in welcher Stadt er überhaupt war. Für Außenstehende mochte das aufregend und spannend klingen, in Wahrheit bekam Chris kaum etwas von den Orten mit, die sie bereisten. Stattdessen verharrte er stundenlang in fensterlosen Studios, stimmte Termine mit Agenten ab oder war damit beschäftigt, Lucian Kaffee zu besorgen. Als er den Job als Assistent bei ihm angetreten hatte, hatte Chris tatsächlich geglaubt, selbst auch mal zum Zug zu kommen. Natürlich hatte er Kontakte knüpfen können, aber die brachten ihm nicht viel, denn die wollten lieber mit Lucian statt mit Chris zusammenarbeiten. Wozu sich mit dem Lakaien beschäftigen, wenn man den König haben konnte? Immerhin hatte Chris viel über das Fotografieren gelernt. Er wusste aus dem Effeff, wie er die Blende im Zusammenspiel mit der ISO und der Belichtung einstellen musste, um einen bestimmten Effekt zu erzielen. Er kannte sich mit Striplight, Octaboxen und Portys aus. Er wusste, wo es gutes Equipment zu mieten gab und welche Firmen auch gerne mal das ein oder andere Objektiv verschenkten, nur, damit es Lucian lobend erwähnte. Chris hatte in zwei Jahren bei Lucian mehr erlebt als so manch anderer Mensch in zwanzig – und Chris war erst vor kurzem neunzehn geworden. Zum Teil stimmte sogar, was man über die Modelszene sagte: Alkohol, Drogen, Sex, Partys … Chris hatte zu Beginn viel mitgenommen, viel probiert und vieles bereut. Irgendwann hatte er festgestellt, dass er seinen Job besser erledigen konnte, wenn er einen klaren Kopf behielt und hatte dem ausufernden Partyleben abgeschworen.

Sein iPhone vibrierte in der Tasche. Er nahm es heraus, um zu sehen, ob jemand anrief, aber es war nur der eingestellte Termin, der ihn an das Treffen mit Olivia erinnerte. Er stellte den Vibrationsalarm ab, damit sie ungestört sein würden. Heute war er fünf Minuten früher zum Treffpunkt gekommen. Er wollte Olivia nicht schon wieder warten lassen, gestern war er einfach nicht schneller weggekommen. Rebecca hatte ihn noch mit tausend Aufgaben bombardiert, als wäre er auf einmal auch ihr Assistent und nicht der von Lucian. Manchmal kam sich Chris vor wie ein Spielzeugmännchen, das man x-beliebig weiterreichen konnte.

Das Quietschen von Reifen ließ ihn aufblicken. Auf dem sandigen Parkplatz bremste ein ramponierter schlammgrüner Dodge. Eine Staubwolke waberte hoch und hüllte den Wagen ein. Die Fahrertür ging auf und Olivia stieg aus. Chris lächelte. Sie sah zum Anknabbern aus. Heute trug sie ein Sommerkleid in einem hellen Grün. Ihre Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, an ihren Ohren baumelten zwei große silberne Kreolen, passend dazu trug sie ebenso silberne Armreife, die aneinander klimperten, als sie die Autotür schloss. Ob sie auch nur den Hauch einer Ahnung hatte, wie gut sie aussah? Chris musste sie unbedingt fotografieren. Seit ihrem ersten Zusammentreffen überlegte er bereits, in welchen Posen und Lichtstimmungen er sie knipsen könnte. Am liebsten nach einer stürmischen Nacht, eingehüllt in meine Bettdecke.

»Guten Morgen«, sagte er, stieß sich vom Stamm der Eiche ab und nahm die zwei Becher Kaffee mit, die er auf einem Tisch neben dem Baum abgestellt hatte.

»Olà«, rief sie fröhlich zurück. Das Telefonat gestern Abend hatte die anfänglichen Schwierigkeiten komplett beseitigt. Chris hatte sich noch nie so lange – immerhin drei Stunden – und so gut mit einer Frau unterhalten. Sie hatten übers Fotografieren, über das Leben, über ihre Hoffnungen und Wünsche geplaudert. Dabei hatten sie zwar das Thema Geld vermieden, aber Chris war durchaus klar, dass Olivia aus ärmlichen Verhältnissen stammte. Vor allem, weil er noch nach dem Gespräch nach ihr gegoogelt hatte und so ihre Adresse erfuhr. Sie wohnte in den Favelas, dem Armenviertel von Barrington Cove.

