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Können Kühlschränke lieben?

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Es war um die Mittagszeit. Ich saß in der Küche und machte eine Pause. Starrte in die regengraue Luft vor dem Fenster. Es war totenstill.

»Schläfst du?«, fragte ich Bosch, meinen sehr alten Kühlschrank und Freund. Er hatte seit einer halben Stunde kein Geräusch von sich gegeben.

»Ich döse nur«, sagte er. »Was ist?«

»Was würdest du sagen, wenn ich Strom in Zukunft woanders bestelle, nicht mehr bei den Stadtwerken, meine ich. Man kann jetzt Strom überall bestellen.«

»Ach ja?«, sagte Bosch. »Ich war in letzter Zeit ganz zufrieden.«

Er hielt inne, dann sagte er: »Worauf willst du hinaus? Verbrauche ich zuviel? Ist dir das Bier nicht mehr kalt genug? Willst du dir einen neuen Kühlschrank kaufen, einen jungen, hübschen, sparsamen? Willst du mich mal wieder wegschmeißen?«

»Fang nicht damit an! Ich wollte dich noch nie wegschmeißen, und jetzt will ich es auch nicht«, sagte ich. Er ist älter als ich. Immer schon neigte er zur Melancholie. Sein Selbstvertrauen war nie groß. Aber in letzter Zeit ist er richtig bitter. Ständig behauptet er, ich wolle ihn loswerden.

»Der Strom ist nicht schlecht hier«, sagte er. »Dabei habe ich ihn anfangs nicht vertragen. Er schmeckte oft so sauer und abgestanden. Ich bekam Kondensatorbrennen davon, und der Strom damals im Haus deiner Eltern, oben im Norden – er war so kühl und immer frisch. Aber in den letzten Jahren ist er auch hier sehr gut.«

Ich schwieg einen Moment und dachte über den Geschmack von Strom nach, da sprach er weiter.

»Weißt du, dass der Herd mir oft den besten Strom wegnimmt?«, zischte er plötzlich. »Er ist ein widerlicher Idiot. Manchmal nimmt er sich viel mehr Strom, als er braucht, und manchmal sogar welchen, wenn er abgeschaltet ist.«

»Quatsch!«, sagte ich. »Kein Herd kann sich Strom nehmen, wenn er abgeschaltet ist.«

»Was weißt denn du?!«, sagte der Kühlschrank. »Was weißt du von den Herden?! Das Schwein da drüben säuft mir den Strom regelrecht weg. Ich habe Mühe, zu überleben.«

»Hetz nicht immer gegen den Herd!«, sagte ich. »Wir brauchen ihn doch.«

»Ich nicht«, sagte Bosch. »Außerdem ist er von Bauknecht. Ich kann Bauknecht nicht leiden.«

»Paola liebt ihn«, sagte ich.

»Paola ist eine Frau«, sagte er.

»Und du?«, fragte ich. »Sind Kühlschränke Männer? Können Kühlschränke – lieben?«

»Ach…«, seufzte er. »In mir ist alles kalt, immer schon ist es so kalt in mir. Meine Seele ist ein gefrorener Kubus. Und die anderen Kühlschränke sind weit weg. Damals, oben am Meer, stand neben mir im Laden, in dem deine Eltern mich kauften, eine Kühltruhe, wochenlang stand sie neben mir und ich neben ihr und… Eines Morgens holte man sie ab. Ich habe sie nie wieder gesehen.«

»Alter…«, murmelte ich, »Mensch, ich… ich will, dass du den besten Strom bekommst.«

»Einmal«, sagte er leise, »da gab es einen Strom, der schmeckte – nach Salz und Meer und nach…« Er summte leise:


»Und peitscht der Sturm auch wild den Mast,

bäumt sich auch die Flut,

dass du niemals mich vergessen hast,

beflügelte meinen Mut.«


»Von wem ist das?«, fragte ich.

»Ein altes Seemannslied…«, seufzte er. »Gibt es Strom, der aus Wind gemacht wird? Ich glaube, der Strom damals war aus Wind.«

»Das kann nicht sein«, sagte ich. »Gab es damals schon Strom aus Wind? Aber heute gibt es welchen. Ich versuche es. Vielleicht kann ich welchen bestellen für dich.«

»Dass du niemals mich vergessen hast…«, brummte er, dann erstarb seine Stimme. »Einmal noch«, sagte er, »einmal noch so einen Strom…«

Dann war es wieder still. Ich strich mit der Hand über seine Tür und ging wieder an die Arbeit.

Das Beste aus meinem Leben

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