Читать книгу Handbuch Wirtschaftsstrafrecht - Udo Wackernagel, Axel Nordemann, Jurgen Brauer - Страница 441

Оглавление

3. Teil Delikte gegen den Wettbewerb2. Kapitel Wirtschaftskorruption › C. Ausblick

C. Ausblick

I. Weitergehender Änderungsbedarf

1. Einbeziehung des Geschäftsinhabers

137

Das KorrBekG 2015 hat die von vielen als Manko des § 299 StGB empfundene Straflosigkeit der Bestechung des Geschäftsinhabers unberührt gelassen.[1] Vor dem Hintergrund des Schutzgutes „lauterer Wettbewerb“ ist eine uneingeschränkte Freistellung der Bestechlichkeit und Bestechung selbständiger Unternehmer tatsächlich nicht recht verständlich.[2] Eine Ausdehnung des Tatbestandes auf den Geschäftsinhaber, der die Vorteile aus einem „normalen Austauschvertrag“ nicht als Betriebseinnahme verbucht,[3] wäre dennoch mehr als fragwürdig. Im Zweifel wird der als Nachfrager auftretende Geschäftsinhaber keine sachfremde Entscheidung treffen, sondern stets eine solche, die ihm zum Vorteil gereicht, so dass der Leistungswettbewerb durch Bestechungszahlungen an den Geschäftsinhaber nicht gefährdet wird.[4] Ein funktionierendes Wettbewerbsverhältnis setzt gerade voraus, dass die Motivation des Abnehmers durch die Höhe der versprochenen Vorteile beeinflusst wird und er zudem selbst entscheidet, welche Zuwendungen für ihn als Teil des Angebots akzeptabel sind; die unlautere Beeinflussung des Wettbewerbs findet in dieser Ausübung der verfassungsrechtlich garantierten Vertragsfreiheit deutlich ihre Grenzen.[5] Das do ut des von Vorteilsgewährung (etwa einem Preisnachlass oder einer Zusatzleistung) und einer Bevorzugung im Wettbewerb (etwa durch Vertragsschluss) ist sozial völlig unauffällig, da wettbewerbskonform! Die Verfolgung eigennütziger Motive ist in diesem Zusammenhang von der Rechtsordnung zumindest akzeptiert, wenn nicht gar erwünscht. Es bestehen also keine Bedenken, dem Kontrahenten zur Erlangung eines Auftrages die unsinnigsten Zugeständnisse zu machen – etwa die Zugabe eines Wellnessaufenthalts in einem Luxushotel beim Kauf von Ölpumpen –, solange der Geschäftsführer selbst handelt oder vom Agenten nicht noch neben der Bezugsvereinbarung eine separate Unrechtsvereinbarung abgeschlossen oder jedenfalls angestrebt wird.[6] Die Annahme eines wettbewerbswidrigen Verhaltens ist also – wenn überhaupt – nur plausibel, sofern Nachfrager (Leistungsempfänger) und Entscheidungsträger auseinanderfallen. Jedenfalls fehlen (bezogen auf den Prinzipal) klare Kriterien dafür, wie die „sachfremde“ von der – in Bezug auf den (Leistungs-)Wettbewerb – korrekten Entscheidung abzugrenzen sein soll.[7]

138

Für Unternehmen, deren Aufgabe in der Aufklärung und Beratung von Kunden liegt, die gerade für die Sachlichkeit und Unabhängigkeit der Auskunft bzw. Beratung bezahlen, wird vielfach eine Einbeziehung auch des Selbständigen bzw. des Geschäftsinhabers gefordert (also für Anlageberater, Architekten, etc.).[8] Zwar führen diese Inhaber einen eigenen Beratungsbetrieb und verfolgen in erster Linie ihre eigenen unternehmerischen Interessen. Sie schulden dem Kunden jedoch objektive Beratung, wenn die Allgemeinheit kraft ihrer Funktion besonderes Vertrauen in sie als Berater setzt.[9] Ihr Auftritt erfolgt hier nicht mehr als Nachfrager und damit Leistungsempfänger; eine Entscheidung unter Berücksichtigung anderer als der Interessen des Auftraggebers ist also nicht mehr von der Vertragsfreiheit gedeckt und letztlich wettbewerbsschädlich.[10] Damit ist eine Einbeziehung in Fällen solcher „Drittverantwortlichkeit“ sachgemäß. Zu berücksichtigen ist aber, dass viele dieser Fälle bereits von dem geltenden § 299 StGB (in den Wettbewerbsvarianten) erfasst werden, weil der Selbständige oder Geschäftsinhaber Beauftragter des gewerblichen Kunden ist.[11] De lege ferenda ist allerdings eine noch weitere Ausdehnung des Begriffs des „Beauftragten“ denkbar, um etwa auch Fälle zu erfassen, in denen keine vertragliche Beziehung zwischen dem Entscheidungsträger und dem Waren- bzw. Dienstleistungsbezieher besteht.[12] Hinzuweisen ist darauf, dass in den §§ 299a, 299b StGB mittlerweile ein Sonderfall der strafbaren Geschäftsinhaberbestechlichkeit gesetzlich geregelt ist.[13]

