Читать книгу Duftapotheke Bundle. Bände 1-3 - Anna Ruhe - Страница 11
Оглавление3. Kapitel
Am nächsten Tag machten wir uns daran, die Berge von Umzugskisten auszuräumen und die Villa Evie in etwas zu verwandeln, was grob an unser Zuhause erinnerte. Aber jedes Mal wenn ich endlich eine Kiste ausgeräumt und für all die Dinge darin einen neuen Platz in den Schränken und Regalen gefunden hatte, stand nur die nächste Kiste vor mir und alles fing wieder von vorn an.
Ding-Di-Dong!
Oh Mann. Schon seit Stunden schrillte die Türklingel und irgendein neuer Nachbar stand vor unserer Haustür. Wer war es wohl diesmal? Ich öffnete die Tür und schaute in das Gesicht einer Frau, die freudestrahlend einen Gugelhupf vor sich hielt. »Ja bitte?«
»Einen schönen guten Tag«, trällerte sie. Hinter mir kam Ma an die Tür. Zum Glück.
»Ich wollte Ihnen ganz herzlich zum Einzug gratulieren!« Die fremde Frau drückte Ma den Kuchen in die Hand und reckte ihren Kopf in unseren Flur hinein. Offensichtlich versuchte sie, mit einem Blick so viel wie möglich von der Villa Evie in sich hineinzusaugen.
»Ich bin Silvia Norman von schräg gegenüber, das gelbe Haus.« Sie zeigte hinter sich auf irgendeins der Häuser, aber jetzt, da Ma da war, nutzte ich die Chance, mich schnell wieder zurück zu den Kisten zu schleichen. Benno war nämlich gerade damit beschäftigt, zwischen den Kartons herumzutoben, und schaffte es, unser Durcheinander in ein noch größeres Chaos zu verwandeln.
Plötzlich kam mir eine Idee.
»Wollen wir Entdecker spielen?«, schlug ich Benno vor, um ihn davon abzuhalten, alles noch kurz und klein zu treten. Und weil ich so vielleicht endlich herausfinden konnte, woher diese seltsamen Düfte kamen, die sich über jeden Zentimeter des Hauses gelegt hatten. Ob sie irgendetwas mit den Geheimnissen zu tun hatten? Mir ging einfach nicht aus dem Kopf, wie Hanne darüber gesprochen hatte. Sie hatte ihre Stimme gedämpft, wie jemand, der einem etwas Verbotenes erzählt.
»Hausentdecker?«
»Au ja!« Benno war sofort Feuer und Flamme.
»Dann los!« Ich verstellte meine Stimme, damit sie tief und schaurig klang. »Heute suchen und entdecken wir den geheimen Schatz der Villa Evie!«
»Jaaa!« Benno hüpfte vor lauter Aufregung über ein neues Spiel hoch und runter.
»Also gut.« Ich winkte ihn vom Flur durch die Küche. »Unsere Hausentdeckertour startet im Erdgeschoss!«
Hinter der Küche lag das frühere Esszimmer. In Zukunft würde hier aber kein Esszimmer mehr sein, sondern Mas Arbeitszimmer. An den Wänden stapelten sich schon die endlosen Bücher und Aktenordner zum Thema Epochen, historische Stilelemente und anderem alten Dekokram.
Ma freute sich riesig auf ihr erstes eigenes Büro und begrub den Esstisch unter ihren Pinseln, Schabern und Lappen. Ein ganzes Esszimmer brauchten wir eh nicht und wir vier an einem so langen Tisch beim Abendessen? Das konnte ich mir sowieso nicht vorstellen. Wir aßen zwar immer gemeinsam, darauf bestand besonders Pa, aber es war jedes Mal laut und wuselig und das ging am besten an unserem kleinen, runden Tisch. Pa hatte ihn in der Küche aufgebaut und genau da gehörte er auch hin. Manche Dinge durften sich einfach nicht verändern, weil sie einem dieses besondere Zuhausegefühl gaben.
Ich zog Benno weiter in die Diele, die uns an der Treppe vorbei in den Salon führte. Der Raum war so groß wie drei normale Wohnzimmer zusammen. Unsere kleine Couch mit den zwei Sesseln wirkte hier drin wie eine Puppenhauseinrichtung.
