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IX

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Die Akademie war von einer Mauer umgeben, hatte ein Gymnasion, einen heiligen Olivenhain und einen Garten. Ihre Grundsteine sind in einem Park in Piräus zu besichtigen, aber oberirdische Leitungen, welke Bäume und Müll machen es schwierig, den Ort zu rekonstruieren. Platon hatte das Grundstück gekauft und gründete um 387 v. Chr. hier seine Schule. Diogenes Laertios führt einige von Platons Schülern auf: Speusippos von Athen, Xenokrates von Chalkedon, Dion von Syrakus und ein Dutzend mehr aus der ganzen hellenischen Welt, darunter auch zwei Frauen. Es war weniger eine moderne Hochschule als ein philosophischer Klub. Die Schüler zahlten keine Gebühren. Das allein unterschied die Unternehmung deutlich von den Schulen der Sophisten und Rhetoriker, deren Geschäftsmodell darin bestand, Athens Jugend zu lehren, wie man schön spricht, im Leben vorankommt und vor Gericht gewinnt.

Als Aristoteles ankam, packte Platon selbst gerade seine Sachen für eine zweijährige Reise nach Sizilien. Wahrscheinlich übergab er seinem Neffen Speusippos die Leitung der Schule. Dieser war um die vierzig und notorisch übellaunig – einmal soll er in einem Wutanfall seinen Lieblingshund in einen Brunnen geworfen haben. Dennoch nahm er den Jungen vielleicht unter seine Fittiche; es finden sich jedenfalls Spuren seines Gedankenguts bei Aristoteles. Dennoch, wenn Platons Dialoge, die Doxografie der Akademiker und Aristoteles’ Erinnerung zuverlässige Hinweise auf den Themenbereich der Gespräche im Garten der Akademie sind, dann stand Naturphilosophie nicht mehr auf dem Lehrplan. Oder falls sie doch vertreten war, dann in einer eigentümlichen Form.

Platon hatte sich Sokrates’ Interesse an der moralischen Theologie zu eigen gemacht. Natürlich ist es schwierig, die beiden auseinanderzuhalten, da Sokrates nichts schrieb und Platon viel, und viel von dem, was Platon schrieb, legte er »Sokrates« in den Mund. Doch auch wenn Platons Sokrates nicht so krass antiwissenschaftlich daherkommt wie Xenophons, steht Platons durchdachte Philosophie der Wissenschaft nicht weniger feindlich gegenüber als Sokrates’ Sticheleien; das gilt umso mehr, weil er so wunderbar schrieb und weil seine Werke vollständig überliefert sind.

Die Politeia, Platons berühmtester Dialog, verrät seine Ansichten zu den Zielen und Methoden der Naturphilosophie. Glaukon und Sokrates diskutieren darin über die Erziehung von Philosophenkönigen. Sollen die Jungen Astronomie studieren? Ja, sagt Glaukon, denn sie ist nützlich für alle möglichen anderen Dinge wie Landwirtschaft, Navigation und Krieg. Sokrates befreit ihn behutsam vom Irrtum seines »vulgären« Utilitarismus. Nun, erwidert Glaukon, dann sollten sie vielleicht Astronomie studieren, weil sie »die Seele zwingt, nach oben zu schauen«. Das, so hofft er, ist die Art von Antwort, die Sokrates sucht, aber erneut wird er eines Besseren belehrt. Glaukon nehme das alles viel zu wörtlich: Das einzige Studium, das den Blick der Seele nach oben wende, sagt Sokrates, sei dasjenige, das sich mit dem »Seienden und dem Unsichtbaren« beschäftige – womit er die wahre Realität meint, die hinter der oberflächlichen Erscheinung der Dinge liegt. Das Studium der Sterne, fährt er fort, hilft uns dabei, aber nicht sehr. Die tatsächlichen Bewegungen der Sterne sind nur eine unvollständige Darstellung der unsichtbaren Realitäten; man könne ebenso nach geometrischen Figuren in einem Gemälde suchen. Und diese Realitäten können »nur durch Vernunft und Denken erfasst werden, aber nicht durch das Sehen, oder bist du [Glaukon] anderer Meinung?«

Glaukon ist nicht anderer Meinung. Er kapituliert vollständig vor Sokrates’ – und Platons – Anti-Empirismus. Und einige Seiten später, wenn das Gespräch auf das Studium der Harmonie kommt, spotten beide Männer gemeinsam über diese physiologoi, »die die Saiten« ihrer Instrumente »quälen und foltern, ihre Ohren daranlegen, als wollten sie eine Stimme im Nachbarraum hören« in dem Bemühen, die Regeln der Harmonie und die kognitiven Grenzen der musikalischen Wahrnehmung zu verstehen. Diese »Honoratioren« (die musikalischen physiologoi) »steigen nicht zu allgemeinen Fragen auf und berücksichtigen nicht, welche Zahlen in sich übereinstimmend sind und welche nicht und warum das jeweils der Fall ist«.[] Sie spielten mit Harfen herum, statt eine allgemeine, formelle Theorie für die musikalische Ordnung zu erarbeiten, die sie vage wahrnehmen; eine Theorie, die das Schöne und Gute erklären würde, das wir in der Musik hören; eine Theorie, die musikalische Harmonien mit der Bewegung der Sterne in Einklang bringen würde. »Eine übermenschliche Aufgabe«, kommentiert Glaukon – was für uns wie eine Untertreibung klingen mag.

Dabei hätte Platon es belassen sollen. Hätte er das getan, könnten wir ihm wenigstens geziemende Bescheidenheit zugutehalten. Er tat es nicht. Zu einem späteren Zeitpunkt in seinem Leben verfasste er noch ein Werk, das die natürliche Welt beschreiben und erklären soll – in ihrer Gesamtheit. Trotz der ehrgeizigen Zielsetzung ist es nur ein Viertel so lang wie die Politeia. Der Umfang sagt schon alles.

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