Читать книгу Duftapotheke Bundle. Bände 1-3 - Anna Ruhe - Страница 20
Оглавление12. Kapitel
Wir bewegten uns nicht. Wir atmeten nicht mal ein, bis Mats sein Handy zückte und der Bildschirm das rabenschwarze Nichts um uns erhellte. Vor uns lag eine weitere Tür. Sie hatte rechts eine Türklinke und links einen Türknauf. Seltsam, dachte ich. Ließ sich diese Tür in zwei Richtungen öffnen? Benno, der vor mir stand, ging natürlich als Erster auf die Tür zu.
»Du weißt noch, was du uns versprochen hast, oder?«, erinnerte ich ihn an unsere Abmachung.
Benno blieb sofort stehen.
Mats lachte leise. »Wir können es schließlich nicht jeden Tag über der Villa hageln lassen, stimmt’s?«
Ich hielt jeweils eine Hand über den Türknauf und die Klinke. »Welche nehmen wir?«
Mats überlegte, aber Benno entschied sich klar gegen die Klinke. Also drehte ich den Knauf und schob die Tür auf. Vorsichtig beugte ich mich vor und tastete die Wand in dem dunklen Raum vor uns ab, bis ich einen dieser Drehlichtschalter fand. Sofort hörte ich es vertraut über uns zischen und gelbes Licht breitete sich aus. Ich holte einmal ganz tief Luft, dann traute ich mich einen Schritt aus dem Fahrstuhl heraus.
Vor uns stand ein antiker Altherren-Schreibtisch und darauf ein noch viel antikeres Telefon. So eins kannte ich aus Pas alten Donald-Duck-Comics, die er mir früher manchmal vorgelesen hatte. Es war riesig, hatte eine Wählscheibe, einen Hörer, der auf einer Gabel lag, und dazwischen hing ein Spiralkabel. Der Stuhl hinter dem Schreibtisch war mit Samtstoff gepolstert – sogar auf den Armlehnen. Auch hier waren, genau wie in einigen Zimmern der Villa Evie, die Wände mit einem Blümchenmuster in dunkelvioletten Farben tapeziert, was den nicht besonders großen und fensterlosen Raum noch enger wirken ließ.
Ich nahm den Telefonhörer in die Hand und hielt ihn mir ans Ohr. »Puh, ist der schwer. Die Leute haben früher bestimmt nicht lange miteinander telefoniert. Denen wäre doch der Arm abgefallen.« Ich horchte in den Hörer hinein. Ein gleichmäßiges dumpfes Tuten drang heraus. »Das Teil funktioniert noch!«
»Echt jetzt?«, wunderte sich Mats und kam näher. Er zog vorsichtig an der Schublade unter der Schreibtischplatte. Auf Zehenspitzen schaute ich ihm dabei über die Schulter. Das war eine gute Idee. Dort bewahrten die Leute oft ihre wichtigsten Dinge auf. Bestimmt wussten wir gleich mehr über dieses Zimmer! Aber außer einem Füller mit Goldfeder, einem Tintenfässchen und einem Stapel leerer Briefumschläge und Briefbögen gab es nichts Interessantes zu sehen.
Mist.
»Da ist die Duftapotheke!«, rief Benno und ich spürte, wie Mats vor Schreck zusammenzuckte. Mir fiel auf, wie dicht ich mich an ihn gelehnt hatte, um über seine Schulter zu schauen, und drehte mich, jetzt doch ein bisschen verlegen darüber, zu Benno um.
Genau gegenüber vom Fahrstuhl hatte Benno eine Tür geöffnet und schlüpfte hindurch. Sie führte direkt durch eins der Holzregale in die Duftapotheke. Deshalb hatten wir das Büro also beim letzten Mal nicht entdeckt. Die Tür war ein drehbares Regal!
Die Duftapotheke war immer noch genauso beeindruckend wie beim letzten Mal. Ringsherum leuchteten, glitzerten oder sprudelten ein paar der farbigen Flüssigkeiten in ihren Flakons unter den Gaslampen, die leise und unaufhörlich über uns zischten.