Eine Schiebetür aus buntem Glas führte in die Bibliothek. Alles in diesem Raum war aus Holz. Die Wände, die geschnitzten Bücherregale und das Parket. Selbst die Decke war mit quadratischen Holzplatten verkleidet. Bücher über Bücher reihten sich hier aneinander. Die Bibliothek hatten meine Eltern, genau wie ein paar andere Räume, mitsamt der ganzen Einrichtung gekauft. Ich strich mit den Fingern über ein paar der ledernen Buchrücken. Die meisten Titel waren aus goldenen Buchstaben gedruckt worden und auf fast allen stand etwas, das mit Pflanzenkunde, Aromen oder Düften im Allgemeinen zu tun hatte. Ich wischte mir den Staub von den Händen. Die Villa Evie war echt eine Reise in die Vergangenheit.
Zwischen zwei Lesesesseln stand ein alter Globus und mittig im Raum führte eine gusseiserne Wendeltreppe ins zweite Stockwerk. Benno interessierte sich nur für die Weltkugel, die fast so hoch war wie er selbst.
»Guck mal, Luzie!«, rief er. »Eine Riesenkugel mit Beinen.«
Ich lachte und ging zu Benno hinüber. »Das ist ein Globus und er steckt in einem Ständer.«
»Was ist ein Glubos?«
»Globus nennt man das Ding und es zeigt unseren Planeten in miniklein.«
»Aber die Kugel ist nicht mini, sondern fast so groß wie ich!«, protestierte Benno.
»Stimmt! Aber wenn unsere Weltkugel so groß wäre wie du, dann könnten wir auf der Erde keine Häuser bauen. Und darauf herumlaufen könnten wir auch nicht.«
Benno drehte ratlos am Globus und ich versuchte, ihm zu zeigen, wo wir uns darauf befanden. Nur leider war das unmöglich. Der Globus war nämlich gar keine Miniaturweltkugel, sondern etwas völlig anderes. Es waren überhaupt keine Kontinente darauf eingezeichnet, sondern etwas, das aussah wie ein Grundriss aus Pflanzenbeeten.
Was war das denn? So etwas hatte ich ja noch nie gesehen! Einige Pflanzen waren als Symbole auf der Kugel hervorgehoben. Ich versuchte, die Zeichnungen zu verstehen, aber Benno fand die komische Kugel dann doch langweilig und sprang die Stufen der Wendeltreppe hinauf.
»Komm!«, rief er, also folgte ich ihm. Gemeinsam klirrten wir beim Besteigen der metallenen Treppenstufen um die Wette.
Im ersten Stockwerk hatten wir doppelt so viel Platz. Hanne bewohnte ja nur das halbe Erdgeschoss, der erste Stock gehörte komplett zu unserem Teil der Wohnung.
Ich hatte keinen richtigen Überblick über die vielen verwinkelten Zimmer. Bei der Hausbesichtigung hatte Hanne uns hauptsächlich die »hübschen Details« der Villa gezeigt, wie sie es nannte: einen Speiseaufzug, verschnörkelte Türklinken, geschnitzte Blumen und Blüten auf allem, was aus Holz bestand, eine runde Badewanne, die auf vier silbernen Löwenfüßen stand, und so weiter und so fort.
Ich überlegte, wo der Speiseaufzug noch mal gewesen war, vielleicht passten Benno und ich ja hinein und konnten dann damit aus Spaß ein bisschen Fahrstuhl fahren?
Wieder schrillte die Türglocke.
»Das ist das Erste, was hier repariert werden muss!«, meckerte Pa durch den Flur. »Davon kriegt man ja einen Hörsturz.«
Benno lugte durch das Treppengeländer nach unten. »Wer ist daaaa?«
»Ein Junge von nebenan. Er sagt, er heißt Mats!«, rief Pa zurück.
Ich stockte. Wieso war der denn hier? Hatte Leon wirklich recht gehabt und Mats wollte jetzt von mir durch die Villa Evie geführt werden?
»Komm doch rein!«, trällerte Pa im nächsten Moment. »Luzie freut sich bestimmt, wenn sie hier so schnell Anschluss findet. Sie tut sich ja immer etwas schwer damit. Sie ist nämlich etwas schüch…«
»Hör auf!«, rief ich, so laut ich konnte, und beeilte mich, nach unten zu kommen, damit Pa mich nicht noch mehr blamierte. Das war nämlich neben der Musik sein zweites Spezialgebiet. Darin war er sogar einsame Spitzenklasse.
