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Johanna - Aus-Zeit!

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Mein Mann machte den Vorschlag einer kleinen Auszeit. Er wollte für einige Wochen auf Geschäftsreise gehen. Das verschaffte mir Luft, ich konnte wieder atmen und gleichzeitig wusste ich, dass es nur ein Aufschub war. Ich habe diese Wochen alleine sehr genossen. Abends heimzukommen ohne mich verstecken zu müssen, war Entspannung pur. Trotzdem nagte in mir das Gefühl des Versagens. Ich war dabei, meine zweite Ehe in den Sand zu setzen und fühlte mich schuldig. Nicht nur, dass ich Schuldgefühle meinem Mann gegenüber hatte, da war noch mehr. Eine Stimme, die mir zuflüsterte, ich dürfe mir nicht einfach alles nehmen, was ich möchte, jemand der mir sagte, dass ich mich für diese Ehe entschieden hätte und es mir jetzt nicht einfach anders überlegen könne. Ich dürfe nicht mein Glück über das eines anderen stellen. Diese Stimme in mir hatte auch eine Adresse. Ich projizierte diese Gedanken und Ängste in mir auf meine Familie, die Wertvorstellungen meiner verstorbenen Eltern und meiner Geschwister. Stellvertretend sah ich dabei vordergründig meine älteste Schwester. Was hatte ich für einen Heidenbammel, mich ihr und damit letztendlich meinen eigenen Ängsten zu stellen. Dabei musste sie längst bemerkt haben, dass in meiner Ehe etwas nicht stimmte. Sie hatte meinen Mann und mich an Silvester sprachlos nebeneinander erlebt.

Ich musste meinen ganzen Mut zusammen nehmen und nutzte die Abwesenheit meines Mannes, um sie für ein Wochenende einzuladen. Es brauchte ein paar Anläufe, bis ich das Thema wirklich zur Sprache brachte. Anfangs sehr ungelenk. All die Worte, die ich mir zurechtgelegt hatte, kamen total verquer daher. Aber ich habe es geschafft. Ich habe ihr von meinen Ängsten erzählt, die ich bei dem Gedanken hatte, ihr zu erzählen, dass ich mich von meinem Mann trennen wolle. Von meiner Sorge, wie es dann finanziell weiter gehen sollte und überhaupt, wie es um mich stand. Nur Luca ließ ich aus. Letztendlich spielte er auch keine tragende Rolle, was die Trennung selbst betraf. Ihr Kommentar war schlichtweg: „Na und?“. Das war für mich mehr als Absolution, das war nach vorne schauen, als hätte sie das Licht am Ende des Tunnels eingeschaltet. Warum fällt es mir so schwer, ich zu sein und ehrlich auszusprechen, was mich bewegt. Dabei sollte es doch das Normalste auf der Welt sein. Mit diesem Gespräch hatte sich eine Türe für mich geöffnet und es war ein wichtiger Schritt für mich und das, was ich vorhatte. Es zeigte mir auch, wie befreiend es ist, sich seinen Dämonen zu stellen. Sie lösen sich in Luft auf und verwandeln sich in Chancen.

Noch eine Nacht und ein Tag dann ist meine Auszeit vorbei und ich würde Farbe bekennen müssen. Um mir Unterstützung und Kraft zu holen, wollte ich am Abend zu einem Satsang gehen. Einer meiner Yogalehrer war der Veranstalter. Ihr müsst euch das so vorstellen: Die Teilnehmer sitzen in Stuhlreihen wie bei einem Konzert oder einem Vortrag. Der Sprecher sitzt vor den Zuhörern und neben sich hat er einen freien Stuhl. Anfangs spricht er über ein frei gewähltes Thema, über Wahrheit, das Hier und Jetzt und den Augenblick. Irgendwann kommt der Punkt, an dem er das Publikum auffordert, Fragen zu stellen. Der Haken ist, dass man dabei nicht sitzen bleiben kann, sondern man aufstehen und nach vorne auf den freien Stuhl kommen muss, um sein Anliegen los zu werden. Ich hätte sehr gerne meine persönliche Situation vorgebracht, aber ich war nicht mutig genug. Das Gute war, ich musste mich gar nicht trauen, weil eine andere Frau das für mich übernahm. Ihr Anliegen war nicht eins zu eins identisch mit dem meinen, aber es ging auch bei ihr um eine langjährige Beziehung und die Frage, ob sie sich trennen oder der Partnerschaft noch eine Chance geben soll. Ich weiß gar nicht mehr genau, um was es dann im Detail ging, doch plötzlich stand folgender Satz im Raum: „und dann tauschst du einen Mann mit dem anderen aus, doch was hat sich dadurch tatsächlich verändert?“ Autsch - damit hatte ich nicht gerechnet. Eine böse Frage, über die ich zweifelsohne einmal genauer nachdenken sollte. In Bezug auf meine Ehe konnte sie aber nichts mehr bewirken.

Mein Mann kehrte von seiner Reise zurück und wollte wissen, ob es meinerseits neue Erkenntnisse gäbe. Sein Gepäck stand noch im Flur und der Zeitpunkt erschien mir ziemlich unpassend. Ich fühlte mich kaltherzig. Doch lügen wollte ich auch nicht. So kam es, dass ich ihm zehn Minuten nach seiner Heimkehr sagte, dass ich nicht mehr mit ihm leben wolle.

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