Читать книгу Kati Küppers und der gefallene Kaplan - Barbara Steuten - Страница 15
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ОглавлениеAls sie ins Haus traten, empfing sie ein vielversprechender Duft von geschmorten Zwiebeln und Fleisch. Erst jetzt bemerkte Benedikt, dass er Hunger hatte. Sein Magen meldete sich lautstark und Oma Kati grinste.
»Jo, ich liebe dich«, murmelte sie und marschierte schnurstracks in die Küche.
Die Dunstabzugshaube lief auf höchster Stufe. Am Herd stand Opa Jo, streute ein paar Kräuter in die Pfanne und rührte.
»Boah, riecht das gut«, schrie Benedikt gegen den Lärm an. Jo drehte sich um.
»Da seid ihr ja endlich. Benedikt, mein Junge, wo willst du noch hin? Bald brauch ich ne Leiter, wenn ich dich umarmen will.« Er klopfte seinem Enkel auf den Rücken. »Das Essen ist gleich fertig.«
Dann wandte er sich an Kati. »Und du, holdes Weib, verrätst mir bitte, was du angestellt hast. Ich gehe zum Metzger und alle Gespräche verstummen. Auf der Straße schauen Nachbarn nur noch auf ihre Schuhspitzen. Nicht mal der Heinrich brüllt seinen Senf aus dem Fenster. Und Pater Remigius krächzt mit letztem Stimmchen ins Telefon, dass du ihn sofort zurückrufen sollst, wenn du wieder zu Hause bist. Was hab ich verpasst?«
Während der Aufzählung ihres Mannes wurden Katis Augen immer runder. Sie setzte sich auf den nächstbesten Küchenstuhl und berichtete von ihrem Verhör auf der Polizeiwache.
Jo stellte den Herd ab, drückte Benedikt drei Teller in die Hand und schraubte den Korkenzieher in die Weinflasche. Mit einem satten Plopp öffnete er den Rioja und goss einen Schluck ins Glas. Er betrachtete das dunkle Rot, atmete den würzigen Geruch ein und probierte. Dann schenkte er das zweite Glas ein, stellte es vor seine Frau und füllte sein eigenes Glas nach.
»Dieser Kommissar glaubt allen Ernstes, ich hätte den Kaplan vergiftet«, ereiferte sich Kati.
Jo setzte sich neben sie, legte einen Arm um ihre Schulter und drückte ihr einen Kuss aufs Haar. »Wenn ich dich nicht schon seit der Erschaffung des Paradieses kennen würde, würde ich dich auch für die Mörderin halten. Es passt einfach alles zusammen.«
Kati stiegen die Tränen in die Augen. Tränen der Anspannung und der Wut.
»Ob mir jemand etwas anhängen will und den Tod des Kaplans nur billigend in Kauf genommen hat?«, mutmaßte sie und nahm einen kräftigen Schluck Rotwein.
»Dass jemand versucht, dir die Schuld in die Schuhe zu schieben, glaube ich sofort. Aber doch wohl nur, um den Verdacht von sich abzulenken.« Jo platzierte zwei Topfuntersetzer auf dem Küchentisch und holte die Pfanne vom Herd. Benedikt hatte in der Zwischenzeit Besteck neben die Teller gelegt und zwei Flaschen Wasser auf den Tisch gestellt.
»Das Gift war im Messwein in der Kapelle. Wie kam es dort hin?«, mischte er sich in die Überlegungen ein.
»Sicher ist nur, dass es nicht von Anfang an drin gewesen ist«, gab Kati zu bedenken. »Die Flasche war angebrochen.«
»Lasst uns mal eine Liste mit den Namen aufstellen, die einen Schlüssel zur Kapelle haben.«
»Das geht schnell«, winkte Kati ab. »Das sind nicht viele.«
»Als Küsterin weißt du doch bestimmt, wer sich über den Kaplan aufregt. Und über wen er sich aufgeregt hat. Vielleicht finden wir ein plausibles Motiv«, schlug Benedikt vor.
