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VIII

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Über Aristoteles’ Leben ist wenig mit Sicherheit bekannt. Die alten Quellen, etwa ein Dutzend, entstanden Jahrhunderte nach seinem Tod und widersprechen sich häufig. Sie wurden im Zuge der Übertragung durcheinandergebracht, sind gespickt mit Klatsch und verzerrt durch die Ansichten rivalisierender Philosophenschulen und über die Jahrhunderte haben Gelehrte sie auf der Suche nach dem Menschen hinter den Arbeiten wieder und wieder durchgekaut. Die Ergebnisse sind mager; die unstrittigen Tatsachen passen auf eine Seite.

Er wurde 384 v. Chr. in Stagira geboren, einer Küstenstadt nicht weit vom heutigen Thessaloniki. Sein Vater Nicomachus gehörte zu den Asklepiaden, war also teils Priester, teils Arzt. Kein gewöhnlicher Quacksalber, sondern Leibarzt von König Amyntas III. von Makedonien. Das ist allerdings weniger beeindruckend, als es klingt. Makedonien war ein halb barbarischer Hinterwäldlerstaat mit einem entsprechenden Hof. Mit 17 wurde Aristoteles in die Platonische Akademie nach Athen geschickt. Er blieb fast zwanzig Jahre dort, erst als Schüler und dann als Lehrer.

Als der halbwüchsige Aristoteles nach Athen kam, um zu Platons Füßen zu sitzen, war die erst zwei Jahrhunderte alte Tradition der Naturphilosophie bereits tot. Und zwar im wörtlichen Sinn: Demokrit von Abdera, der letzte und größte der physiologoi, war erst ein paar Jahre zuvor gestorben. Jahre später sollte Aristoteles in Demokrit einen gewaltigen Gegner sehen, eine Kontrastfigur, an der er die Beständigkeit seines eigenen Systems prüfen konnte. Demokrit, sagt Aristoteles, machte Fortschritte. »Doch [noch] zu seiner Zeit gaben die Menschen auf, die Natur zu erforschen, und die Philosophen wandten ihre Aufmerksamkeit der Politik und praktischer Güte zu.« Er sprach von Sokrates.

Sokrates (469–399 v. Chr.) war ein Steinmetz mit einer Schwäche für spekulative Gedankengänge. Als junger Mann liebte er die Naturphilosophie. Zumindest lässt Platon ihn das im Phaedo sagen. Er sann über den Ursprung des Lebens nach, die physikalische Grundlage des Denkens und die Bewegungen des Himmels. Seine Mühen waren vergebens. Er folgte, oder versuchte es jedenfalls, den Argumenten der physiologoi, erst diesem, dann jenem, aber zum Schluss war er nur verwirrt. War 1 + 1 = 2? Wenn er fertig war, wusste er es nicht mehr mit Sicherheit zu sagen. Er war, schlussfolgerte er, »einzigartig ungeeignet für diese Art der Erforschung«. Außerdem, so schien es ihm, gaben die physiologoi nie die richtigen Antworten – oder stellten auch nur die richtigen Fragen. Wenn sie erklärten, warum die Erde flach oder rund oder von welcher angenommenen Form auch immer war, hätten sie vielmehr erklären sollen, warum es so am besten ist. Aber das taten sie nie. Stattdessen beriefen sie sich auf »Naturen« – und die liefern gar keine kausalen Erklärungen. (»Man stelle sich nur vor, man könne nicht unterscheiden zwischen der Ursache von etwas und der Bedingung, ohne die es keine Ursache sein könnte!«)

Desillusioniert vom bemerkenswerten fehlenden Interesse der physiologoi an der Erörterung, warum das Universum gut war, wandte Sokrates sich vom Studium der natürlichen Welt ab. Xenophon erzählt:

Anders als die meisten anderen erörterte Sokrates nicht die Natur des Universums und untersuchte nicht den Zustand dessen, was Intellektuelle den Kosmos nennen, oder die notwendigen Merkmale, um Himmelsphänomene entstehen zu lassen. Stattdessen argumentierte er, dass diejenigen, die über solche Dinge spekulierten, ihre Zeit vergeudeten. Er würde zuallererst die Frage stellen, ob diese Art von Spekulationen auf einer Überzeugung basierten, dass sie die menschlichen Angelegenheiten bereits gründlich begriffen hatten. Dachten sie wirklich, es sei angebracht, ihre Untersuchungen zulasten des Menschlichen auf das Göttliche zu konzentrieren?

Die physiologoi mit ihrer Fülle an gegenseitig unschlüssigen Theorien nannte er »Verrückte«. Auch waren sie für ihn Sozialparasiten:

Noch etwas störte ihn an diesen Menschen. Diejenigen, die menschliche Belange studieren, sagte er, denken, dass sie in ihren Themen für sich selbst und andere mögliche Nutznießer etwas Neues schaffen. Glauben diejenigen, die himmlische Phänomene untersuchen, tatsächlich, dass die Entdeckung der notwendigen Merkmale für die Entstehung der Dinge es ihnen ermöglichen wird, auf Verlangen Wind, Wasser, Jahreszeiten und was sie sonst noch auf die Liste setzen zu erschaffen? Oder hegen sie in Wahrheit solche Erwartungen gar nicht, sondern geben sich damit zufrieden zu entdecken, wie die Dinge dieser Art entstehen?

Die Wissenschaftler sind sich nicht einig, daher sind sie Narren; was gibt ihnen das Recht, Gott zu spielen? Welche Vorteile habe ich von ihrer Arbeit? All das ist die authentische Stimme der Anti-Wissenschaft im Laufe der Zeiten; hier sehen wir sie entstehen. Ethik ist so viel nützlicher. »Sokrates rief die Philosophie vom Himmel herab, brachte sie in die Städte, führte sie in Familien ein und verpflichtete sie, das Leben und die Moral, Gut und Böse zu erörtern.« Das war Ciceros Urteil – und er meinte es als Lob.

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