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2. Grundsätzliche Bewertung der §§ 299a, 299b StGB

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Die neu eingeführten §§ 299a, 299b StGB erfassen – eine richtige Handhabung vorausgesetzt – strafwürdiges Unrecht[86] und sind in ihrer geltenden Fassung auch verfassungsgemäß.[87] Insbesondere lässt sich den grundsätzlich durchaus berechtigten Bedenken hinsichtlich der ausreichenden Bestimmtheit dieser Tatbestände durch eine sorgfältige Auslegung Rechnung tragen.[88] Auch die Behauptung, die §§ 299a, 299b StGB stellten gleichheitswidriges Sonderstrafrecht für Heilberufsangehörige dar,[89] geht fehl, da der Gesetzgeber sich im Rahmen der ihm soweit zustehenden Einschätzungsprärogative[90] in vertretbarer Weise dafür entschieden hat, angesichts der hohen strukturellen Korruptionsrisiken im Gesundheitssektor[91] sowie der in Art. 2 Abs. 1 GG wurzelnden staatlichen Schutzpflicht für die durch Korruption gefährdete Gesundheit der Patienten von Heilberufsangehörigen besondere strafrechtliche Regelungen vorzusehen, die für andere Freiberufler (z.B. Rechtsanwälte) nicht gelten.[92] Für den Bereich der vertragsärztlichen Versorgung lässt sich sogar umgekehrt die Frage stellen, ob es nicht vielmehr gleichheitswidrig wäre, die hier tätigen Heilberufsangehörigen wegen ihrer sozialrechtlich besonders ausgestalteten Beziehung zu den Kostenträgern nicht unter das Korruptionsstrafrecht zu fassen, während die Strafbarkeit für die Bestechlichkeit und Bestechung im Übrigen geschäftlichen Verkehr (und damit insbesondere auch bezüglich abhängig beschäftigter Heilberufsangehöriger) ausgedehnt wird.[93]

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De lege ferenda sind – wie ursprünglich im Regierungsentwurf vom 21.10.2015 vorgesehen[94] – auch Abgabeentscheidungen von Apothekern – jedenfalls im Bereich apotheken-, aber nicht verschreibungspflichtiger „Over-the-counter“-Medikamente[95] – in den Anwendungsbereich von § 299a StGB aufzunehmen.[96] Dagegen spricht insbesondere nicht der Umstand, dass Apotheker – in der von § 299 StGB bekannten Terminologie ausgedrückt – als Geschäfts- bzw. Unternehmensinhaber agieren und ihr Verhalten das Schutzgut „Wettbewerb“ von vornherein nicht berührt.[97] Denn anders als ein „normaler“ Unternehmer schulden Apotheker ihren Patienten kraft ihres (Heil-)Berufsstandes objektive, finanziell nicht unsachgemäß beeinflusste Beratung (sog. Drittverantwortlichkeit) und agieren daher nicht wie jeder andere Nachfrager am Markt; Bezugsentscheidungen unter Berücksichtigung anderer als der Interessen des Patienten sind von vornherein nicht mehr von der Vertragsfreiheit gedeckt und daher letztlich wettbewerbsschädlich.[98] Ferner erscheint es möglich, vorteilsmotivierte Abgabeentscheidungen bei Apothekern in den Tatbestand miteinzubeziehen ohne dabei zugleich jeden Verstoß gegen die (unübersichtlichen) Preis- und Rabattregularien im Arzneimittelbereich zur Straftat heraufzuzonen.[99] Eine generelle Ausdehnung des Tatbestands auf vorteilsmotivierte Berufspflichtverletzungen ist dagegen – insbesondere wegen der damit verbundenen Bestimmtheits-[100] und Kompetenz- bzw. Legitimationsprobleme (Berufskammern als „kleine“ Strafrechtsgesetzgeber)[101] – nicht sachgerecht[102] und im Übrigen auch durch den Rahmenbeschluss 2003/568/JI v. 22.7.2003[103] unionsrechtlich nicht geboten.[104]

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Zustimmung gebührt der Forderung, Clearing-Verfahren einzuführen, in denen heilberufliche Kooperationsvereinbarungen im Einzelfall rechtsverbindlich auf ihre Zulässigkeit untersucht werden können.[105]

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