Читать книгу Das Beste aus meinem Leben - Axel Hacke - Страница 14
Quauteputzli
ОглавлениеWahrscheinlich glaubt es mir niemand, lacht man mich aus, hält man mich für blöd. Ich erzähle die Sache trotzdem: Ab und zu, etwa alle zwei Monate, stehe ich morgens im Bad und denke nur ein einziges Wort, zum Beispiel, sagen wir, das Wort Quauteputzli. Ich weiß nicht, ob das klar ist: Ich habe wirklich nur dieses eine Wort im Kopf. Es verdrängt jeden Gedanken, wie ein Kuckuck seine Stiefgeschwister aus dem Nest schmeißt. Ich betrachte mich müde im Spiegel und denke: Quauteputzli. Ich mache den Wasserhahn an: Quauteputzli. Ich rasiere mich quauteputzli, dusche quauteputzli, trockne mich quauteputzli ab, quauteputzle mir die Zähne.
So ist das.
Ich will es nicht. Ich will nicht Quauteputzli denken. Ich will Gedanken haben über die Nacht und den Tag.
Aber ich kann nichts tun. Das Wort beherrscht mich. Durch mein Gehirn fahren Bulldozer, um es wegzuschieben. Ich lasse es von stämmigen Wörtern namens Bulle und Cop in Ketten legen und in einen finsteren Kerker werfen. Ich würge das Wort, bis ihm die Vokale aus dem Leib treten: Qtptzl. Aber es schüttelt sich und steht wieder in voller Größe da.
Quauteputzli.
Es ist das aztekische Wort für Mundwasser, und ich habe es in einer Glosse über die Geschichte der Zahnbürste gelesen. Aber das ist ja noch kein Grund, mich so in Beschlag zu nehmen! Jeden Tag lese ich haufenweise Wörter: Gestern zum Beispiel stand in der Massagepraxis eine Flasche mit Sterilisierwasser, aber auf das Etikett hatte jemand »Stellerisierwasser« geschrieben. Aber ich denke jetzt nicht Stellerisierwasser. Ich denke – genau! Irgendwo habe ich einmal gehört, jeder Mensch trage in sich noch Originalzellen von Vorfahren, die seit vielen Jahrhunderten tot sind, selbst von Adam oder Eva. Vielleicht hatte ich einen aztekischen Vorfahren, den Erfinder des Mundwassers möglicherweise, und ausgerechnet die Gehirnzelle, in der er die Bezeichnung für seine Erfindung gespeichert hatte, ist auf mich überkommen, geriet in der Nacht außer Kontrolle wie eine Krebszelle, terrorisiert nun mein Gehirn. Oder ist es vielleicht eine Art Computervirus? Soll es ja geben, dass Leute morgens ihren PC anschalten und Texte aufrufen, die sie am Tag zuvor eingegeben haben – das Virus aber hat in der Nacht alles aufgegessen. Und überall steht nur noch: Quauteputzliquauteputzliquaute …
Vielleicht bin ich auch krank und müsste mich behandeln lassen, bevor sich schlimmere Wörter meines Kopfes bemächtigen und ich etwas sehr Böses tue, an das ich mich hinterher beim Gerichtspsychiater nicht erinnern kann. Oder ich sollte, im Gegenteil, die Sache ganz gelassen sehen: Junge, kommt vor, hat jeder mal. Wird sich halt austoben, das Wort in deinem Kopf. Wenn es müde ist und sich nicht mehr wehren kann, spuckst du’s in die Kloschüssel.
Na ja, wie gesagt, es geht auch wirklich immer vorbei, tritt nur alle zwei Monate auf, und es gibt Schlimmeres. Aber unangenehm ist es schon.