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Pothos: die Sehnsucht, bis zum Äußersten zu gehen (327–324 v. Chr.)

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Nachdem er den östlichen Iran, Afghanistan und Baktrien durchquert hatte, lotete Alexander 327 und 326 v. Chr. seine Grenzen aus – mit dem Versuch, die als uneinnehmbar geltende Festung von Aornos auf dem Pir-Sar in Pakistan zu erobern. Selbst seinem Vorfahren Herakles war es, so der Mythos, nicht gelungen, sie einzunehmen (von den Herausforderungen, denen der Heros sich stellte, lag diese am weitesten im Osten). Antike Autoren beteuern, dass Alexander von pothos (Sehnsucht) bis ans Ende der Welt getrieben wurde. Auch andere Griechen stellten sich, von pothos angetrieben, bislang nicht gemeisterten Herausforderungen und erforschten das Unbekannte. Während Alexander versuchte, den östlichen Ozean zu erreichen, erkundete einer seiner Zeitgenossen, Pytheas von Massalia (heute Marseille), den Ozean jenseits der Säulen des Herakles, also westlich von Gibraltar. Doch hatte Alexanders pothos unmittelbaren und nachhaltigen Einfluss auf seine Zeitgenossen.

Nachdem er die Festung von Aornos eingenommen hatte, lenkte Alexander seinen Feldzug nach Indien – in dem Verlangen, den östlichen Ozean zu erreichen. Das Unternehmen war nicht nur von Neugierde allein getrieben. Als König von Asien hatte er die Ideologie orientalischer Monarchen übernommen, was bedeutete, dass er es nicht dulden konnte, wenn andere Herrscher seine Autorität nicht anerkannten. Der Feldzug nach Indien mag auch Forschungscharakter gehabt haben, er war jedoch in erster Linie eine Militärkampagne zur Etablierung einer Herrschaft, deren Grenzen nur mit dem Ende der bewohnbaren Welt zusammenfallen konnten.

Als er den Indus überquert hatte, besiegte Alexander im Juni 326 v. Chr. Poros, den König des Punjab; er ernannte ihn daraufhin zum Statthalter dieses Gebiets und gründete zwei neue Städte an gegenüberliegenden Ufern des Hydaspes. Es handelt sich hier um die einzigen von Alexander gegründeten Städte, die nicht seinen Namen tragen: Die eine nannte er Boukephala, zu Ehren seines Pferdes Boukephalos, das in der Schlacht gegen Poros getötet worden war, die andere Nikaia (Stadt des Sieges, das heutige Mong), um seinen Erfolg zu verewigen. Alexander konnte nicht wissen, dass dies sein letzter militärischer Sieg sein sollte.

Als Alexander versuchte, seinen Feldzug in Indien fortzusetzen, wurde er von der Natur besiegt. Die Soldaten, die durch die Entbehrungen erschöpft waren und permanent gegen Stürme ankämpfen mussten, die durch die Monsunwinde verursacht wurden, weigerten sich am Fluss Hyphasis (Beas), weiterzumarschieren. Diese Meuterei zwang Alexander dazu, seinen Feldzug zu unterbrechen und nach Persien zurückzukehren. Ein Opfer an Poseidon im Meer vor der Küste des Indusdeltas bei Patala (s. Karte 2) markierte das Ende des Feldzugs. Ein Teil des Heeres kehrte mit einer Flotte unter dem Kommando von Alexanders Jugendfreund Nearchos in den Iran zurück. Nearchos hatte Befehl, von Indien aus in den Persischen Golf zu segeln. Seine Beschreibung dieser Reise war reich an Informationen über Geographie, Flora, Fauna und Klima, und sie hat sich indirekt in Arrians Indike erhalten, die im 2. Jahrhundert n. Chr. verfasst wurde. Aus unbekannten Gründen – wollte er sich einer weiteren Herausforderung stellen oder seine Truppen für ihre Meuterei bestrafen? – führte Alexander seine Armee von über 30.000 Mann auf einer äußerst schwierigen Route durch die Gedrosische Wüste zurück. Mindestens 20.000 Männer hatten auf diesem Marsch ihr Leben gelassen, als Alexander zwei Monate später in Pura ankam; nach weiteren vier Monaten, im März 324 v. Chr., erreichte er Susa. Er war 31 Jahre alt, unbesiegt und der absolute Herrscher des größten Reiches, das die Menschheit je gesehen hatte. Als Vergleichsmaßstab hatte er sich nicht Menschen, sondern Götter und Helden aus dem Mythos – Dionysos und Herakles – gewählt, und er hatte sie übertroffen.

Wenn wir den Quellen Glauben schenken, hatte Alexander auf seinen Feldzügen stets einen Dolch und ein Exemplar der Ilias unter seinem Kopfkissen. Wir werden nie erfahren, ob er auch ein Exemplar der Odyssee besaß. Das ist jedoch unwahrscheinlich. Das Thema der Odyssee ist nostos, die Sehnsucht nach Heimkehr, und Alexander zeigte keinerlei Verlangen, jemals nach Makedonien zurückzukehren. Der Stoff der Ilias war mehr nach seinem Geschmack. Dieses Epos behandelt den Zorn (menis) des Achilles, eines Mannes, dessen Ehre verletzt worden war. Der Held des Epos begreift, dass die einzige den Menschen gegebene Form der Unsterblichkeit jene ist, die durch kleos aphthiton (unsterblichen Ruhm) erlangt wird. Seit seiner Kindheit hatte sich Alexander Achilles zum Vorbild genommen; er hatte sogar den Beginn seines Feldzugs in Asien als Tribut an diesen homerischen Helden inszeniert. Wenn Alexander seiner Nachahmung des Achilles treu bleiben wollte, musste er die Person verlieren, die ihm am nächsten stand, wie Achilles Patroklos verloren hatte. Und auch er selbst musste jung sterben. In dieser Hinsicht sollte Alexander nicht enttäuscht werden.

Die Öffnung der Welt

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