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Sizilische Abenteuer
ОглавлениеDie griechisch kolonisierten Gebiete im Westen (Süditalien und Sizilien) und im Norden (die West- und Nordküste des Schwarzen Meeres) wurden von den Diadochenkriegen nur indirekt beeinträchtigt. Die politischen Ereignisse in Sizilien sind ein aufschlussreiches Beispiel dafür, wie sich Ost und West parallel entwickelten (s. Karte 4). Zwar waren die Griechen in Italien und Sizilien in Stadtstaaten organisiert, aber sie blickten auf eine lange Tradition autokratischer Tyrannenherrschaft zurück. Immer wieder nutzten ehrgeizige Männer Krisensituationen zu ihrem Vorteil, um ihre eigene Herrschaft zu etablieren. An Gelegenheiten mangelte es nicht, denn es gab drei Probleme: Die Karthager strebten danach, auf Kosten der Griechen ihren Einflussbereich auf Sizilien zu erweitern; nicht-griechische Völker in Italien stellten eine Bedrohung dar (Bruttier, Lukaner, Mamertiner). Und es gab politische Konflikte zwischen den Anhängern der Demokratie und oligarchischen Gruppierungen.
Parallel zu den Diadochenkriegen entspann sich in Sizilien ein ähnlicher Kampf um persönliche Herrschaft. 322 v. Chr. erreichte die politische Krise in der größten Stadt Siziliens, Syrakus, ihren dramatischen Höhepunkt. Ein Bürgerkrieg zwischen den Demokraten und den Oligarchen bedrohte die Autonomie der Stadt in ihrem Kern, denn die Oligarchen baten Syrakus’ schlimmsten Feind um Hilfe: die Karthager. 319/318 v. Chr. gelang es dem Anführer der radikalen Demokraten, Agathokles – ein gerissener Stratege und populistischer Staatsmann –, sich die Unterstützung der Mehrheit der Bürger zu sichern, indem er versprach, die Spaltung zu beenden und die politischen Institutionen zu schützen. Die Volksversammlung wählte ihn zum General, ein traditionelles Amt, fügte jedoch seinem Titel die Bezeichnung „Beschützer des Friedens“ hinzu. Titeln, die einen an die Orwell’schen Ministerien für Wahrheit, Frieden und Überfluss erinnern, sollte man niemals trauen. Agathokles legte seine Rolle als „Beschützer des Friedens“ recht merkwürdig aus: Er ließ 4000 Gegner ermorden; weitere 6000 flohen nach Akragas (heute Agrigent). Mit der Behauptung, er wünsche, wieder das Leben eines Privatmanns zu führen, leitete er 317 v. Chr. lediglich seine Wahl in ein weiteres außerordentliches Amt ein: Er wurde General mit unbegrenzten Vollmachten (strategos autokrator), dem die „Fürsorge für die Stadt“ (epimeleia tes poleos) oblag. Mittels populistischer Methoden – Schuldenerlass und Landschenkungen für die Armen – gewann er die öffentliche Unterstützung, die er für seine autokratische Herrschaft benötigte. 314 v. Chr. erkannten Akragas, Gela und Messana die Hegemonie Syrakus’ an; andere sizilische Städte gründeten jedoch ein Bündnis gegen die syrakusische Vorherrschaft. Mit der Unterstützung Karthagos, das erfolgreich eine divide et impera-Politik betrieb, belagerten die Syrakus-Feinde die Stadt. Agathokles reagierte auf diese Bedrohung, indem er Karthago angriff und die Karthager zwang, ihre Armee 310 v. Chr. von Syrakus abzuziehen.
In Nordafrika verfolgte Agathokles den Traum, sich ein kleines Reich aufzubauen, inspiriert von Alexanders Eroberungen. Kyrene, die größte griechische Kolonie in Libyen, wurde von dem Makedonen Ophellas, einem engen Freund Alexanders, regiert. Kurz nach seiner Ankunft 308 v. Chr. ließ Agathokles Ophellas töten und übernahm seine Armee. Diese afrikanische Expedition blieb letzten Endes aber ohne Erfolg, da die karthagische Flotte überlegen war und die beiden Söhne des Agathokles von dessen eigenen Söldnern getötet wurden. Agathokles bewahrte jedoch seine Macht in Sizilien und schloss 306 v. Chr. ein Friedensabkommen mit Karthago, das ihn zum Alleinherrscher der griechischen Gebiete Siziliens machte. Dem Beispiel der Diadochen folgend, nahm er 304 v. Chr. den Königstitel an, schlug Münzen mit seinem Porträt und knüpfte durch seine Heirat mit einer der Töchter von Ptolemaios I. Beziehungen zu den anderen hellenistischen Königen. Der rastlose Herrscher erweiterte seinen Einflussbereich über Sizilien hinaus, indem er den griechischen Städten Süditaliens gegen die Barbaren aus der Umgebung Beistand leistete und indem er Korkyra (Korfu) besetzte. Agathokles war gerade dabei, Vorbereitungen für einen neuen Einmarsch in Afrika zu treffen, als er 289 oder 288 v. Chr. verstarb.
Agathokles’ „Karriere“ hatte bei einem Bürgerkrieg in einer sizilischen Stadt begonnen, doch im Lauf von drei Jahrzehnten hatten ihn seine Abenteuer nach Nordafrika gebracht, und seine politischen Beziehungen erstreckten sich von Ägypten bis nach Süditalien und von Makedonien bis nach Sizilien. Wie Alexander nahm er einen traditionellen barbarischen Feind der Griechen, Karthago, ins Visier und trug den Krieg zum ersten Mal in dessen Territorium. Er verwendete dieselben Taktiken wie die Könige seiner Zeit – Krieg, dynastische Heiraten, Bündnisse, Verrat und Mord – und setzte seinem Ehrgeiz dabei zu keinem Zeitpunkt geographische Grenzen. Zwar gelang es ihm nicht, eine Dynastie zu begründen, aber er machte die westlichen Griechen mit der Vorstellung vertraut, dass sie als Vorkämpfer gegen ihre barbarischen Feinde – Rom und Karthago – einen Monarchen benötigten. Ein neuer Vorkämpfer trat in Gestalt des Pyrrhus von Epirus auf den Plan.