Kati Küppers holte tief Luft, schloss für einen Augenblick die Augen und ging in Gedanken eine ganz andere Liste durch. Die der vierzehn Nothelfer. Die heilige Barbara hatte sie heute Morgen direkt bemüht. Der heilige Achatius, Helfer in Lebensnöten und Todesängsten, schien ihr tröstlich. Allerdings könnte ihr Anliegen auch in die Zuständigkeit des heiligen Cyriakus fallen, dem Diakon mit dem gefesselten Dämon. Dem Helfer gegen böse Geister. Dem Patron der Unterdrückten. Beiden schickte sie ihren Hilferuf. Sie schaute Benedikt traurig an und sagte: »Die Letzte, die sich mit ihm gestritten hat, war wahrscheinlich ich.« Sie ließ den Kopf hängen, griff nach ihrem Glas und nahm einen weiteren kräftigen Schluck, bevor sie erzählte, was in der Kapelle vorgefallen war.
Jo stellte den Kartoffeltopf auf den Tisch und teilte jedem drei volle Löffel zu. Darüber verteilte er Geschnetzeltes mit Zwiebeln und Champignons. Schließlich setzte er sich, senkte den Kopf und faltete die Hände.
»Lasst uns beten: Alle guten Gaben …« Kati und Benedikt stimmten in das Tischgebet ein.
Die ersten Bissen aßen sie schweigend, jeder hing seinen Gedanken nach. Dann zog Benedikt sein Smartphone aus der Tasche und wischte darauf herum.
»Ich muss mir ein paar Notizen machen«, erklärte er. »Unterbrecht mich, wenn ich etwas missverstanden habe. Also, der Täter hat Gift in den Messwein geschüttet. Damit haben wir es wahrscheinlich mit einer Frau zu tun.«
Kati schnappte nach Luft. »Soll das heißen, mit Gift morden nur Frauen? Lass das nicht die Gleichstellungsbeauftragte der katholischen Kirche hören.«
»Sowas gibt es?«, amüsierte sich Benedikt. »Hilft die den Frauen, die sich fürs Papstamt bewerben?« Es tat gut, die Spannung wegzulachen.
»Wann war die letzte Messe in der Kapelle?« Benedikt war schnell wieder bei der Sache.
»Im Oktober finden dort nur freitags Messen statt. Demnach war die letzte Messfeier vergangenen Freitag.«
»Wer hat die gemacht?«
»Zelebriert, sagt man«, korrigierte Oma Kati ihren Enkel und hörte sich dabei an wie seine Geschichtslehrerin. »Die hat auch Kaplan Overath gelesen.«
»Ich dachte, es heißt zelebriert«, erwiderte Benedikt spitz und Kati verdrehte die Augen.
»War die Flasche an dem Freitag schon angebrochen?«
Oma Kati nickte.
»Okay«, fuhr Benedikt fort und tippte ein Memo ins Handy. »Das grenzt den Zeitraum schon einmal ein. Der Täter hat also irgendwann zwischen letzter Woche Freitag - und zwar nach der Messe - und heute Morgen vor der Messe das Gift in den Wein gekippt.« Kati und Jo quittierten die Kombinationsgabe ihres Enkels mit einem anerkennenden Nicken.
»Wer war in dieser Zeit in der Kapelle?«
»In der Kapelle waren einige. Aber wir können uns auf die konzentrieren, die in der Sakristei waren.«
Kati sah Benedikts fragenden Blick und hob zu einer Erklärung an. »Dort werden der Messwein und die nicht konsekrierten Hostien aufbewahrt.«
»Die was?«
Kati lächelte. »Nicht konsekrierte Hostien sind die Hostien, die noch nicht durch den Priester während der Messe in den Leib Christi gewandelt wurden. Wenn du so willst, handelt es sich zu diesem Zeitpunkt noch um stinknormale Oblaten. Obwohl so stinknormal auch wieder nicht. Wir kaufen die nicht bei Aldi.«
»Sondern?«, fragte Benedikt interessiert.
