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Johanna - egoistisch?

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Ich benahm mich meinem Ehemann gegenüber unfair. Ich fühlte mich schlecht und trotzdem konnte ich einfach nicht anders. Ja, ich weiß, wenn man will, dann kann man auch. Zu sagen ich konnte nicht anders, ist eine Ausrede, um die Verantwortung für mein Handeln nicht übernehmen zu müssen. Wenn ich nach Büroschluss nach Hause fuhr, aus meinem Auto stieg und die Haustüre aufschloss, baute ich eine Art Panzer um mich herum auf. Ich wollte nicht sprechen und am liebsten wollte ich, dass er sich in Luft auflöst. Das wäre natürlich furchtbar gewesen, aber in meinem Verdrängungsmodus war das der einfachste Weg. Ich versuchte, ihm aus dem Weg zu gehen. Je mehr ich mich zurückzog, umso mehr bemühte er sich um Gemeinsamkeit, um eine Kommunikation in irgendeiner Form. Tausend Fragen auf seiner Seite erhielten keine Antwort, nur mein Schweigen. Das ist letztendlich auch eine Form der Antwort. Allerdings eine, die für den Fragesteller nicht sehr befriedigend ist. Ich zog mich in eine Kapsel zurück, verbarrikadierte mich, so dass mich nichts erreichen konnte. Ich wollte zu Hause den Schmerz nicht fühlen, den ich verursachte, und auch nicht die Schuldgefühle, die mich plagten. Ich war alleine, Luca würde mir nicht helfen, mein Problem zu lösen. Ich wusste nicht mehr aus noch ein und war vollkommen handlungsunfähig, gelähmt von der Angst, etwas auszusprechen, was mir selbst so ungeheuerlich vorkam.

Die Situation wurde schier unerträglich. Wir versuchten es mit einer Eheberatung, doch die Würfel waren längst gefallen. Mein Mann sagte einmal in einer Sitzung zur Therapeutin: „Kann es sein, dass meine Frau depressiv ist?“ Und ihre Antwort lautete: „Ich habe eher das Gefühl, da sitzt ein Vulkan vor mir, der kurz vorm Ausbruch steht.“ Es gab kein Zurück mehr für mich. Ich war irgendwo zwischen Leiden und der leisen Ahnung und Hoffnung nach mehr Leben. Was auch immer das heißen mag, ich wusste, dass ich mehr wollte. Auch wenn das „Mehr“ die negativen Seiten mit einschloss. Ich machte noch ein paar Vorschläge für alternative Beziehungsformen, doch davon wollte mein Mann nichts wissen. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass das nach meiner damaligen Gemütsverfassung auch nicht erfolgreich gewesen wäre.

Ich erinnere mich an einen Sonntagnachmittag, an dem er sich zu einer Bergtour bereit erklärt hatte. Er war wirklich bemüht, denn im Normalfall fand er Wandern einfach furchtbar. Ich fragte ihn unterwegs: „Was sind denn deine Träume? Was möchtest du in deinem Leben noch machen? Und was ist aus unseren gemeinsamen Plänen geworden?“ Als wir uns kennenlernten, hatten wir oft darüber gesprochen, dass wir, sobald meine Kinder aus dem Haus sind, an einem anderen Ort leben möchten. „Wenn du mich so fragst“, sagte er, „dann würde ich gerne mit dem Motorrad die Pan Americana entlangfahren.“ Ein kurzer Hoffnungsschimmer glomm in mir auf und ich wollte wissen, wann wir aufbrechen. Doch der Strohhalm war so schnell weg, wie er aufgetaucht war. „Es ist beruflich im Moment einfach nicht möglich. Danach ist mein Job weg“, war seine Antwort. Hätten wir etwas in der Art gewagt, einen wirklich radikalen Schnitt durch unseren Alltag, wäre unsere Ehe vielleicht noch zu retten gewesen. Oder machte ich mir damit etwas vor? Hatte ich den Entschluss, alleine weiterzugehen, längst gefasst? Lange vor diesem Gespräch? Vielleicht sogar lange vor Luca? War es nur eine bequeme Ausrede für mich, dass wir keine gemeinsamen Ziele mehr hatten und die Dinge, die uns wichtig waren, meilenweit voneinander entfernt lagen?

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