Olivia blieb vor ihm stehen und lächelte. Sie roch ganz dezent nach Kokos. Er liebte es, wenn Frauen sich nicht stark parfümierten. Chris erwiderte ihr Lächeln. Für einen Moment waren sie beide wie erstarrt, weil keiner wusste, wie sie sich begrüßen sollten. Mit einer Umarmung, mit einem Kuss rechts und links auf die Wange – oder gar auf den Mund? Nein, dafür war es noch viel zu früh. Olivia steckte eine Strähne hinters Ohr, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatte, und deutete auf den Kaffee. »Es war klug von dir, heute ein dunkles Hemd anzuziehen. Falls der wieder auf dir landet, sieht man den Fleck wenigstens nicht.«

»Ja, ich bin auf alles vorbereitet.« Er reichte ihr einen Becher.

Ihre Finger streiften über seine, als sie den Becher entgegen nahm, und ein wohliger Schauer lief ihm den Rücken hinab. Chris musste sich eingestehen, dass er sich schon lange nicht mehr von einer Frau derart angezogen gefühlt hatte. Es machte ihn bereits jetzt traurig, dass sie bald wieder abreisen würden. Nach seiner Erfahrung funktionierten Beziehungen auf Distanz nie länger als ein paar Monate. Schon gar nicht, wenn es noch gar keine richtige Beziehung gab.

»Sollen wir so vorgehen, wie wir es gestern besprochen haben?«, fragte Olivia. »Wir sagen, dass Rebecca uns geschickt hat, um mit ihr Frieden zu schließen?«

»Würde ich schon sagen.«

»Was, wenn sie das nachprüft?«

»Dann werde ich mit Rebecca reden und ihr wiederum eine Geschichte auftischen. Ich biege das schon hin, aber so erfahren wir vielleicht, warum Mrs. Granger so einen Hass auf Rebecca hat.«

Sie überquerten den Parkplatz und liefen zu dem alten Herrenhaus. Es lag sehr idyllisch zwischen alten Bäumen. Der Garten zeigte hinaus aufs Meer. Dort waren etliche Bänke und Sofas aufgestellt. Einige Patienten saßen draußen, genossen die Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht oder unterhielten sich miteinander. Ein älterer Gärtner mit bereits grauen Haaren schnitt Rosenbüsche vor dem Eingang.

»Entschuldigen Sie«, sagte Chris.

Der Gärtner blickte auf, musterte die beiden von oben bis unten und wartete.

»Wir würden gerne zu Evelyn Granger, ist sie da?«

»Haben Sie einen Termin?«, fragte der Alte.

»Leider nicht.«

Der Gärtner nickte und zeigte auf einen Weg, der um das Haus herumführte. »Um diese Zeit sitzt sie meistens im hinteren Garten und spielt Schach. Einfach dem Pfad folgen.«

»Danke«, sagte Chris, griff nach Olivias Hand und umrundete mit ihr das Haus. Ihre Finger fuhren über seinen Handrücken. Es war ein angenehmes, warmes Gefühl. Daran könnte er sich gewöhnen.

»Denkst du, sie erzählt uns, was zwischen ihr und Rebecca vorgefallen ist?«

»Keine Ahnung, aber einen Versuch ist es allemal wert.«

Der Weg war nicht breit genug für zwei Personen nebeneinander, und so ließ er Olivia den Vortritt. Nicht ganz uneigennützig, denn wenn er hinter ihr lief, konnte er ihren knackigen Po bewundern. Sie erreichten den Garten, und wie der Gärtner gesagt hatte, saß eine Frau am Schachbrett und spielte mit einem älteren Mann.

»Mrs. Granger?«, fragte Chris.

Die Frau blickte auf und schob sich ihre Brille zurecht. Sie war schätzungsweise Mitte fünfzig, hatte ein rundes, freundliches Gesicht mit vielen Lachfalten. Ihre Haare hatte sie zu einem kunstvollen Zopf gebunden, bei dem einige Strähnen herausstanden. Chris fand sie auf Anhieb sympathisch.

»Ja?«, fragte sie.

»Entschuldigen Sie bitte die Störung. Das ist Olivia Young, mein Name ist Chris Archer. Wir kommen im Auftrag von Rebecca Reach.«

Das Lachen erlosch in der Sekunde, als Chris Rebeccas Namen aussprach.

