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Jonas steht am Wohnzimmerfenster. Es regnet nicht mehr. Die drei Kirschbäume im Garten zeigen zwischen ihrem weissen Blütenkleid etwas Grün. Jonas schaut auf die Uhr. Es ist Viertel nach sieben. Gestern ist um diese Zeit ein rostroter Fleck neben dem Gartenhaus aufgetaucht. Jonas öffnet die Tür zum Garten, bleibt aber auf der Schwelle stehen. Ein Bild will er sein, gerahmt von der Tür. Er schliesst die Augen, blinzelt. Büsche, Bäume, das Gestrüpp, die Blumen, alles bewegt sich. Jonas versucht, regungslos zu stehen und flach zu atmen. Nur seine Lider flackern in der Hoffnung, den Fuchs hervorzuzaubern. Jonas öffnet die Augen, und in seinem Garten ist alles an seinem Platz. So wie er es hat stehen lassen, als seine Tochter Etna ein paar Monate nach dem Verschwinden von Alice ausgezogen ist.

Etna spricht nicht mehr mit ihm, seit Alice vor einem Jahr von einer Wanderung nicht zurückgekehrt ist. Damals fragte sie: Hast du die Polizei informiert?

Ich werde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um deine Mutter zu finden, antwortete er.

Etna schüttelte nur den Kopf und schaute ihn mit leeren Augen an. Dieser Blick ist an ihm haften geblieben, und auch Etna scheint ihn nicht mehr loszuwerden.

Weder der Himmel noch die Hölle, die er in Bewegung gesetzt hatte, brachten ihm Alice zurück. Auch als die Polizei die Suche nach ihr aufgab, schreckte er noch wochenlang hoch, wenn das Telefon klingelte. Er hatte die Suche nach Alice nicht aufgegeben. Bis im November der Schnee die Gebirgswege unter sich versteckte, schaute er hinter jeden Felsbrocken, in jeden Abgrund und jede Höhle. Nach stundenlangem Suchen musste er sich manchmal daran erinnern, wonach er suchte. Aber er fand nichts. Kein Zeichen, keine Nachricht, kein Kleidungsstück von ihr, nicht Alice. Sorgfältig markierte er auf einer Karte, welche Gebiete er durchkämmt hatte. Zu Beginn begleitete ihn seine Nichte Juna. Im September gab sie auf, sagte: Wenn du so weitermachst, werde ich noch krank vor Sorge um dich.

Als Juna im November demonstrativ seine Haustür verschloss und den Schlüssel versteckte, weil sie in den Nachrichten vom Wintereinbruch in den Bergen gehört hatte, gab er auf. In den langen Nächten wünschte er sich nur noch eines: Dass Alice gefunden werde, tot oder lebendig. Die unerträgliche Ungewissheit musste ein Ende haben.

Irgendwann hörte er auf, den Briefkasten zu leeren und die Rechnungen zu bezahlen. Das Telefon in der Eingangshalle ist seither nur noch ein Requisit.

Die Pflanzen in Jonas’ Garten sind in alle Himmelsrichtungen gewachsen. Etnas Hände, verpackt in Gartenhandschuhe, suchen schon lange nicht mehr nach Unkraut und kranken Pflanzen. So kann in seinem Garten wachsen, was wachsen will. Nur selten betritt er den Garten. Lieber beobachtet er durch die Fenster, wie er grünt, wächst und wuchert. Eigentlich ist mein neuer Garten kein Durcheinander, denkt Jonas.

Er beschliesst, seinen Garten Dschungel zu nennen.

Jonas bleibt

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