Unten hielt Mats uns zwar einen Basketball entgegen, sah mich gleichzeitig aber mit todernster Miene an. Was sollte das denn jetzt? Nach zusammen Spaßhaben sah das ja nicht gerade aus.
»Können wir rausgehen?«, fragte er.
»Klasse Idee!« Pa lehnte am Türrahmen, klatschte in die Hände und versuchte, trotz seiner ausgebeulten Cordhose und dem Vollbart so lässig auszusehen, als wäre er nur ein kleines bisschen älter als wir. »Unsere fleißigen Stubenhocker brauchen dringend mal ein bisschen frische Luft!«, lachte er.
Während Benno schon jubelte, lächelte ich verkniffen und wünschte Pa zusammen mit seinen Sprüchen an den Nordpol.
»Eigentlich waren wir gerade dabei, das Haus zu erkunden«, rechtfertigte ich mich.
Als Pa aus dem Zimmer ging, verdunkelte sich Mats’ Miene noch mehr. »Es ist aber wichtig!«
»Meinetwegen«, seufzte ich und folgte ihm.
Draußen lehnte ich mich misstrauisch gegen die Hauswand und schaute Mats und Benno zu, wie sie ihre erste Runde dribbelten. Benno himmelte Mats an, wie es nur kleine Jungs taten, wenn sich ein größerer für sie interessierte. Alles, was Mats sagte oder tat, war für Benno sofort Gesetz.
»Und?«, fragte ich schließlich, als Mats den Ball unter dem Korb auf und ab hüpfen ließ. »Was war jetzt so wichtig?«
»Ich will dich warnen«, sagte er knapp und da war er wieder: dieser ernste Blick.
Ich runzelte die Stirn. »Warnen … wovor?«
»Das Haus, in das ihr gezogen seid, ist …« Mats stockte kurz. »Hast du denn noch gar nichts bemerkt? Es gibt haufenweise Gerüchte über die Villa Evie – und ich glaube, ihr solltet davon wissen.«
Ich verschränkte meine Arme und sah ihn an. »Und was für Gerüchte genau, bitte?« Langsam glaubte ich Leon. Mats machte wirklich den Eindruck, als ob er von einer »Gruselvilla« besessen war.
Seine dunklen Augen fixierten mich, bevor er die Stimme dämpfte. »In der Schule haben sie mal erzählt, dass die Villa früher das Versteck eines Geheimbundes war. Irgendein Alchemisten-Orden, der sich heimlich versammelt hat, um giftige Pflanzentränke zu brauen. Andere meinen, dass ein Hexenmeister gefährliche Zaubertränke von hier in alle Welt verschickt hat und deshalb ein Fluch auf der Villa liegt. Manche glauben sogar an Geister, die im Haus herumspuken, und so Zeug. Die ganze Stadt … alle hier kennen unheimliche Geschichten über die Villa Evie. Außer euch wär niemand freiwillig da eingezogen. Nicht mal wenn Frau van Velden das Haus verschenkt hätte.«
Mir fiel die Kinnlade runter. Das also hatte Mats’ Bruder mit »Gruselvilla« gemeint? Hier sollte es ernsthaft spuken? Das war doch völliger Schwachsinn!
Neben mir fing Benno langsam an zu quengeln, weil er weiterspielen wollte, aber ich ignorierte ihn.
»Deshalb bekommen wir so oft Besuch? Alle wollen gucken, ob sie einen Geist finden?« Ich konnte nicht anders und prustete los.
Mats nickte, lachte aber nicht mit. »Ganz genau. Ich meine … klar, die Leute hier sind alle bloß neugierig, aber …« Er nahm einen tiefen Atemzug. »Die alte Hanne hat früher nie jemanden einfach mal so ins Haus gelassen. Nie! Ihr seid die Ersten. Das sollte euch doch zu denken geben.«
»Na ja, wir sind ja auch die neuen Hausbesitzer.« Ich schmunzelte, verkniff mir aber einen Kommentar dazu, dass Mats selbst ein gutes Beispiel für die neugierigen Leute hier war. »Also für mich klingt das nach abergläubischem Quatsch oder einfach nur nach schwer gelangweilten Nachbarn.«
Was in dieser winzigen Stadt auch kein Wunder war, fügte ich in Gedanken hinzu.
Hinter mir quietschte etwas und ich drehte mich um. Am Gartenzaun bremste der Postbote mit seinem Fahrrad und winkte uns zu.
