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a) Verfassungs- und Verwaltungsrechtslehre
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Die Verfassungsgeprägtheit des Verwaltungsrechts ist wegen grundgesetzlicher Vorgaben ebenso unbestreitbar wie die prinzipielle Verfassungsbindung der öffentlichen Verwaltung. Verfassungsvorgaben werden insbesondere aus der Abwehr- und Schutzfunktion der Grundrechte, einschließlich der verfahrensrechtlichen Dimension, dem Rechtsstaats-, Demokratie- und Sozialstaatsprinzip, der föderalen Gliederung des Bundes sowie der Garantie kommunaler Selbstverwaltung hergeleitet.[164] Trotz der hochgradigen Konstitutionalisierung der gesamten Rechtsordnung[165] goutiert die Verwaltungsrechtswissenschaft immer weniger die schon klassische Formulierung vom Verwaltungsrecht als „konkretisiertem Verfassungsrecht“[166] und verweist auf einen Selbststand des einfachen Rechts, das über eigene Prinzipien verfüge und nicht einfach aus der Verfassung deduziert werden könne.[167] Auch wenn das Verfassungsrecht stets als Prüfungsmaßstab präsent ist, lassen sich Verwaltung und Verwaltungsrecht nicht sinnvoll als reiner Verfassungsvollzug begreifen. Da umgekehrt aus der Verwaltungswirklichkeit ständig Impulse und Herausforderungen nicht nur für das Verwaltungs-, sondern auch für das Verfassungsrecht erwachsen, kann insgesamt von einem „Verhältnis der Interdependenz“[168] gesprochen werden. Die sich ihrer innovativen Dynamik und Komplexität gewisse Verwaltungsrechtswissenschaft betont mitunter die Statik und Schlichtheit des rangstärkeren Verfassungsrechts,[169] das überdies zum Teil, wie das Beispiel des aus dem preußischen Polizeirecht hervorgegangenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zeige, als „Abstraktion des Verwaltungsrechts“ zu begreifen sei.[170] Disziplinierende Wirkung auf die Entwicklung der „Neuen Verwaltungsrechtswissenschaft“ gewinnt die verfassungsrechtliche Perspektive, wenn der „Rechtsstatus des Einzelnen“ ungeachtet der notwendigen „Perspektivenerweiterung“ den Ausgangspunkt bildet.[171] Effizienzorientierte Steuerungsmodelle finden hier eine Begrenzung.[172] Angesichts des massiven Einbruchs der Europäisierung in das nationale Verwaltungsrecht soll das geflügelte Wort „Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht“[173] aufgegeben oder jedenfalls umgedreht werden.[174] Die Verschränkung von Verfassungs- und Verwaltungsrechtswissenschaft zeigt sich auch am wissenschaftlichen Personal, das im Regelfall die Lehrbefugnis für beide Teildisziplinen des öffentlichen Rechts innehat, auf beiden Gebieten publiziert und sich unter dem gemeinsamen Dach der „Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer“ versammelt, die traditionell auch verwaltungsrechtlichen Themen eine Diskussionsplattform bietet.[175]