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Auf der Gedenkfeier von Henry Snyder

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»Ach du großer Gott!«, rief Mrs. Snyder und schob sich an Mrs. Bertram vorbei zur Tür hinein. »Ach du großer Gott!«, wiederholte sie, hielt sich die Hand aufs Herz und hyperventilierte. »Henrys Filme! Wie könnt ihr es wagen?«

Ja, das fragte sich Mason auch gerade. Wie konnte Danielle nur? Er fuhr sich an die Lippen, die von dem Kuss noch glühten, und sah entschuldigend zu Mrs. Snyder

»Sein Heiligtum!«, schrie Mrs. Snyder. »Sein Ein und Alles. Was habt ihr getan?«

Mason blickte sich um. Einige der Dosen lagen auf dem Boden verstreut. Danielle bückte sich und sammelte sie wieder auf. »Ach, wie dumm. Entschuldigen Sie, Mrs. Snyder.« Rasch stapelte sie die Dosen aufeinander und gab sie Mason. »Hilfst du mir mal, sie zurückzustellen, bitte?«

Sie reichte ihm den Stapel. »Sie müssen wieder nach Datum geordnet werden, so wie sie im Regal lagen.«

Mason nahm die Filme entgegen und verstand. So würden sie die Gelegenheit haben, noch mal einen Blick auf das Datum der Filme zu werfen. Wenn der richtige dabei wäre, könnten sie den vielleicht unbemerkt einstecken und verschwinden. »Natürlich. Tut mir echt leid, Mrs. Snyder.«

Er nahm die Dosen, blickte auf das Datum, bevor er sie wieder wegstellte. Mrs. Snyder stand neben ihnen, presste die Hand auf den Mund und schüttelte den Kopf.

Nach ein paar Minuten hatten sie alles aufgeräumt. Leider war kein Film aus dem Herbst 1984 dabei. Wäre auch zu schön gewesen, dachte Mason.

»Fertig«, sagte Danielle. »Bitte entschuldigen Sie noch mal, Mrs. Snyder. Das war sehr … pietätlos von uns.«

Mrs. Snyder nickte nur. Dann fing sie wieder mit dem Kopfschütteln an. Eine dicke Träne kullerte ihre Wange hinab.

»Wir sollten gehen«, sagte Mason und griff Danielle am Arm.

Sie liefen zum Ausgang. Die anderen Gäste, die die Führung mit Mrs. Bertram gemacht hatten, warteten zum Teil im Flur oder standen beisammen und taten so, als ginge sie das alles nichts an. Alle, bis auf eine.

Mrs. Holt stürzte herbei. Ihre Augen funkelten zornig. Sie packte Danielle am Arm und zerrte sie aus dem Kino. »Komm sofort mit. Du auch, Collister!«

Danielle protestierte, doch es half nichts. Shannon schleifte ihre Tochter mit sich, wie einen Sack Kartoffeln. Mason folgte mit einigem Abstand. In der Eingangshalle gelang es Danielle schließlich, sich von ihrer Mutter zu lösen. Sie betrachtete ihren Ellbogen, der knallrot war.

»Du wirst dich ab sofort von diesem Jungen fernhalten!«, schrie Danielles Mum.

»Ich bestimme meine Freunde selbst, das sagte ich dir ja bereits«, erwiderte Danielle.

»Oh nein, junge Dame. So nicht!« Shannon packte ihre Tochter erneut und zog sie zur Ausgangstür. »Ab sofort wirst du auf unbestimmte Zeit nicht mehr zum Reiten gehen. Du hast außerdem Hausarrest.«

»Mum …«, wollte Danielle einwerfen, aber Shannon zerrte sie zur Tür hinaus. »Wenn du dich mir noch einmal widersetzt, werde ich dich zu Brandon nach Harvard schicken!« Sie verschwand mit Danielle in der Dunkelheit. Mason lief langsam hinterher und sah den beiden nach.

Es regnete mittlerweile. Mrs. Holt hielt ihre Handtasche als Schutz über den Kopf und eilte zum Wagen. Danielle blickte über ihre Schulter zurück zu Mason. Sie warf ihm einen mitleidigen Blick zu, wollte noch etwas sagen, aber ihre Mutter war derart in Rage, dass Danielle nicht mehr zu Wort kam. Eine Limousine fuhr vor. George stieg aus und hielt die Tür auf, ohne eine Miene wegen Shannons Gekeife zu verziehen. Die Schimpftiraden von Shannon Holt verstummten erst, als George die Autotüren schloss.

Und wie komme ich jetzt heim? Mason blickte dem davonfahrenden Auto hinterher und empfand Mitleid für Danielle. Sie saß echt in einem goldenen Käfig.

Mason seufzte und drehte sich zu einem der Türsteher um. »Können Sie mir vielleicht ein Taxi rufen?«

»Ich fürchte nicht, Sir, aber in der Eingangshalle ist ein Telefon, das Sie gerne benutzen dürfen. Gleich neben der Glasvitrine.«

»Danke.«

Mason lief zurück ins Haus. Es war sehr ruhig geworden. Die Gäste waren vermutlich im Kino und schauten den angekündigten Film. Vorausgesetzt Mrs. Snyder hatte sich wieder einigermaßen in den Griff bekommen. Er blickte sich kurz um und sah das Telefon. Es war einer dieser auf nostalgisch gemachten Apparate mit Wählscheibe und Kabel. Lustig. Mason nahm den Hörer in die Hand. Wie war noch gleich die Adresse dieses Schuppens? Er hätte besser aufpassen sollen, statt zu überlegen, wie die Leute hier auf ihn reagieren würden. Während er nachdachte, fiel sein Blick auf die Glasvitrine, vor der er vorhin mit Danielle gestanden hatte. Er betrachtete noch einmal voller Sehnsucht die Sportpokale und wählte die Vermittlung.

»Vermittlung, was kann ich für Sie tun?«

»Äh, Hi. Ich bin …« Und dann sah er etwas anderes, das ihm vorhin gar nicht aufgefallen war. »Hat sich erledigt, danke.« Er legte den Hörer zurück auf die Gabel und lief zur Vitrine. In der hinteren Reihe, leicht verdeckt von einem Foto und einem goldenen Pokal über einen gewonnenen Cup, lag eine Filmdose. War die schon vorhin da gewesen?

Mason blickte sich kurz um, ob ihn jemand beobachtete. Die Türsteher scherten sich nicht um ihn und starrten nach draußen, und von den anderen Gästen war ebenfalls nichts zu sehen. Er öffnete die Vitrine und zog die Filmdose heraus. »September bis Oktober 1984.« Fast hätte er sie wieder fallen lassen. »Das gibt’s ja nicht.« Rasch schob er die Dose unter sein Hemd, schloss die Vitrine und rannte hinaus in den Regen.


*

Ein MORDs-Team - Der komplette Fall Marietta King

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