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HOCHZEITEN UND KAMELE

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Jakobs unplanmäßige Heirat mit der falschen Cousine in Haran ist eine bekannte Geschichte. Sein Onkel Laban legt ihn herein und gibt ihm seine ältere Tochter Lea, obwohl er ihm die jüngere Tochter Rahel versprochen hat. Wie kann es sein, dass Jakob das erst nach der Hochzeit feststellt?

Seitdem ich auf einer Beduinenhochzeit war, habe ich eine Vermutung. Im Herbst 2000 machten wir – meine künftige Frau, ihre Schwester, ihr künftiger Mann und ich – im ägyptischen Sinai einen Strandurlaub. Ein beduinischer Taxifahrer lud uns spontan zu einer Hochzeit ein. Wer da heiratete, wusste er nicht so genau. Was er wusste, war, dass es Kamele geben würde. Dass wir das Brautpaar nicht kannten, hat uns nicht abgeschreckt. Wir wollten uns diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Erst recht nicht, wenn es Kamele geben würde. Wir kamen und sahen – nichts. Zum ersten Mal habe ich den hebräischen Ausdruck Choschech mizrajim, dt. »Ägyptenfinsternis«, am richtigen Ort verwendet. Ursprung des Ausdrucks ist Mose neunte Plage, aber daran denkt kein Mensch mehr, so wie man bei »stockdunkel« nicht an einen Stock denkt. Auf engem Raum quetschten sich Tausende von Menschen. Die Menschmenge war nicht zu überhören. Sie saßen auf dem Boden in Gruppen, standen und liefen ohne ein erkennbares System im Staub. Unsere Gastgeber wollten uns trennen, Frauen zu Frauen, Männer zu Männern. Wie wir einander jemals wiederfinden sollten, war uns nicht klar, also blieben wir hartnäckig zusammen. Auf unsere Frage, wo das Hochzeitspaar wäre, lautete die Antwort: »Hier irgendwo«. Die meisten schienen das Brautpaar genauso wenig zu kennen wie wir. Darauf kommt es bei einem Stammesfest auch nicht an. Auf meine Frage, wo die Kamele wären, nahmen ein paar Männer uns zu einem kleinen Lagerfeuer mit, wo ein Haufen Kinder hüpften. Sie kicherten und hatten viel Spaß. Als jemand eine Taschenlampe anschaltete, wünschten wir uns direkt die Finsternis zurück. Die Kamele waren auch dort. Waren. Sie lagen geschächtet auf dem Boden, ihre Innereien dienten als warmes Trampolin. Die weißen Kleider der Kinder waren, wie auch ihre Hände, Füße und Gesichter, blutrot. Wir wurden gleich zum Sitzplatz am Feuer gebeten, dort würden wir Fleisch bekommen. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich heilfroh, dass Kamele nicht koscher sind. Diese Ausrede haben die muslimischen Beduinen mit Respekt akzeptiert. Dass drei von uns keine Juden waren, mussten sie nicht wissen. Stattdessen brachten sie uns Ziegenfleischsuppe in Einwegbechern. Ziegen sind koscher. Schade. Jahre später hat mich ein beduinischer Freund aufgeklärt: Männer und Frauen sind bei Hochzeitsfesten getrennt, die Braut ist bis zum Schluss unter Frauen, der Bräutigam unter Männern. In vielen Fällen sehen sie einander erst in der letzten Nacht im Paarzelt. Und wenn es bei Jakob und Lea ähnlich dunkel war, konnte er sie im Zelt auch ohne Schleier nicht sehen.

Innerhalb von sieben Jahren bekommt Jakob elf Söhne und eine Tochter. Im Kopf haben wir meistens seine zwei Ehefrauen Lea und Rahel als Mütter der Nation, aber vier der Söhne bekam Jakob von zwei Mägden. Nach 20 Jahren bei der Verwandtschaft gibt es Streit. Jakob flieht. Wohin? Für ihn nach Hause, nach Kanaan. Für seine Frauen und Kinder ins Ausland, sie sind alle in Haran geboren und aufgewachsen. Das jüngste Kind ist Josef, sechs Jahre alt. Jakobs Onkel und Schwiegervater Laban jagt ihnen nach und holt sie in Gilead ein, im heutigen Nordjordanien.

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