»Dann könnt ihr gleich wieder gehen.«

Chris trat einen Schritt nach vorne. »Mrs. Granger, Rebecca war es sehr wichtig, dass wir mit Ihnen sprechen. Sie möchte Ihnen ein Angebot machen.«

»Warum kommt sie dann nicht persönlich, sondern sendet ihre Dienstboten?«

»Weil sie im Moment wegen der Galerie sehr viel um die Ohren hat. Sie bat uns, Ihnen eine Nachricht zukommen zu lassen.«

Mrs. Granger kniff die Augenbraue zusammen, bis sie einander fast berührten. »Ich will sie nicht hören.«

Chris ließ sich nicht beirren, er machte seit Jahren nichts anderes, als irgendwelchen Menschen irgendwelche Dinge zu erzählen, die sie eigentlich nicht hören wollten. »Rebecca möchte Ihnen ein Friedensangebot machen. Sie will die Ausstellung und den Wettbewerb nach wie vor ausrichten und fragt, ob sie es nicht doch hier bei Ihnen im Hospiz …«

Jetzt sprang Mrs. Granger vom Stuhl auf. Er kippte nach hinten um, weil sie zu viel Schwung genommen hatte. »Das ist mal wieder typisch Rebecca! Wenn sie Probleme hat, bin ich gut genug, um ihr aus der Patsche zu helfen, aber sonst schert sie sich einen Dreck um mich oder meine Arbeit.«

Chris hob die Hände, um Mrs. Granger zu beruhigen. »Natürlich ist sie daran interessiert, dass diese Ausstellung für Ihr Hospiz ein voller Erfolg wird.«

»Das hätte sie sich vorher überlegen können, statt mir in letzter Minute abzusagen!«

»Mrs. Granger«, sagte Olivia und trat nach vorne. »Wir wissen nicht, was zwischen Ihnen und Mrs. Reach vorgefallen ist und es muss offenkundig etwas Schlimmes gewesen sein, denn Sie sind ja völlig aufgelöst. Könnten wir uns vielleicht erst einmal hinsetzen und in Ruhe über alles sprechen?«

Mrs. Granger presste die Lippen aufeinander und fixierte irgendeinen Punkt hinter ihnen. Vermutlich dachte sie über ihre Optionen nach: reden oder die beiden Teenies gleich vor die Tür setzen. Sie sah wieder zurück und ihre Miene wurde ernst. »Rebecca und ich sind Geschichte. Was auch immer sie mir zu sagen hat oder was sie glaubt, für mich tun zu können, will ich nicht hören. Jetzt geht bitte.«

»Das Geld, das mit der Ausstellung eingenommen wird, würde direkt in Ihr …«, versuchte es Chris ein letztes Mal.

»Raus!«, blaffte Mrs. Granger und zeigte mit zitterndem Finger in die Richtung, aus der Chris und Olivia gekommen waren. Chris sah aus dem Augenwinkel, wie Olivia zuckte.

»Bitte, Ma’am …«

»Das ist Privatgrund«, zeterte Mrs. Granger weiter.

»Aber …«

»Lass gut sein, Chris«, sagte Olivia und zupfte von hinten an seinem Ärmel. »Reg die arme Frau nicht noch mehr auf. Komm, wir gehen.«

»Aber wir könnten …«

Sie packte seinen Unterarm. »Komm schon.«

Chris seufzte resigniert, griff in seine Hemdtasche und zog eine Visitenkarte hervor. »Falls Sie es sich anders überlegen, hier ist meine Nummer. Sie können mich Tag und Nacht anrufen.« Da Mrs. Granger keine Anstalten machte, die Karte anzunehmen, legte er sie auf den Tisch neben das Schachspiel. Er blickte kurz auf das Brett, dann wieder zu Mrs. Granger. »Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, und wenn Sie den Turm von D1 nach D8 ziehen, haben Sie gewonnen.«

Mrs. Granger starrte Chris einfach nur an, ohne auf ein Wort zu reagieren. Er drehte sich um und lief mit Olivia den gleichen Weg zurück, den sie gekommen waren.

»Die hat aber einen ganz schönen Hass auf Rebecca«, sagte er auf halber Strecke.