»Post für die Villa Evie!«
Ich ging zu ihm rüber und nahm eine Postkarte und einen Umschlag mit ausländischen Briefmarken und Stempeln entgegen. Ich überflog den Namen, der fein säuberlich in schwungvollen Buchstaben auf den Brief geschrieben worden war. »Hier wohnt aber kein Daan de Bruijn.«
»Aber die Adresse stimmt«, erwiderte der Postbote.»Gebt Willem den Brief. Wie immer. Der nimmt alles für diesen Herrn de Bruijn entgegen. Der meint, er kennt den.«
»Willem, der Gärtner?«, fragte ich sicherheitshalber.
Der Postbote trat wieder in die Pedalen. »Genau, Willem Boer! Gebt ihm einfach den Brief.«
Ich sah dem Postfahrrad hinterher und drehte erst mal die Karte um. Vorne war ein Foto von einem menschenleeren weißen Strand und einem türkisblauen Meer drauf. Sofort bekam ich gute Laune und las.
Hi, Landei! Wie wohnt es sich denn so im neuen Schloss? Benimmt sich der Butler und kocht die Köchin auch gut? Ich will alles wissen! Ich bin schließlich schon seit einer Woche hier und will endlich hören, wie es dir geht. Meld dich doch mal und schick mir ein paar Angeberfotos vom Schloss. Ich vermiss dich! Mona
Ich kicherte über Monas Art, mit der sie seit Wochen versuchte, mir den Umzug leichter zu machen. Natürlich wusste sie längst, dass die Villa mehr Bruchbude als alles andere war. Glücklich drehte ich ihre Karte in meiner Hand und lief um das Haus herum zum Gewächshaus. Wenn man Willem irgendwo traf, dann wahrscheinlich dort. Aber heute war er nirgends zu sehen und die Tür zum Gewächshaus war geschlossen. Ein knallgelbes Schild mit der Aufschrift Betreten verboten! hing sperrig darüber. Ich ging trotzdem darauf zu und griff nach der dunkel angelaufenen Messingklinke. Die Glasscheiben des Gewächshauses waren dampfig beschlagen, weshalb man nicht ins Innere sehen konnte. Hinter mir knirschten Schritte im Kies.
Dann hörte ich Mats’ Stimme: »Du solltest da echt nicht reingehen.«
Ich drehte mich um und funkelte ihn an. »Hat dir schon mal jemand erklärt, was das Wort aufdringlich genau bedeutet?«
Mats hob abwehrend die Hände. »Ich bin nur an meiner Umwelt interessiert.«
Ich verzog das Gesicht und drehte mich wieder dem Gewächshaus zu. Von mir aus sollte dieser Nervtyp eben zugucken, wie ich einen Brief ablieferte. Ich drückte auf die Türklinke und betrat das Glashaus. Feuchte Luft schlug mir entgegen. Puh, war es hier drin schwül! Zwischen unzähligen Pflanzenbeeten standen Kübel mit Bäumen und exotischen Gewächsen. Weiter weg reihten sich auf langen, hüfthohen Tischen grüne Pflänzchen. Für einen Moment war ich fast geblendet von den Tausenden Blüten um mich herum. Wie ein magischer Regenbogen breiteten sie sich unter dem Glasdach aus. Noch nie hatte ich so viele fremde Blumen und knorrige Gewächse auf einmal gesehen. Kurz fühlte ich mich wie in einem verzauberten Märchenwald.
»Hallo?«, rief ich durch die Pflanzen, die an manchen Stellen fast bis zu meinen Schultern wuchsen. »Willem Boer? Sind Sie da?«
Als ich die ersten Schritte in den Gang machte, fielen meine Augen auf ein paar Pflanzenbeete, in denen kleine violette Blumen wucherten, die flach über die Erde rankten.
Ich wollte mich ihnen gerade entgegenbücken, als mich plötzlich jemand lauthals anbrüllte: »Was zum Henker erlaubt ihr euch!«
Vom anderen Ende polterte der Gärtner in schweren Stiefeln auf mich zu. Über seiner Schulter trug er eine Harke. Die Art, wie er sie trug, erinnerte mich an einen Baseballspieler. Instinktiv wich ich ein paar Schritte zurück und stolperte geradewegs in Mats hinein, der auf einmal hinter mir stand.
»Verschwindet, ihr Lausebälger!«
Lausebälger? Echt jetzt? Wer redete denn bitte heute noch so?
