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Unsterblichkeit (324/323 v. Chr.)

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In der epischen Dichtung ist kein Platz für administrative Dinge; im echten Leben aber ziehen sich Eroberer für gewöhnlich nicht zurück, um die Annehmlichkeiten des Friedens zu genießen. Alexander hatte erobert; nun musste er herrschen. Die Folgen seines ausgedehnten Aufenthalts in Zentralasien traten offen zutage, als er nach Persien zurückkehrte: Korruption, Furcht vor Aufständen, Gefahren für den Zusammenhalt des Reiches. Den härtesten Schlag hatte ihm sein oberster Schatzmeister, Harpalos, versetzt, als er sich aus Angst vor einer Bestrafung für die schlechte Verwaltung der königlichen Finanzen Anfang des Jahres 324 v. Chr. mit einem Großteil der Staatskasse nach Griechenland absetzte. Alexanders Feinde hätten dieses Geld nun zur Bezahlung von Söldnern verwenden können.

Griechenland hatte Alexander lange Zeit vernachlässigt, weshalb er nun seine Präsenz dort auf radikale Weise spürbar werden ließ: Per Dekret befahl er den griechischen Städten, die Rückkehr ihrer Verbannten zu akzeptieren – Menschen, die ihre Stadt im Lauf von Bürgerkriegen, oder weil sie ihre Schulden nicht bezahlt hatten, hatten verlassen müssen. Wenn Alexander darauf abgezielt hatte, die Unterstützung der Verbannten zu gewinnen, ist ihm das mit Sicherheit gelungen. Als das Dekret bei den Olympischen Spielen 324 v. Chr. verkündet wurde, wurde es von Tausenden von Verbannten freudig begrüßt. Wenn er darauf abgezielt hatte, seine Macht zur Geltung zu bringen, ist ihm auch das gelungen, doch reagierten die Städte mit Aufruhr. Die Rückkehr von Verbannten wirkte sich auf die Zusammensetzung der Bürgerschaft aus; es war ein radikaler Eingriff in die Autonomie einer griechischen Stadt, die Alexander als hegemon des Hellenenbundes eigentlich zu respektieren hatte. Die griechischen Städte sahen sich mit einem Dilemma konfrontiert, das die Beziehungen zwischen poleis und Königen noch in den folgenden Jahrhunderten bestimmen sollte: Wenn sie sich dazu entschieden, ihre Unabhängigkeit zu verteidigen, riskierten sie einen Krieg gegen einen unermesslich stärkeren König.

Auch in der Vergangenheit waren Alexanders Entscheidungen oft auf Widerstand gestoßen, doch war dies nichts im Vergleich zu der Krise, mit der er kurz nach seiner Ankunft in Persien konfrontiert wurde. Er beschloss, 10.000 makedonische Soldaten, die in den letzten zehn Jahren für ihn gekämpft hatten, zu entlassen und zurück nach Griechenland zu schicken. Als die Soldaten Widerstand leisteten, beendete Alexander eine Meuterei in Opis, indem er die Anführer hinrichten und die Truppen durch Iraner ersetzen ließ. Krateros, einer seiner Generäle, sollte die Veteranen nach Griechenland führen; die verbleibenden makedonischen Soldaten, insgesamt nicht mehr als 6000, schworen Alexander zusammen mit den iranischen Truppen einen Treueeid. Diese Veränderung in der Zusammensetzung der Armee, einem Grundpfeiler seiner monarchischen Macht, spiegelt die Umwandlung von Alexanders Herrschaft wider: Er wurde vom König der Makedonen zum König von Asien.

Just in dieser Krisenzeit wurde Alexander von den griechischen Städten die größte vorstellbare Ehre zuteil: Er wurde kultisch behandelt, als wäre er ein Gott. Aber hatte Alexander danach verlangt? Das ist fraglich, doch die Städte wussten sicherlich, dass er diese Ehre begrüßen würde. Traditionell war die Beziehung zwischen den Menschen und den Göttern vom Prinzip der Gegenseitigkeit gekennzeichnet. Die Sterblichen zeigten durch Rituale – Opfer, Weihungen und Gebete –, dass sie die Existenz und Macht der Götter anerkannten, solange sie Manifestationen göttlicher Macht erlebten. Diese Gegenseitigkeit muss es gewesen sein, die einige griechische Städte dazu veranlasste, Alexander auf ritueller Ebene auf die gleiche Art und Weise zu behandeln wie ihre Götter, indem sie heilige Gesandte mit Kränzen auf ihren Häuptern zu ihm schickten, ihm Opfer darbrachten und ihre Anliegen an ihn herantrugen. Ohne dass er ein Gott war oder zu einem werden würde, wurde Alexander mit den Göttern auf eine Stufe gestellt, da ja auch seine Leistungen jegliches menschliche Maß übertrafen.

Wie die Menschen, so sind auch die Götter gegenüber dem Schicksal machtlos, und Alexander war da keine Ausnahme. Im Herbst 324 v. Chr. starb Hephaistion, Alexanders Kindheitsgefährte, engster Freund und Liebhaber – es handelte sich um eine homoerotische Beziehung, wie sie für die griechische Gesellschaft der archaischen Zeit typisch war. Alexander trauerte um Hephaistion nicht weniger, als Achilles um Patroklos getrauert hatte. Er ließ ein monumentales Grabmal errichten, und in Makedonien wurde Hephaistion als Heros verehrt.

Hephaistions Tod verzögerte die Vorbereitungen für den nächsten Schritt des ruhelosen Königs: die Erforschung und Eroberung der Arabischen Halbinsel. Dieses Vorhaben wurzelte in erster Linie in Alexanders Wunsch, die Eroberung der gesamten Welt abzuschließen, war jedoch auch von strategischen Überlegungen geleitet: Er brauchte Arabien als Bindeglied zwischen den beiden Enden seines Reiches, Ägypten und Indien. Er ließ eine neue Flotte bauen, in Babylon einen größeren Hafen anlegen und die Kanäle in Mesopotamien verbessern. Kurz vor Beginn des neuen Feldzugs zeigten sich bei Alexander Krankheitssymptome, die er selbst zunächst nicht ernst nahm. Geschwächt durch Wunden, übermäßige Anstrengungen, Erschöpfung und den Tod von Hephaistion starb er am 10. Juni 323 v. Chr., noch vor Vollendung seines 33. Lebensjahrs. Wahrscheinlich wird die Kontroverse um die Ursache seines Todes – Malaria, eine andere Krankheit oder Gift – nie geklärt werden. Alexander hatte letzten Endes die einzige Form der Unsterblichkeit erreicht, an der Menschen Anteil haben: kleos aphthiton.

Die Öffnung der Welt

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