»Ja. Vielleicht war der Hass sogar groß genug, um einen Einbruch mit Sachbeschädigung zu begehen.«

»Glaubst du, Mrs. Granger ist für die Verwüstung in der Galerie zuständig?«

»Zumindest hatte sie rote Farbe unter den Fingernägeln.«

»Was?«

»Ich habe es gesehen, als sie uns rauskomplimentiert hat. Wobei ich sagen muss, dass sie überhaupt nicht aussieht wie jemand, der einen Einbruch begeht.«

»Leider hat sie ein sehr gutes Motiv.«

»Vielleicht können wir uns hier noch etwas umsehen«, sagte Olivia.

Auf einmal hörte Chris jemanden vor sich hin pfeifen. Der Gärtner, der vorhin die Rosen geschnitten hatte, ging auf einen Geräteschuppen zu. »Wir fragen den mal. Komm.«

Sie holten den Alten ein, als er die Tür zum Schuppen öffnete.

»Entschuldigen Sie, Mr. …«

»Edgar. Nennt mich Edgar, so wie jeder hier«, sagte der Gärtner.

»Also gut, Edgar. Hi. Das ist Chris, ich bin Olivia.«

Edgar nickte. »Habt ihr Mrs. Granger gefunden?«

»Ja. Danke. Leider habe ich vergessen, Mrs. Granger noch etwas zu fragen und möchte sie nicht noch einmal deswegen behelligen.«

Chris ließ Olivia mit dem Alten erzählen und spähte in den Geräteschuppen. Er war vollgestellt mit Werkzeugen, aber keinen Eimern mit roter Farbe.

»Wurde hier kürzlich zufällig gestrichen?«, fragte Olivia.

»Äh, nein. Warum?«

»Weil …« Sie fuhr sich durch die Haare und trat einen Schritt näher.

Sie sieht wirklich verdammt süß auf, wenn sie so mit den Augen klimpert.

»Das klingt jetzt sicher etwas merkwürdig«, fuhr sie fort. »Aber ich habe mir überlegt, meinen Großvater in diesem Hospiz anzumelden. Allerdings hasst er die Farbe Rot. Das macht ihn irgendwie aggressiv. Deshalb wäre es mir recht, wenn es hier keine roten Wände gäbe, verstehen Sie?«

»Mhm«, machte Edgar und kratzte sich am Kinn. »Wir haben hier keine roten Wände.« Er öffnete die Tür vom Geräteschuppen, hob die Gartenschere auf, mit der er die Rosen geschnitten hatte, und trat ein. Offenkundig war das Gespräch für ihn damit beendet.

»Wir hätten noch eine Frage, Edgar«, sagte Chris.

»Ach, ihr jungen Dinger. Immer so neugierig.«

»Wir wollen Sie auch nicht lange aufhalten, versprochen«, sagte Olivia.

Im Schuppen schepperte es, gefolgt von einem derben Fluch aus Edgars Mund. »Wer hat schon wieder meine Handschuhe genommen?«

»Edgar?«, fragte Olivia noch einmal.

»Ja, doch.« Er kam zurück und lehnte sich in den Türrahmen.

»Wissen Sie zufälligerweise, was zwischen Mrs. Granger und Rebecca Reach vorgefallen ist?«

»Rebecca Reach?«, fragte Edgar.

»Ja, die Galeristin. Sie wollte hier gerne eine Ausstellung vorbereiten, aber Mrs. Granger möchte das nicht.«

»Wundert mich auch nicht.«

»Inwiefern?«, fragte Chris.

»Ach, die beiden sind sich nicht mehr sehr grün. Hat etwas mit diesen Bildern von Mrs. Granger zu tun.« Edgar zog ein Tuch aus seiner Hosentasche und tupfte den Schweiß ab.

»Klären Sie uns auf?«, fragte Olivia.

»Mrs. Granger malt ganz gerne. Das ist ihr Ausgleich, sagt sie immer, und sie wollte gerne bei Mrs. Reach ausstellen, aber die meinte, die Bilder wären nicht gut genug. Außerdem unterstellte sie, dass Mrs. Granger von anderen Künstlern geklaut hätte.«

»Sie hat Plagiate erstellt?«, fragte Chris. Das war ein absolutes No-Go, obwohl es viele große Firmen machten. Sogar Hollywood klaute Bilder aus dem Internet, verfälschte diese und verwendete sie als Hintergrundfotos in den neuesten Blockbustern. Mit genug Geschick und Manipulation flog das selten auf, aber wenn es herauskam, war das der Todesstoß für den Künstler.