»Sie … sie hat einen Brief«, kam Benno mir zu Hilfe. Mein kleiner Bruder war uns also auch hinterhergeschlichen.
Der Gärtner blieb breitbeinig vor mir stehen. »Einen Brief?«
Wir standen uns so nah gegenüber, dass ich die frische Erde, in der er wahrscheinlich gerade gegraben hatte, stark an ihm roch. Obwohl. Seltsam – als ich auf seine Hände schaute, waren sie blitzsauber.
Ich streckte ihm den Brief entgegen. »Das nächste Mal können Sie ihn sich selbst bei der Post abholen.« Okay, normalerweise war ich eher schüchtern, aber unfreundlich sein? Das konnte ich auch!
Als hätte er Angst, ich könnte ihn wieder einstecken, riss mir der Gärtner den Brief aus der Hand. »Der ist für mich!« Seine Worte knurrte er so undeutlich, dass ich mir nicht sicher war, ob er nicht etwas anderes gesagt hatte.
Er ließ den Brief in der Brusttasche seiner grünen Latzhose verschwinden, als hätte es ihn nie gegeben. »Wagt es ja niemals, einen meiner Briefe zu öffnen! Und nun empfehlt euch gefälligst! Na los, raus hier! Mein Gewächshaus ist kein passender Ort für unartige Blagen, wie ihr es seid!« Der Gärtner wedelte mit einer Hand Richtung Tür. Es war die gleiche Handbewegung, mit der man lästige Fliegen verscheuchte.
Ich drehte mich ohne ein weiteres Wort um und stapfte davon. Die Jungs folgten mir schweigend im Gänsemarsch.
Draußen warf ich Mats einen fragenden Blick zu, aber er kam mir zuvor: »Siehst du? Ich hatte dich ja gewarnt!« Mats wurmte es anscheinend immer noch, dass ich ihn vorhin aufdringlich genannt hatte.
»Pfff! Normalerweise bedanken sich Leute, wenn man ihnen ihren Kram hinterherschleppt«, beharrte ich, obwohl sich langsam, aber sicher Zweifel in meinem Kopf auftaten.
Warum war es überhaupt verboten, das Gewächshaus zu betreten? Was stellte sich der Alte so an?
»Kooomm!« Benno reichte es und er zog Mats am T-Shirt, damit er endlich mit ihm Basketball spielte. »Du hast es versprochen! Und Versprechen muss man halten.«
»Na gut, Kumpel!« Mats strubbelte Benno durch die Haare und winkte mich hinterher.
»Ich komm gleich nach«, versuchte ich, mich rauszureden, und verdrückte mich eilig, bevor einer der beiden protestieren konnte. Als die Jungs außer Sichtweite waren, huschte ich zurück zum Gewächshaus und überlegte, wie ich mich seitlich an den beschlagenen Scheiben entlangschleichen konnte. Vielleicht entdeckte ich ja etwas, das Willems komisches Verhalten erklärte.
Zwischen dem Gewächshaus und der Villa Evie lagen bestimmt fünfzig Meter, aber zum Glück wucherte der Garten wild vor sich hin. Hecken und Büsche schoben sich ineinander und taten ihren Teil, dass ich zwischen ihnen verschwand. Ich kniete mich in ein Versteck aus Ästen und Blättern und wartete. Mitten im wuchernden Unkraut hatte ich Zeit, an den Scheiben hinauf zur Dachspitze zu sehen. Die Sonne spiegelte sich im Glas und warf mit Lichtfunken um sich. Zugegeben, das alte verschnörkelte Glashaus war, trotz all des Rosts daran, wirklich schön.
Drinnen war es jetzt völlig still, also traute ich mich näher heran. Ich schlich an der Wand des Gewächshauses entlang zur Hinterseite. Leider wuchsen die Büsche dort viel zu dicht, sodass ich nicht nah genug herankam. Außerdem waren die Glasscheiben komplett beschlagen. Wie feucht musste die Luft dadrin wohl sein? Absolut nichts konnte ich von außen erkennen.
Aber eine Sache fiel mir auf, als ich mich noch näher an die Scheiben drückte. Es war ein Geruch, der mir bekannt vorkam und der aus den Ritzen kommen musste. Ein Duft, der kräftig nach Erde und noch irgendetwas anderem roch. Etwas Unnatürlichem. Jetzt fiel es mir wieder ein! Nicht nur Willem hatte danach gerochen, sondern auch die verkleidete Frau, die ihn besucht hatte …