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- 5 - Donnerstag, 26. August

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Am darauffolgenden Abend kam Dr. Mathias Gärtner mit seiner Frau Petra gegen 21 Uhr nach Haus. Er hatte vor fünf Jahren eine Arztpraxis in Seidenbach eröffnet und da es in den umliegenden Dörfern keine weitere Praxis der Allgemeinmedizin gab, war sein Patientenkreis schnell angewachsen.

Seine Frau, die mit ihren 46 zwei Jahre älter war als ihr Mann, arbeitete halbtags in einem Frisörsalon in Stadtroda. Ansonsten kümmerte sie sich um die Abrechnungen der Arztpraxis. Sie hatten einen 17-jährigen Sohn Thomas, der in Jena bei der Firma Jenoptik den Beruf des Feinoptikers erlernte. Dorthin fuhr er täglich mit seinem Moped, wenn die Witterungsbedingungen es zuließen. Er war noch nicht da, als seine Eltern das Haus betraten.

Die Stimmung zwischen den Eheleuten war angespannt. Sie kamen gerade von Viola. Vor einem Dreivierteljahr hatte Petra mitbekommen, dass ihr Mann sich mit einer Prostituierten trifft. Darauf angesprochen, hatte er es damit begründet, Abwechslung zu brauchen und dass er somit auch mehr Spaß am Sex mit ihr, seiner Frau, hätte. Das schien zu stimmen. Petra hatte sich schon gewundert, warum der Sex mit ihm auf einmal abwechslungsreicher geworden war. Das lag an Viola.

Eines Tages hatte Petra ihren Mann gefragt, ob er sie nicht mal zu dieser Prostituierten mitnehmen wolle. Da sie seinen Wunsch kannte, es einmal mit zwei Frauen zu tun, musste sie ihn nicht lange überzeugen, Viola zu fragen. Obwohl sich Petra immer dagegen gesträubt hatte, wollte sie es wenigsten versuchen, ihm den Wunsch zu erfüllen und gleichzeitig Viola kennen lernen. Diese war einverstanden gewesen und schon beim ersten Treffen zu dritt hatte Petra zu ihrer eigenen Überraschung gespürt, dass sie etwas für diese Frau empfand. Sie entdeckte Gefühle, die sie bis dahin nicht kannte. Anfangs hatte ihr das Angst gemacht. Sie hätte nie im Leben geglaubt, etwas für eine Frau empfinden zu können, das über Freundschaft hinausging. Irgendwann gab sie sich diesen Gefühlen hin und es dauerte nicht lange, bis sie ab und zu auch allein zu Viola ging. Davon wusste Mathias allerdings nichts. Mit der Zeit gefiel es ihr bei Viola ohne ihren Mann sogar besser.

„Wir werden nicht mehr zu Viola gehen“, sagte sie, nachdem die beiden stillschweigend gegessen hatten und nun bei einem Glas Rotwein im Wintergarten saßen.

Er schaute sie erstaunt an. „Warum nicht? Was hast du auf einmal gegen sie?“

„Ich habe nichts gegen sie. Ich habe nur dagegen etwas, wie du uns unterschiedlich behandelst. Du kümmerst dich in letzter Zeit nur um sie. Manchmal weiß ich nicht, warum ich überhaupt dabei bin. Nur Zuschauen befriedigt mich nicht. Ich habe keine Lust mehr, das fünfte Rad am Wagen zu sein.“

„Du musst ja nicht mitkommen.“ Er nahm die Weinflasche und schenkte sich nach. Dann schaute er sie an. „Vielleicht sollte ich wieder mal allein zu ihr gehen. Was hältst du davon?“

„Wenn du das tust, besuche ich sie auch allein.“

Er lachte. Es war ein abfälliges Lachen. „Sie steht auf Männer, Petra. Nur weil ich ein guter Kunde bin, erlaubt sie dir, dabei zu sein. Sie wird niemals eine Frau empfangen, die allein zu ihr kommt, weder dich noch eine andere.“

Petra krallte ihre Finger in die Armlehnen des schwarzen Fernsehsessels. Zornesröte verfärbte ihr Gesicht. Sie konnte sich kaum zügeln ihm ins Gesicht zu schreien, wie oft sie schon allein bei Viola war. Aber sie beherrschte sich. Was wusste er von Viola? Nichts. Petra hatte bemerkt, dass Viola ihre Besuche angenehm empfand und selbst nach dem nächsten Termin fragte. Sie machte für Petra immer einen Sonderpreis oder verzichtete ganz auf eine Bezahlung.

Was würde es bringen, wenn ihr Mann davon erführe? Nur Ärger. Sollte er ruhig weiterhin glauben, dass Viola sich ausschließlich für Männer interessierte. Sie wusste es besser.

Als die bedrückende Stille unerträglich wurde, unterbrach Mathias diese: „Lass uns morgen noch mal drüber reden. Ich bin erschöpft und gehe ins Bett. Gute Nacht Schatz.“ Er stand auf, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und ging ins Bad.

Na klar, dachte sie, du bist erschöpft. Kein Wunder. Du bist ja heute dreimal gekommen und ich?

Vielleicht sollte er wirklich wieder allein zu ihr gehen und sie würde es auch tun. Sie nahm sich vor, Viola nach ihrer Meinung zu fragen. Dann goss sie sich noch ein Glas Rotwein ein und schaltete den Fernseher an.

Das ehrbare Dorf

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