»Das sagte zumindest Mrs. Reach, aber Mrs. Granger stritt es ab.«

»So etwas lässt sich doch aber beweisen«, sagte Chris. Man musste nur die Bilder vergleichen.

Edgar zuckte die Schultern. »Ich kenn mich mit diesem Künstlerkram nicht aus. Am Ende hieß es, dass die Sachlage nicht eindeutig geklärt werden konnte, was weiß ich. Mrs. Granger wollte ab da auf alle Fälle nichts mehr mit der Reach zu tun haben. Ich muss jetzt aber wirklich los. Der Rasen muss gemäht werden.«

»Natürlich«, sagte Chris. »Wir wollen Sie nicht länger aufhalten. Danke für Ihre Hilfe.«

Chris legte die Hand auf Olivias Schulter und deutete zurück auf den Parkplatz. Sie gingen schweigend nebeneinander her, jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Bei Olivias Dodge blieben sie stehen.

Olivia drehte sich zum Wagen und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. »Was machen wir jetzt?«

»Ich werde mit Lucian sprechen. Mrs. Granger hat ein Motiv und sie hatte rote Farbe unter den Fingernägeln. Schätze, da spricht einiges gegen sie.«

»Ich weiß nicht. Ich habe immer noch nicht das Gefühl, dass sie dahinter steckt.«

»Tja, manchmal ist das so. Die Schuldigen wirken selten schuldig. Schaust du nie CSI?«

»Nein. Wir haben keinen Fernseher zu Hause. Mum sagt, das ist schlecht fürs Gehirn.«

Chris lächelte, zückte sein Smartphone aus der Hosentasche und warf einen Blick drauf. »Drei Anrufe von Lucian. Dabei habe ich ihm gesagt, dass ich heute früh nicht erreichbar bin.«

»Was kann er denn wollen?«

»Vermutlich ist ihm sein Kaffee ausgegangen, was weiß ich. Ich rufe ihn gleich zurück, dann kann ich ihm auch gleich die Sache mit Mrs. Granger erzählen.« Aber erst musste er sich von Olivia verabschieden, auch wenn Lucian schon im Kreis lief, weil er sich nicht zurückmeldete. Chris trat einen Schritt näher und stützte sich mit einem Arm direkt neben Olivias Schulter am Autodach ab. »Wann sehen wir uns wieder?«

»Bald, hoffe ich.«

»Darf ich dich anrufen? Ich muss erst checken, was an Arbeit auf mich wartet.«

»Klar, wenn du das nicht nur so sagst, sondern es auch machst.«

Er beugte sich nach vorne. Ein leichter Duft aus Kokos stieg in seine Nase. »Ich halte immer meine Versprechen.«

Sie wandte ihm das Gesicht zu. »Gut zu wissen.«

Er fühlte ihre Wärme, so nah an seiner Haut. Noch ein paar Zentimeter – und seine Lippen würden ihre berühren.

Sie griff nach seiner Schulter, beugte sich noch ein Stück nach vorne und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. »Bis später«, sagte sie. Dann drehte sie sich um, öffnete die Tür ihres Wagens und ließ sich auf den Fahrersitz gleiten.

Chris pustete die Luft aus – kein Kuss also – und schloss die Tür für sie.

Olivia kurbelte das Fenster herunter. Es quietschte und eierte, als würde es jede Sekunde stecken bleiben.

»Du solltest echt nicht in dieser Karre herumfahren«, sagte Chris. »Ist die überhaupt noch verkehrstauglich?«

»Klar. Diese Karre hat Leben, ein Herz und eine Seele. Um nichts in der Welt gebe ich mein Auto her.«

Sie zwinkerte ihm zu und startete den Motor. »Ruf mich an.«

»Mach ich.« Chris trat einen Schritt zurück und sah ihr nach, wie sie mit quietschenden Reifen vom Parkplatz fuhr und davonpreschte. Die Kurve vorne am Eck nahm sie so knapp, dass das Heck des Wagens ausscherte. Chris meinte ihr helles Lachen zu vernehmen, als sie davonbrauste, aber vermutlich bildete er sich das nur ein. Er schüttelte den Kopf und grinste in sich hinein, während er Lucians Nummer wählte.


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