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1. Jüngere Gesetzgebungsgeschichte

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Ausgelöst durch einen Aufsatz von Pragal[53] hat sich (spätestens)[54] seit dem Jahr 2005 eine intensive Debatte um die Frage entsponnen, ob und inwieweit die – von vielen zurecht als unzureichend empfundenen[55] – berufs-, sozial- und wettbewerbsrechtlichen Instrumente der Korruptionsbekämpfung im Gesundheitswesen sowie die entsprechenden Selbstregulierungsbemühungen der Gesundheitsindustrie verstärkt durch den Einsatz von Strafrecht flankiert werden sollten.[56] Da angestellte Heilberufsangehörige ohne Zweifel dem § 299 StGB oder – wenn sie in Krankenhäusern mit öffentlicher Trägerschaft tätig und damit Amtsträger i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c) StGB sind – sogar den §§ 331 ff. StGB unterfallen,[57] hat sich die Debatte dabei vor allem auf selbstständig tätige Heilberufsangehörige – insbesondere niedergelassene Vertragsärzte und Vertragszahnärzte sowie selbstständige Apotheker – konzentriert. Von großer Bedeutung war insoweit der Beschluss des Großen Senats für Strafsachen des BGH vom 29.3.2012,[58] in dem dieser entschied, dass niedergelassene Vertragsärzte bei der Ausübung der ihnen gem. § 73 Abs. 2 SGB V übertragenen Aufgaben de lege lata weder als Amtsträger i.S.d. §§ 331 ff. StGB[59] noch als „Beauftragte“ der Krankenkasse oder der Patienten i.S.v. § 299 StGB anzusehen sind.[60]

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Da die – nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des BGH feststehende – und auch durch die sog. Vertragsarztuntreue gem. § 266 StGB[61] sowie den Abrechnungsbetrug i.S.v. § 263 StGB[62] nicht vollständig zu schließende Strafbarkeitslücke[63] im Bereich der niedergelassenen Heilkunde vielfach als unbefriedigend wahrgenommen wurde[64] und auch auf Ebene der Europäischen Union nicht unbemerkt blieb,[65] brachten die (Oppositions-)Fraktionen von SPD,[66] DIE LINKE[67] und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN[68] in der 17. Legislaturperiode mehrere Anträge zu einer entsprechenden Ergänzung des Strafgesetzbuches in den Bundestag ein, die jedoch jeweils keine Mehrheit fanden.[69] Widerwillig rang sich im Juni 2013 schließlich auch die Regierungskoalition aus CDU, CSU und FDP dazu durch, einen Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen, der einen neuen Straftatbestand der Bestechlichkeit bzw. Bestechung von „Leistungserbringern“ (§§ 307c, 70 Abs. 3 SGB V-E) enthielt.[70] Der von der Opposition dominierte Bundesrat blockierte das Vorhaben jedoch[71] und schlug seinerseits die Einführung eines neuen § 299a StGB („Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen“) vor.[72] Beide Gesetzesvorhaben konnten in der ausgehenden Legislaturperiode allerdings nicht mehr zum Abschluss gebracht werden und fielen dem Grundsatz der sachlichen Diskontinuität (§ 125 GO-BT) zum Opfer.

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In der 18. Legislaturperiode wurde das Vorhaben durch die neu gebildete Regierungskoalition aus CDU, CSU und SPD jedoch wieder aufgenommen. Ausgangspunkt der politischen Debatte war nun zunächst ein Referentenentwurf aus dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) vom 4.2.2015,[73] der auf einem beinahe wortgleichen Vorschlag des bayrischen Staatsministeriums der Justiz vom 15.1.2015 beruhte[74] und im Kern die Einführung eines neuen Straftatbestands der „Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen“ (§ 299a Ref-E) vorsah. Die Bundesregierung beschloss diesen Entwurf am 29.7.2015 in leicht veränderter Fassung – insbesondere wurden die Tatbestände der Bestechlichkeit und Bestechung in zwei § 299a StGB-RegE und § 299b StGB-RegE aufgeteilt – und brachte ihn (nach vorheriger Beteiligung des Bundesrates[75]) am 21.10.2015 in den Bundestag ein.[76] Die am 13.4.2016 vorgelegte Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz wich von diesem Regierungsentwurf jedoch noch einmal erheblich ab. Insbesondere wurden die noch im Regierungsentwurf enthaltenen Tatbestandsvarianten der §§ 299a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 299b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StGB-RegE, wonach auch die vorteilsmotivierte Verletzung von Berufspflichten strafbar sein sollte, unter dem Eindruck (größtenteils) berechtigter Kritik[77] ersatzlos gestrichen.

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Rechtspolitisch nicht einsichtig ist dagegen der Umstand, dass auch die „Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten“ als Anknüpfungspunkt für eine korruptive Unrechtsvereinbarung aus dem Tatbestand der §§ 299a, 299b StGB-RegE gestrichen und durch das Merkmal des „Bezugs von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind“, ersetzt wurde.[78] Diese Änderung führt jedenfalls nach herrschender Lesart dazu, dass Apotheker faktisch vom Tatbestand des § 299a StGB ausgenommen sind, weil sie zwar zum Kreis der tauglichen Täter des § 299a StGB zählen,[79] von Ausnahmefällen abgesehen[80] aber keine der in § 299a Nr. 1–3 StGB genannten heilberuflichen Entscheidungen treffen.[81] Eine dritte wichtige Änderung betraf die Ausgestaltung der §§ 299a, 299b StGB als Offizialdelikte; der Regierungsentwurf hatte insofern in § 301 StGB-RegE noch ein relatives Strafantragserfordernis vorgesehen.

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Ungeachtet der vom Bundesrat geäußerten Bedenken[82] passierte die genannte Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am 14.4.2016 den Bundesrat[83] und wurde am 13.5.2016 vom Bundestag beschlossen.[84] Daraufhin trat das „Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen“ – mit den neu eingeführten Straftatbeständen der §§ 299a, 299b StGB als Kernregelungen – am 4.6.2016 in Kraft.[85]

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