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I. „Geburt einer Wissenschaft vom Verwaltungsrecht“[1]
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„Verwaltungsrechtswissenschaft“ wird als solche an den juristischen Fakultäten Frankreichs nur selten unterrichtet. Um auf den Begriff zu stoßen oder gar auf eine bestimmte Vorstellung, worum es sich dabei handeln könnte, muss man schon Literatur heranziehen, die sich mit der Geschichte der Verwaltung oder des Verwaltungsrechts befasst. Die verwaltungsrechtlichen Lehrbücher hingegen sind in der Hinsicht wenig aufschlussreich. Wahrscheinlich betreiben ihre Autoren Wissenschaft, ohne es zu wissen. Wie dem auch sei, als vermeintliches Produkt juristischen Denkens kann die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht, so es sie denn gibt, als „Betätigung der Vorstellungskraft am Gegenstand des Rechts“ verstanden werden.[2] Das Ergebnis dieser Betätigung scheint heute ungewiss. Man kann zwar immer noch geneigt sein, an ein „Primat des Verwaltungsrechts“ und an eine Vorrangstellung seiner Wissenschaft zu glauben.[3] Keinesfalls aber kann man den „fundamentalen inneren Widerspruch einer Disziplin [ignorieren], die gleichzeitig Dienerin individueller Freiheit und Garant effektiver Verwaltung, Beschützerin des Bürgers gegen die Exekutive und Mittel zur Durchsetzung des Regierungswillens sein will.“[4] Wenn man dann liest, dass es „das große Verdienst des Conseil d’État [sei], die am wenigsten schlechte Lösung für dieses Problem gefunden zu haben“, ist man am Kern der Sache angelangt. In der Tat scheint die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht von Beginn an untrennbar mit dem Conseil d’État verwoben. Jedoch sollte man sich auch davor hüten, nur der Hagiograph jener Institution zu sein, deren Ursprünge in der Verfassung des Jahres VIII (1799) liegen und die vom Ersten Konsul (Napoleon Bonaparte) als wesentliches Instrument seiner Herrschaft begriffen wurde.