Читать книгу Kati Küppers und der gefallene Kaplan - Barbara Steuten - Страница 17
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ОглавлениеLässig setzte Rommerskirchen seinen Audi in die enge Parklücke. Vor dem Haus stand Rike mit einem Mann mittleren Alters und winkte. Als Rommerskirchen auf die beiden zuging, streckte der Mann ihm die Hand entgegen.
»Herr Rommerskirchen, richtig? Ich bin Thomas Baumann von der Makleragentur. Schön, dass Sie so schnell kommen konnten. Dann wollen wir uns die Wohnung doch mal ansehen, solange es noch hell genug ist. Ich bin mir nämlich nicht sicher, ob der Vormieter noch eine Lampe hängen gelassen hat.« Er lächelte und entblößte dabei zwei Reihen strahlend weißer Zähne. Rike kicherte, stellte sich auf die Zehenspitzen und wartete, bis Rommerskirchen sich zu einem Kuss hinunterbeugte. Im ersten Stock über ihnen schloss jemand geräuschvoll das Fenster. Als Rommerskirchen hochschaute, schwang die Gardine heftig hin und her. Herr Baumann hatte in der Zwischenzeit die Haustür aufgeschlossen.
»Bitte, nach Ihnen«, ließ er Rike den Vortritt und schob sich lächelnd vor Rommerskirchen durch die Tür. »Wir müssen in den zweiten Stock. In diesem Haus wohnen drei Parteien. Ein ruhiges älteres Ehepaar im Parterre. Leider haben Sie nicht die Möglichkeit, den herrlichen Garten mitnutzen zu können. Auf der mittleren Etage wohnt ein alleinstehender älterer Herr, den wir zumindest eben gehört haben«, Baumann lachte am lautesten über seinen Witz, »und hier ist vielleicht Ihr zukünftiges Reich.«
Sie waren inzwischen vor der Wohnungstür angekommen und der Makler brauchte mehrere Versuche, den richtigen Schlüssel zu finden. Dann öffnete er die Tür und ließ dieses Mal beiden den Vortritt: »Voilà. Bitte sehr. Treten Sie ein. Schauen Sie sich um.«
Die Wohnung war hell und warm. Im Flur roch es nach Farbe. Links zweigten Küche und Badezimmer ab. Während Rommerskirchen das Bad inspizierte, in Gedanken als Erstes den Duschvorhang entsorgte, und die Ecken nach Stockflecken und Schimmelspuren absuchte, überboten sich Rike und der Makler in ihren Begeisterungsbekundungen über die grandiose Aussicht auf die schlichte Schönheit der romanischen Dorfkirche. Rommerskirchen trat hinter sie, warf einen Blick auf Kirche und Straße und kommentierte kurz und knapp: »Schön.« Dann inspizierte er interessiert den Herd, der aus den frühen 50ern des letzten Jahrtausends zu stammen schien. Er hätte sich gut in einem Museum gemacht, wenn jemand den Elan aufgebracht hätte, die Gebrauchsspuren und Verkrustungen der letzten Jahrzehnte zu beseitigen. Mit spitzen Fingern öffnete Rommerskirchen die Ofenklappe und stellte fest, dass es keine Innenraumbeleuchtung gab. Draußen setzte langsam die Dämmerung ein. Bei Licht hätte er die Ofentür wahrscheinlich nicht einmal berührt. Hinter der Tür stand ein Besenschrank, der fast bis unter die Decke reichte, und so schief in der Ecke lehnte, dass man vorsichtig an ihm vorbeischlich, um keinen Windhauch zu riskieren, der das Ding zum Einsturz bringen könnte.
»Schön«, wiederholte Rommerskirchen schmallippig und sah sich im hinteren Teil der Wohnung um. Der Makler hatte ihn überholt und kommentierte. »Wohnzimmer, Schlafzimmer, Kinderzimmer.«
Rike kicherte. Rommerskirchen funkelte den Immobilienvermittler an. »Arbeitszimmer«, korrigierte er ihn.
