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Biblische Schönheitsideale

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Wie die biblischen Namen andeuten, hielten die Menschen damals eher etwas von kräftigen, fülligen Frauen. Rebekkas Name ist abgeleitet von Marbek, dt. »gemästetes Kalb«. Rebekkas Schwiegertöchter hießen Lea und Rahel. Lea bedeutet »Wildkuh«, Rahel »Schaf«. Dieses Schönheitsideal bestätigen archäologische Funde in Israel und den Nachbarländern. Die frühsten Frauendarstellungen im Nahen Osten wurden am Karmel und am Jordan gefunden, einige stammen aus den Jahren zwischen 1900 und 1750 v. Chr., der Erzväterzeit. Dünn sind sie alle nicht.

Bei dem Goldschmuck für Rebekka, einem Ring und Armbändern, verpassen die meisten Übersetzungen, dass es sich um einen Nasenring handelt. Einen halben Schekel wiegt ihr Nasenring, zehn Schekel ihre Armbänder – das macht 119,07 g, die heute je nach Karat zwischen 1 800 und 4 700 € kosten würden. Dass sie in eine reiche Familie heiraten kann, versteht sie spätestens jetzt.

Rebekka wird nicht direkt nach ihrem Heiratswillen gefragt. Ihr Vater und ihr Bruder übernehmen die Entscheidung. Unvorstellbar in unserer westlichen Gesellschaft im 21. Jahrhundert, aber unter Beduinen ist es auch heute noch so. Die Eltern oder der ältere Bruder entscheiden über die Partnerwahl. Obwohl Beduinenmädchen und -jungen heute viel mehr Begegnungsmöglichkeiten als den Brunnen haben, trifft immer der Vater die letzte Entscheidung.

Rebekka wird schon gefragt, ob sie sich noch ein paar Tage von ihrer Familie verabschieden möchte. Sie ist bereit, gleich zu gehen. Wie alt ist sie? Ohne klare Angabe in der Bibel errechneten Rabbiner ihr Alter durch die Kombination mehrerer Jahresangaben anderer Personen in ihrem Leben auf 14 (Seder Olam Rabba 1−2). Die größte Reise in ihrem bisher recht kurzen Leben ist ein One-Way-Ticket ins Unbekannte. In den 4−5 Wochen unterwegs kommt sie von der Steppe ihrer Heimat ins fruchtbare Gebiet der Golanhöhen und Gileads im heutigen Nordjordanien. Vermutlich überqueren sie das Jordantal auf der Höhe von Sichem, wo es am bequemsten ist, und über die mit Olivenhainen und Steineichenwäldern übersäten Hügel Samariens und Judäas kommen sie schließlich in die Wüste Negev. Rebekkas Reise führt sie bei Weitem nicht nur durch langweiliges menschenleeres Land. Auf dieser Strecke sieht sie die große weite Welt. Sie reist durch die Großstadt Aleppo, hört auf dem internationalen Markt von Hama verschiedene Sprachen, bewundert die Bewässerungssysteme von Damaskus und sieht vielleicht den schneebedeckten Berg Hermon im Hintergrund. In Sichem sieht sie eine auffällig hohe Tempelanlage. Als sie an Hebron vorbeikommen, erzählt ihr der Knecht bestimmt, wer neulich dort begraben wurde. Eine Schwiegermutter wird Rebekka nicht haben. Ihren vielleicht 23 Jahre älteren Mann trifft sie in der Wohnstätte der Familie, Beer-Lachai-Roi. Ihr Mann ist noch in die Trauer um seine Mutter versunken. Er nimmt sie symbolträchtig in dasselbe Zelt, in dem seine Mutter vor nicht allzu langer Zeit starb, und gewinnt sie lieb. Solche Eheverkupplungen innerhalb der Großverwandtschaft sind unter Beduinen bis heute geläufig. Immer ziehen die Frauen zur Familie des Mannes. Diese Regel sorgt für klare Finanzverhältnisse. Töchter sind eine Entlastung, sobald sie ausziehen. Für sie und ihre Kinder müssen der Mann und seine Familie sorgen.

Das Paar ist besonders. Isaak ist der einzige Erzvater, der im Laufe seines Lebens Kanaan nie verlassen wird. Rebekka wird 50 Mal in 1. Mose erwähnt, häufiger als jede andere Erzmutter. Über ihr Leben wird am ausführlichsten berichtet. 20 Jahre bleibt sie unfruchtbar. Wenn die rabbinische Rechnung stimmt, wird sie mit 34 Jahren Mutter, und zwar gleich zweifach – von Jakob und Esau.

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