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On the Road Again – Willie Nelson

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Es war nachtschwarz. Charly hielt sich die gespreizten Finger der linken Hand vor die Augen, die andere glitt suchend über das kühle Laken außerhalb ihres kuscheligen Nestes aus Kissen und Decken. ‚Wo ist das Handy abgeblieben?’, tauchte als konkreter Gedanke aus ihrer diffusen Traumschwere auf. Noch während sie ihre Hand zu erkennen suchte, ahnte sie die Veränderung. Die Dunkelheit hatte jenen seltsam fahlen Schein angenommen, der die Morgendämmerung ankündigt.

Das Handy zeigte kurz vor vier.

***

Samstag, 16. Mai 2015, zeigten weiß leuchtende Ziffern auf dem Display vor dem knallroten Lack eines Motorradtankes im Hintergrund.

‚Ich brauche nicht zur Arbeit, könnte noch ein paar Stunden schlafen.’ Charly schwang die Beine aus dem Bett. Ohne Licht tappte sie barfuß hinunter in die Küche, schaltete die Kaffeemaschine ein und ging weiter ins Bad. Zehn Minuten später stand sie in ihrer Kombi an die Spüle gelehnt und drehte die halb volle Tasse in den Händen. Der intensive Geruch nach Leder mischte sich mit dem des Kaffees. Sinnierend blickte sie in die schwarze Flüssigkeit. ‚Wohin?’, überlegte sie. ‚In die Fränkische? Oder doch rauf nach Thüringen? Die Alpen wären schön, aber das lohnt sich wirklich nicht für zwei Tage, selbst, wenn ich vor fünf losfahre.’

Die Gedanken an die nötigen Aufgaben in Haus und Garten schob sie schuldbewusst beiseite. „Dieser Sommer steht im Zeichen von 110 Pferden“, sagte sie laut. ‚Das habe ich mir versprochen’, setzte sie, in Gedanken nur, hinzu.

Sie hob die Tasse an den Mund, trank und krauste ablehnend die Nase. Zu neu, zu steif war das Leder. Passend zum Motorrad hatte sie sich im vergangenen September das edle Stück geleistet, und während die Maschine durch den trockenen Winter bereits eine beeindruckende Zahl an Kilometern auf der Uhr hatte, war die dünne Sommerkombi kaum über eine Handvoll Ausritte hinaus gekommen. ‚Sie werden mich für einen Schönwetterfahrer halten’, schmunzelte sie. ‚Was soll’s. Den Irrtum merken sie früh genug.’ Achselzuckend stellte sie die Tasse in die Spüle.

Im Flur griff sie Tankrucksack und Helm vom Sideboard, trat aus dem Haus und ließ die Tür hinter sich zufallen. Vorfreude ließ ihr Herz schneller schlagen. Geräuschlos drehte der Schlüssel im Schloss und sie lächelte. Ihr Häuschen und das dazugehörige Grundstück waren zwar alt und malerisch verwittert und verwildert anzusehen, aber gut in Schuss. „Handwerklich macht mir keiner etwas vor“, sagte sie halblaut.

„Mrr-rrh-rrrrr“ – Ein dunkler Schatten strich durch die Rhododendren und umschmeichelte ihre Beine, dann irrlichterte Amadeus' weiße Schwanzspitze auf dem Weg zum Carport gespenstisch vor ihr her. Sie bezähmte den Drang, sofort in den Sattel zu steigen, hängte den Helm an den Spiegel und deponierte den Tankrucksack auf dem Sitz. Auf einem schmalen Trampelpfad umrundete sie das Haus.

An der Koppel brummelte ihr Napoleon, der große Braune, leise entgegen. Er stand als Einziger und wachte über den Schlaf seiner kleinen Herde, der beiden Esel und Mini-Pony Fred. Sie störte die Tiere nicht, kontrollierte Tränke und Taktgeber für den Weidedraht und schrieb eine Notiz ins Stallbuch. Peter, ihr Nachbar und seit kurzem pensioniert, schaute täglich hinein. So konnte sie kommen und gehen, wie es ihr beliebte, ohne ihn stören zu müssen, und er wusste trotzdem Bescheid, ein Auge auf Haus und Tiere zu haben. Nicht, dass es nötig war; die Pferde lebten ganzjährig im Offenstall und kamen problemlos zwei Tage ohne sie aus, aber es war beruhigend zu wissen.

Mit einem letzten prüfenden Blick über die Koppel ging sie zum Trampelpfad zurück. Amadeus war verschwunden. ‚Vermutlich hat er es sich auf dem Sims des Ostfensters bequem gemacht’, dachte sie und konnte der Versuchung nicht widerstehen. Sie schwenkte um den Fliederbusch.

Da saß er, blinzelte sie aus grünen Augen an und wartete bereits auf die Sonne. Bis zum Abend würde er sie an verschiedenen Lieblingsplätzen am Haus und im Garten ausgiebig genossen haben. Noch aber war sie nicht aufgegangen, obwohl es merklich heller geworden war.

Auch in den Tiefen des Carports schälten sich langsam die Konturen der Zweiräder aus dem Dunkel. „Vier sind drei zu viel. Eigentlich“, murmelte sie und rangierte ein gedrungenes Motorrad auf den Weg. Es schimmerte edel, auch wenn die Farben noch den düsteren Schatten der Nacht vorbehalten blieben. Kurz darauf bog sie auf die Straße gen Norden.

Charlys Sommer

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