2. Erweiterung auf Angestellte und Beauftragte von Privaten

139

Vorstellbar wäre es weiterhin, zumindest für Beratungskonstellationen auch Angestellte und Beauftragte von Privaten in den Tatbestand einzubeziehen, die bisher nach dem Wortlaut („geschäftlicher Betrieb“, jetzt „Unternehmen“) nicht erfasst werden.[14] Zwar ist richtig, dass für „normale Austauschverträge“ ein Strafbedürfnis aufgrund der geringen praktischen Relevanz und der entsprechend geringen Auswirkungen auf den Wettbewerb wohl nicht besteht.[15] Etwa für den Bereich der Anlageberatung dürfte die Situation aber schon anders zu beurteilen sein. Eine entsprechende Erweiterung des Tatbestandes ist angesichts der offensichtlich ausschließlichen Bestrebung des Gesetzgebers der letzten Reformwelle, unionsrechtlichen Vorgaben nachzukommen, allerdings vorerst nicht zu erwarten. Dasselbe gilt für eine wünschenswerte Klarstellung dahingehend, dass Zuwendungen, die allein dem Unternehmen zugutekommen, vom Begriff des „Vorteils für einen Dritten“ ausgenommen sind.[16] – Seit langem wird auch die Ausgestaltung des § 299 StGB (früher § 12 UWG a.F.) als Offizialdelikt gefordert.[17] Die neu eingeführten §§ 299a und b StGB weisen bereits diesen Charakter auf.

3. Erfassung von Korruption im Sport

140

War die korruptive Manipulation von Sportveranstaltungen bislang häufig weder von § 299 StGB noch von anderen Straftatbeständen erfasst,[18] soll mit Einführung der §§ 265c, 265d StGB[19] nunmehr auch die Integrität des Sports vor solchen Angriffen geschützt werden. Dass in Tathandlungen gegen dieses weithin als diffus und zu unbestimmt identifizierte Rechtsgut überhaupt ein strafwürdiger Unrechtskern liegt, wird ganz überwiegend bestritten.[20] Zwar weist der Sportwettbetrug gem. § 265c StGB die Handlungselemente des Vorteilsaustauschs und damit die Grundstruktur der bisher konsentierten Korruptionstatbestände auf; inhaltlich vertypt die Strafnorm allerdings spezifische Vorbereitungshandlungen eines Wettbetrugs.[21] Den Strafverfolgungsbehörden dürfte die Vorschrift zukünftig deshalb in erster Linie als Auffangtatbestand für schwer nachweisbare Betrugskonstellationen im Zusammenhang mit Sportwetten dienen, um die im Rahmen der causa Hoyzer zutage getretenen dogmatischen Hürden zu überwinden.[22] Sollte auch die Betrugsabrede nicht zu beweisen sein, steht mit § 265d StGB ein weiterer – genuin die rein (berufs-)sportliche Manipulation kriminalisierender – Auffangtatbestand zur Verfügung.[23] Neben den Zweifeln an der Strafwürdigkeit des erfassten Verhaltens sind die neuen Straftatbestände durch recht unbestimmte Merkmale geprägt, deren Konkretisierung noch aussteht.[24]

II. Anforderungen an eine effektive Korruptionsbekämpfung

141

Dem Strafrecht kommt bei der Bekämpfung der Korruption in der Wirtschaft eine wichtige,[25] allerdings für sich allein keinesfalls ausreichende Funktion zu.[26] Präventive Maßnahmen, die heute (wieder)[27] unter dem Topos der Selbstregulierung der Wirtschaft diskutiert werden,[28] sind ebenso unverzichtbar.[29] Als „opferloses“ (Kontroll-)Delikt[30] erfordert die Verhinderung bzw. (rechtzeitige) Aufdeckung der Bestechung im geschäftlichen Verkehr insb. den Aufbau effektiver (auch informeller bzw. unternehmensinterner) Kontrollmechanismen.[31] Zu denken ist hier an Compliance-Abteilungen, wie sie mittlerweile wohl alle deutschen Großunternehmen, aber auch viele mittelständisch geprägte Betriebe eingerichtet haben,[32] daneben an die Installierung von Whistleblower-Systemen[33] und (externen) Ombudsleuten (Vertrauensanwälten) für Korruption, die anonyme Hinweise vertraulich entgegennehmen und so bei der Aufdeckung von Missständen und Korruption helfen.[34]

