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Leider nein

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Also, wir haben hier nun zuerst einen sehr höflichen Zweijährigen, welcher anscheinend, ohne es zu wollen, in eine frühe Trotzphase geraten ist.

»Lieber Luis, hast du Hunger?«, fragt Paola.

»Leider nein«, sagt Luis.

»Möchtest du nicht eine Semmel mit Marmelade zum Frühstück?«

»Leider nein«, sagt Luis.

»Oder hättest du gerne ein paar Cornflakes?«

»Leider nein.«

»Ja, aber du musst doch irgendetwas essen!«

»Leider nein.«

Man sieht: Er bedauert sehr, dass er seinen Eltern solche Ungelegenheiten machen muss, doch die Trotzphasen kommen und gehen, da kann man nichts machen als kleiner Mensch. Aber die Zeit schreitet fort, und es liegt in der Natur von Trotzphasen, dass sie sich mit der Gewalt von Hurrikanen entwickeln. Alle Höflichkeit wird hinweggefegt, und jedes vom Trotz zermürbte, porös gewordene Leider verfliegt im Wind – auch bei diesem kleinen Herrn hier.

»Luis, schau, hier ist so schöner Griesbrei, davon musst du etwas essen«, sagt Paola.

»Nein«, sagt Luis.

»Aber wenn du nichts mehr isst, wirst du ganz dünn, hast keine Kraft und kannst nicht mehr spielen«, sagt Paola.

»Nein«, sagt Luis.

Sein Mund bildet einen dünnen Strich.

»In der Trotzphase entdeckt das Kind seinen eigenen Willen«, sage ich. »Es experimentiert damit, ohne Sinn dafür, wo es angebracht ist und wo nicht.«

»Ach ja?«, seufzt Paola.

»Pass auf!«, sage ich und nehme einen Löffel Griesbrei. »Dies hier ist ein Feuerwehrauto, und es will in die Garage: Tatütata!«

Der dünne Strich klappt auf, und das Feuerwehrauto fährt in die Garage, das erste Feuerwehrauto der Welt, das mit Martinshorn in die Garage fährt.

»Siehst du!«, sage ich zu Paola. »So macht man das. Jedes trotzige Kind kann man mit einem netten Spiel überzeugen.«

Ich nehme einen zweiten Löffel Griesbrei.

»Achtung!«, rufe ich, »hier ist noch ein Feuerwehrauto. Tatütata!«

Der Mund bleibt hart. Ich wiederhole das Tatütata. Die Garage bleibt zu. Tatütata zum dritten. Nichts.

»Kannst du es mir noch mal zeigen?«, fragt Paola lächelnd. »Ich habe es beim ersten Mal nicht gesehen.«

»Tatütata!«, rufe ich, ein letztes Tatütata.

Der Mund öffnet sich.

»Nein!«, sagt der Mund. Außerdem entquillt ihm der Griesbrei vom ersten Löffel.

»Er hat halt keinen Hunger«, sage ich.

»Nein«, sagt der Mund.

»Ich kann das Wort Nein nicht mehr hören«, sagt Paola. »Wenn ich mit ihm spazierengehe, springt er aus dem Buggy, und wenn ich ihn rufe, sagt er ›Nein‹. Wenn ich ihn wickeln muss, windet er sich auf der Kommode und schreit ›Nein!‹. Wenn ich ihm Schuhe anziehen will, macht er sich steif wie ein Brett und brüllt ›Nein!!‹. Und jetzt muss ich mit ihm in den Drogeriemarkt… Kannst du nicht mit ihm gehen?« Sie fügt leise hinzu: »Ich… schaffe… es… nicht.«

»Ich, ähm, habe eine sehr dringende Arbeit zu erledigen«, sage ich.

»Bitte!«, sagt sie.

»Also gut«, sage ich. Ich habe alle Trotzphasen hinter mir und bin gereinigt von eigenem Willen.

So mache ich mich mit Luis auf den Weg zum Drogeriemarkt. Als ich ihn in den Kindersitz des Einkaufswagens setzen will, schreit er »Nein«. Als ich ihn daran zu hindern trachte, das Regal mit der Zahnpasta auszuräumen, brüllt er »Neinnein«. Als ich ihm erkläre, er solle sich nicht mitten im Geschäft auf dem Boden wälzen, kreischt er »Neinneinnein«. Ich versuche, Babynahrung aus dem Regal zu nehmen, er öffnet währenddessen eine Packung Präservative. Ich überlege, welche Windelmarke ich nehmen soll, er versprüht derweil Glasreiniger über die Kräutertees. Ich laufe schnell zum Toilettenpapier, er untersucht den Schrank mit den teuren Pudern. Ich haste nervös wieder zu ihm, er pudert sich die Nase. Ich rutsche auf einer Dose Haarspray aus, die er auf den Boden geworfen hat, krache fallend in das Sonderangebot von Kölnisch Wasser und brülle: »Hör endlich auf damit und bleib bei mir!«

»Nein«, sagt er.

Über mir erscheint das Gesicht einer Verkäuferin. Sie sagt: »Es ist doch ein kleines Kind! Können Sie sich denn gar nicht beherrschen?«

Und ich murmele: »Leider nein.«

Das Beste aus meinem Leben

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