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Hoffentlich behandeln sie uns gut

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Vor gar nicht so vielen Jahren wusste kein Mensch, was das Internet ist. Heute gilt einer ohne Internet-Adresse praktisch als Person ohne festen Wohnsitz. Wo wird das enden? Ich sag’s Ihnen.

Beginnen wir in meinem Zeitungsladen, in dem Monat für Monat ein weiterer Regalmeter von Zeitschriften eingenommen wird, die zum Beispiel OS/2 Inside heißen und in deren Artikeln ich keinen einzigen Satz kapiere. Ich greife wahllos zwei Beispiele heraus, erstens: »In der Standardkonfiguration sind die Parameter Client User ID und Client Group ID auf NULL – nicht 0 – gesetzt. Das heißt: Sie existieren nicht.« Zweitens: »Nach ein wenig Einarbeitungszeit kommt man problemlos mit Ausdrücken wie diesem zurecht: (\« ^\« *\«\’ ^’ *’).«

Gebt mir tausend Jahre Einarbeitungszeit, das werde ich nie verstehen! Muss ich auch nicht, es ist nicht für mich geschrieben, und es interessiert mich nicht. Ich könnte mit einem Text auf Koreanisch genauso wenig anfangen. Auch im medizinischen Fachbericht eines Arztes an einen anderen Arzt, betreffend eine Erkrankung meines Unterleibs, wäre mir Satz für Satz verschlossen.

Aber! Jemand könnte mir das Koreanische ins Deutsche übersetzen. Ein Mediziner könnte mir erklären, an welcher Krankheit ich leide. Niemals jedoch wird mir jemand begreiflich machen, was diese beiden Sätze bedeuten. Man kann sie nicht übersetzen. Es ist, als wäre man mit Wesen in Kontakt gekommen, die in einer anderen Dimension leben. Es müssen viele sein, sonst würden nicht jeden Tag neue Zeitschriften mit solchen Sätzen erscheinen. Vor einiger Zeit fand ich sogar schon im Sportteil der Zeitung ein Inserat, in dem eine Firma mitteilte, dass sie dem Leser alles über ein Fußballspiel mitteilen könne, falls er das Match nicht habe sehen können. Die Firma gab ihre Internet-Adresse zur Kenntnis und verabschiedete sich mit den Worten: »Viel Vergnügen wünscht Ihr IT-Partner für Beratung, Systemintegration und Outsourcing.« IT-Partner? Systemintegration? Outsourcing? Wer grüßt da wen?

Ob Leute, die so sprechen und schreiben, noch das gleiche essen wie wir? Vielleicht leben sie nicht mehr von Brot und Butter, Fleisch und Gemüse? Vielleicht sehen sie noch so aus wie wir, tragen Anzüge und Kleider und bezahlen dafür mit Geld, damit sie nicht auffallen. Aber wenn sie allein sind, schlucken sie kleine grüne Tabletten oder verschlingen gierig die Innereien alter Laptops, oder sie verspeisen ihre eigenen Wörter, seltsame Menüs aus Begriffen wie »Bootmanager-Partition«, »Netscape-Browser« und »(»=’«=`«.

Vielleicht lebt mitten unter uns eine Kaste von Wesen, die in einer anderen Wirklichkeit existieren. Sie gehören einer höheren Realität an, von der wir nichts wissen und zu der wir auch nicht vordringen können, weil unsere Gehirne prinzipiell zur Erkenntnis dieser Dimension nicht in der Lage sind: So wie eine Ameise diesen Artikel nicht lesen kann, kann ich nicht OS/2 Inside dechiffrieren. Diese Wesen lesen ihre eigenen Zeitschriften, surfen in ihren eigenen Computer-Netzen, regieren ihre Parallelwelt in eigenen Ministerien. Sie tanzen auf ihren eigenen Parties nach ihrer eigenen Musik, und wenn sie sich mögen, sagen sie »\(»‘ )/?« zueinander und pflanzen sich mit ihren eigenen Geschlechtsorganen fort, die sehr anders als unsere funktionieren.

Das Verhältnis zwischen den Computerexperten und uns wird eines Tages ganz und gar sein wie das Verhältnis zwischen Mensch und Tier. Der Mensch erforscht das Verhalten der Tiere, freut sich an ihrer Existenz und nutzt sie. Wozu werden wir von Nutzen sein? Wird man uns als eine Art Singvögel halten, in Käfigen, unserem Gezwitscher lauschend? Wir werden nicht verstehen, was sie mit uns tun, und auf den Lauf der Welt werden wir keinen Einfluss haben.

Das Beste aus meinem Leben

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