Also gut, dachte ich und nahm mir vor, heute herauszufinden, was für seltsame Fläschchen hier versteckt wurden. Und vor allem, welches davon wir verloren hatten. Langsam ging ich an den Regalbrettern entlang. Aber nichts deutete darauf hin, dass irgendwo ein Duftflakon fehlte. So ordentlich standen die Fläschchen dann doch nicht aneinandergereiht. Und selbst wenn ich irgendwo einen leeren Platz fand, hieß das ja noch lange nicht, dass ausgerechnet dort die Flasche mit der braunen Flüssigkeit gestanden hatte.
Also wendete ich mich erst mal den quadratischen Schublädchen in der unteren Hälfte des Regals zu. Vielleicht fand ich dort etwas, das uns weiterhalf. In der ersten lagen getrocknete Blüten und in den anderen fand ich noch mehr Blütenblätter, aber auch Pulver und Mineralien, ein paar Verschlusskorken, Parfümzerstäuber und leere Flakons.
Ich nahm ein bauchiges Fläschchen mit rötlichem Inhalt in die Hand, stellte es aber schnell wieder an seinen Platz zurück, als ich auf dem Etikett »Brennender Duft« las. Immerhin stand der Flakon im Regal mit den »Flüchtigen Düften«. Trotzdem ließ ich das Teil besser nicht fallen.
»Eins der Notizbücher ist nicht mehr da!«, rief Mats mir zu und seine Stimme klang dabei ungewohnt hoch. »Das letzte Mal waren es drei, jetzt liegen nur noch zwei hier.«
Benno stand neben Mats und hatte den Kopf in den Nacken gelegt, um seinem Helden ins Gesicht sehen zu können. »Dann kennen auch andere unser Versteck?«
Für ein paar Sekunden waren Mats und ich ganz still. Ich fragte mich, ob es ein schlechtes oder ein sehr schlechtes Zeichen war, wenn dieser Raum mit seinem seltsamen Zeug nicht nur unsere Entdeckung war. Ob Willem die Duftapotheke kannte? Immerhin war er der Einzige, der einen Schlüssel zum Gewächshaus hatte. Benutzte er das alles hier sogar? Aber wenn ja, wofür und wozu?
Benno machte sich keine Sorgen, aber Mats konnte ich ansehen, dass ihn diese Tatsache genauso verunsicherte wie mich. Bestimmt gefiel es diesem Jemand nicht, dass wir hier herumschnüffelten. Mir fiel wieder mein Traum ein, wie Willem nachts durch den Kies gelaufen war, Pflanzen gepflückt und damit irgendetwas angestellt hatte.
Ich sprach meinen Gedanken laut aus: »Willem ist der Einzige, der sich um das Gewächshaus kümmert. Und in der Villa Evie wohnen wir. Den Treppenfahrstuhl kann also niemand anderes einfach so benutzt haben.«
Mitten in meine Worte schrillte das Telefon im Nebenraum. Ich machte vor Schreck einen Satz und sah genauso angespannt wie die Jungs in die Richtung, aus der das Klingeln gekommen war. Das Telefon läutete ein zweites Mal, also schlichen wir wieder nach drüben in das enge Büro. Zu dritt standen wir vor dem riesigen schwarzen Telefon.
Benno drückte seinen Kopf dicht an mich und rührte sich nicht. Unsere Anspannung füllte den Raum, bis ich es nicht mehr aushielt und den Telefonhörer abnahm. Wie in Zeitlupe führte ich ihn an mein Ohr. Mein Atem ging schwer und ich versuchte, nicht direkt in das untere Ende des Hörers zu schnaufen. Ich lauschte, aber niemand sagte etwas.
»Hallo?«, traute ich mich endlich.
Nichts.
Dann legte derjenige am anderen Ende der Leitung auf. Mir drang wieder das gleichmäßige Tuten entgegen. Mit zittrigen Fingern legte auch ich auf und drehte mich zu Mats.
»Wer war das?« Seine Worte vibrierten.
Ratlos schob ich meine Hände in die Hosentaschen. »Wenn ich das bloß wüsste …«