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XII

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Die Ruinen des alten Assos stehen auf einem erloschenen Vulkan, der steil aus der Ebene und der Küste darunter aufragt. Ein Tempel der Athene mit fünf stehenden dorischen Säulen krönt die Akropolis; die Fundamente von Stoa, Bouleuterion, Gymnasion, Agora und eines Theaters sind weiter unten am Hang zu finden, der zum Meer hin liegt. In seiner Voyage pittoresque de la Grèce (1809) schreibt Choiseul-Gouffier: »Wenige Städte sind mit einer so glücklichen und spektakulären Lage gesegnet wie Assos …« und beschreibt in einer entzückenden, wenn auch stark ungenauen, Rekonstruktion, wie die Stadt in ihrer Blütezeit aussah. William Martin Leake sagte, sie sei die perfektionierte Vorstellung einer griechischen Stadt gewesen.

Geht man in der Abenddämmerung durch das türkische Dorf die Hänge der Zitadelle hinauf und springt über den Zaun, der die alten Ruinen umgibt, kann man immer noch sehen, wie schön Assos einmal gewesen sein muss. Man sieht jedoch nicht, was Choiseul-Gouffier und Leake sahen. 1864 zerstörte die osmanische Regierung einen großen Teil der noch intakten alten Stadt und baute aus den Steinen die Docks für Istanbuls Arsenal. Da hatten die Franzosen jedoch schon nach einem Geschenk der Hohen Pforte die Tempelreliefs demontiert und im Louvre aufgestellt. Das war auch ganz gut so. 1881 musste sich ein amerikanisches Team bei den Ausgrabungen dessen, was noch übrig war, mit Dorfbewohnern herumärgern, die gerade freigelegte Mauern davonkarrten und einen Zentauren aus Marmor mit Steinen bewarfen, den die Franzosen übersehen hatten.

Der Tempel in Assos war zu Aristoteles’ Zeiten etwa 180 Jahre alt, aber das Theater stammt aus der hellenistischen Zeit. Der Blick von der Zitadelle kann sich nicht groß geändert haben. Die gewaltig-unbewegliche östliche Mauer steht heute noch. Die umgebenden Hügel sind mit einheimischen Büschen und die Täler mit Eichenwäldern überzogen – die Touristenorte befinden sich weiter die Küste hinunter und es gibt nicht einmal viele Olivenhaine. Nichts stört den Frieden außer einer türkischen F-16, die über den Himmel schießt und den fragilen Luftraum testet, und dem gelegentlichen Meckern einer Ziege. Aber es ist die Insel, die die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Lesbos liegt direkt vor einem, erstaunlich nah, in aufgetürmten Schichten aus Grau- und Blautönen. Man meint, man könne hinschwimmen, und der Drang dazu ist fast unwiderstehlich, obwohl die Meerenge von Lesbos an ihrem schmalsten Punkt neun Kilometer breit ist. Man kann Lesbos nicht sehen und nicht hinwollen. Die Insel verspricht Entdeckungen.


Blick auf die Stadt Assos, restauriert


Blick auf Lesbos von der Zitadelle von Assos, August 2012

Die Lagune

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