»Sie werden im Kloster der Benediktinerinnen gebacken. Dein Namenspatron, der heilige Benedikt, legte in seiner Ordensregel nämlich großen Wert darauf, dass die Mönche von ihrer Hände Arbeit lebten.«
»Und die Nonnen können von der Hostienbäckerei leben?«
»Nein, davon allein sicher nicht. Sie sticken auch Priestergewänder und Fahnen. Paramentenstickerei. Schon mal gehört?«
Benedikt schüttelte den Kopf. »Fahnen?«
Kati grinste. »Keine billigen Deutschlandfähnchen fürs Auto. Aber es gibt ja hier Gott sei Dank genug Vereine, denk nur an die Schützen, die ihr Brauchtum pflegen und damit auch die Klöster am Leben halten.«
»Das erste Mal, dass ich diesen Vereinen was abgewinnen kann.« Benedikt rümpfte die Nase.
»Täusch dich nicht, junger Mann«, mischte sich jetzt Jo ein. »Manchmal lohnt sich ein zweiter Blick.«
»Warum marschierst du dann nicht im Schützenzug mit?«
Jo grinste. »Ich trinke lieber Wein als Bier.« Er hob sein Glas und prostete seinem Enkel zu.
»Also«, fuhr Benedikt fort, »Hostien und Messwein werden in der Sakristei aufbewahrt. Und die ist immer verschlossen?«
»Ja. Man gelangt auf zwei Wegen in die Sakristei. Einmal direkt. Der andere führt durch die Kapelle. Aber für beide braucht man einen Schlüssel. Nur wenn Messe ist, ist die Kapelle geöffnet.« Kati legte Gabel und Messer schräg auf den leeren Teller und schob ihn von sich.
»Und wer hat jetzt alles einen Schlüssel außer dir?«, ließ Benedikt nicht locker.
»Kaplan Overath hatte einen. Pater Remigius.« Plötzlich sprang Kati auf. »Himmel, ich sollte ihn doch zurückrufen. Aber wenn er kaum einen Ton herausbekommt, gehe ich vielleicht besser bei ihm vorbei?«
Jo nickte zustimmend. »Gute Idee. Nimm ihm den Rest Fleisch und Kartoffeln mit. Wenn er krank ist, ist er vielleicht froh, nicht kochen zu müssen.«
Kati drückte Jo einen dicken Kuss auf die Wange, kippte das Fleisch mit der Soße über die restlichen Kartoffeln und eilte mit dem Topf aus der Tür.
Jo erhob sich und räumte die Teller zusammen. »Ich kann dir leider bei deiner Schlüsselliste nicht weiterhelfen. Das weiß Oma besser. Aber mir geht die ganze Zeit durch den Kopf, dass die Polizei Oma verdächtigt, weil sie Apothekenhelferin war.«
»Wie hieß nochmal das Gift, das die Mörderin verwendet hat?«
»Sie sprach von Strychnin.«
Benedikt tippte das Gift in sein Smartphone. »Mist, ich hab hier keinen vernünftigen Empfang.«
»Geh doch an den Rechner im Gästezimmer. Da kannst du auch ausdrucken.« Benedikt wollte gerade Opa Jo erklären, dass man die Umwelt schont, wenn man nicht jeden Fitzel ausdruckte. Außerdem musste er dringend Omas Laptop aufsetzen. Der alte PC im Gästezimmer war lahm wie Lazarus. Doch als er sah, wie Opa Jo grübelnd den Tisch abräumte, ließ er es bleiben. Er hielt das Handy hoch und hoffte, dass es eine Stelle in der Küche gab, an der sich das Signal verstärkte. Jo zwinkerte seinem Enkel zu. »Versuch es mal oben im Treppenhaus. Vielleicht ist da der Empfang besser.«