Mindestens ebenso wichtig ist es, die situative Chance von Korruption zu verhindern.[35] Vorsorgemaßnahmen wie Mitarbeiterschulungen, die Sicherstellung von „Jobrotation“ oder Teambildung in Bezug auf wichtige (Bezugs-)Entscheidungen[36] (bei gleichzeitiger personaler Trennung von Leistungsausschreibung und Zuschlagserteilung) liegen – nicht zuletzt im Hinblick auf das Risiko einer Haftung nach §§ 130, 9, 30, 17 Abs. 4 OWiG[37] – im Verantwortungsbereich der Unternehmen.[38] Die effektive Korrputionsbekämpfung erfordert neben präventiv ausgerichteten Compliance-Maßnahmen auch die Durchführung von Internal Investigations,[39] um Gesetzes- oder Complianceverstöße im Unternehmen aufzuklären. Ein verbreitetes Mittel zu diesem Zweck sind Amnestieprogramme. Die Unternehmensseite sagt hier zu, von Kündigung, Schadensersatz und Strafanzeige abzusehen sowie die Anwaltskosten zu übernehmen, wenn sich die Beteiligten wahrheitsgemäß offenbaren. Für die Unternehmensverantwortlichen und die adressierten Mitarbeiter sind solche Programme allerdings nicht risikolos.[40]

142

Verbreitet sind gerade bei international tätigen Konzernen auch sog. mission statements (eine Art Grundsatzerklärung und Bekenntnis der Geschäftsleitung zu gesetzestreuem Verhalten)[41] sowie ergänzend unternehmensinterne Verhaltenskodices („code of conduct“), die die Annahme und Gewährung von Geschenken und anderen Vorteilen regeln.[42] Unter anderem die Etablierung eines solchen Kodex ist für die in den USA börsennotierten Unternehmen aufgrund von sec. 406 des Sarbanes-Oxley-Act seit 2002 gesetzliche Pflicht.[43] Auch die Bundesregierung hat sich um Vorgaben in diesem Bereich bemüht; der am 26.2.2002 verabschiedete Deutsche Corporate Governance Codex (DCGK)[44] besitzt als Selbstverpflichtungsregelung (vgl. § 161 AktG) zwar keinerlei Rechtsverbindlichkeit[45], kann aber gleichwohl die Rechtsanwendung beeinflussen.[46]

143

Zu einer wirksamen Korruptionsbekämpfung gehört auch eine weitergehende Sensibilisierung der Öffentlichkeit für dieses Deliktsfeld, ausreichende Aufklärung und die Vermittlung berufs-/unternehmensethischer Werte.[47] Die Einrichtung eines bundesweit einheitlichen Korruptionsregisters, das die gezielte Überprüfung der Zuverlässigkeit von Unternehmen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ermöglichen soll, war bis zum Jahr 2015 nicht von Erfolg gekrönt.[48] Gerade dieser Bereich hat sich in der Vergangenheit aber als besonders korruptionsanfällig erwiesen.[49] Ziel verschiedener Gesetzesentwürfe war es daher, Unternehmen, deren Unzuverlässigkeit im geschäftlichen Verkehr infolge schwerer Verfehlungen[50] – etwa durch illegale Beschäftigung, Verstöße gegen die Tariftreueregelung oder eben Korruption bei der Bewerbung um einen öffentlichen Auftrag – ohne vernünftige Zweifel nachgewiesen ist, vom öffentlichen Vergabewettbewerb auszuschließen.[51] Aufgrund des mehrfachen Scheiterns auf Bundesebene sahen sich eine Reihe von Bundesländern veranlasst, für ihren Zuständigkeitsbereich entsprechend gelagerte Rechtsbestimmungen zu erlassen.[52] Nachdem die Diskussion über die Einführung eines Korruptionsregisters auf Bundesebene durch verschiedene umzusetzende EU-Richtlinien und die Modernisierung des Vergaberechts[53] wieder an Fahrt aufgenommen hatte, legte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie am 23.2.2017 einen Referentenentwurf zur Einführung eines Wettbewerbsregisters vor.[54] Auf dieser Grundlage trat am 29.7.2017 das „Gesetz zur Einführung eines Wettbewerbsregisters und zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen“ (WRegG) v. 18.7.2017 in Kraft.[55] Das Register wird vom Bundeskartellamt als zuständige Registerbehörde (spätestens ab 2020) geführt werden und verpflichtet öffentliche Auftraggeber (§ 99 GWB) nach § 6 Abs. 1 WRegG ab einem Auftragswert von 30.000,- € zur Abfrage.[56] Die bestehenden landesrechtlichen Korruptionsregister werden damit überflüssig.[57] Eintragungsfähig sind fast alle Delikte des Wirtschaftsstrafrechts (vgl. § 2 Abs. 1 und Abs. 2 WRegG i.V.m. § 123 GWB), sofern das Verhalten nach § 2 Abs. 3 S. 2 WRegG dem Unternehmen zugerechnet werden kann. Der Ausschluss von der Auftragsvergabe, den eine Eintragung im Wettbewerbsregister faktisch zur Folge haben wird,[58] macht effektive Compliance-Maßnahmen umso wichtiger – auch um im Nachhinein eine vorzeitige Löschung aus dem Register durch den Nachweis der Selbstreinigung § 8 Abs. 1 S. 1 WRegG i.V.m. § 125 GWB (§ 123 Abs. 4 S. 2 GWB) zu erreichen.[59]

Handbuch Wirtschaftsstrafrecht

Подняться наверх