»Der Vermieter stellt Ihnen frei, die Teppichböden zu übernehmen oder rauszureißen. Laminat untersagt er allerdings. Wegen der Lärmbelastung für die Mieter unter Ihnen.«
Es klingelte und der Makler betätigte den Türöffner, ohne die Gegensprechanlage zu benutzen.
»Wenn Sie noch Fragen haben, ich bin noch eine Weile hier. Und wenn Sie an der Wohnung interessiert sind, schicken Sie mir einfach eine SMS. Die Nummer haben Sie ja«, wandte er sich an Rike, bevor er der nächsten Interessentin die Hand schüttelte.
Rommerskirchen schaute aus dem Giebelfenster des Arbeitszimmers. In gebührendem Abstand standen zwei Reihen Häuser, dahinter erstreckten sich Felder bis zum Horizont, hier und dort von ein paar Bäumen und Büschen unterbrochen. Schließlich entdeckte er das Band der Autobahn, auf dem sich Auto an Auto im Feierabendverkehr nach Hause schob. Rike stellte sich neben ihn und hakte sich bei ihm unter.
»Und?«, fragte sie und blickte ihn erwartungsvoll an. Er schwieg. »Sag schon«, ließ sie nicht locker. »Wie gefällt sie dir?«
Er zählte bis fünf, ehe er antwortete. Rike wippte neben ihm auf und ab.
»Der Preis ist gut. Die Lage ist gut. Der Schnitt der Wohnung ist gut. Küche und Bad haben ein Fenster.« Rike strahlte. Rommerskirchen konnte sich nicht beherrschen, ihre Begeisterung zu dämpfen. »Der Herd ist scheiße. Der Teppich siffig. Und die Kacheln im Bad strahlen einen exorbitanten 70er-Jahre-Charme aus.«
Der Makler hatte unbemerkt den Raum betreten und gluckste leise. »Ist wieder voll im Trend«, bekundete er vergnügt. »Aber Ihre Kacheln sind original, nicht Retro.«
Rommerskirchen fühlte sich ertappt. Rikes runde Augen, bevor sie stumm den Blick senkte und das Zimmer verließ, brannten sich in sein Herz.
»Gibt es noch Kellerräume und einen Dachstuhl zum Wäschetrocknen?«
»Wenn Sie noch einen Augenblick Zeit haben, gehen wir gemeinsam in den Keller. Den Dachstuhl finden Sie bestimmt auch ohne mich.«
Rommerskirchen nickte und verließ die Wohnung. Er schaute ins Treppenhaus hinunter. Von Rike keine Spur. Dann stieg er die Treppe zum Dachstuhl hoch. Auf der vorletzten Stufe saß ein schlaksiger Jugendlicher und daddelte auf seinem Smartphone, das prompt mit einem Pfeifton antwortete.
»Da ist zu«, bemerkte er lapidar, als er hochschaute.
»Okay«, antwortete Rommerskirchen und hob abwinkend die Hand. »Meine Freundin und ich haben uns gerade die Wohnung im oberen Stock angesehen.«
Der Junge nickte nur kurz und schwieg.
»Wohnst du hier?«
Jetzt schüttelte er den Kopf.
»Nur zu Besuch bei meinen Großeltern.«
»Schade«, gab Rommerskirchen zurück. »Dann kannst du mir wahrscheinlich nicht verraten, ob man es hier auch längerfristig aushalten kann.« Er grinste spitzbübisch und zuckte mit den Schultern.
Der Junge tat es ihm gleich.
»Wahrscheinlich.«
Rommerskirchen strich sich übers Kinn.
»Wahrscheinlich kannst du es mir nicht sagen oder wahrscheinlich kann man es hier aushalten?«
»Beides.«
»Ich merke schon«, seufzte Rommerskirchen und setzte sich neben den Jungen auf die Treppenstufe, »wenn du einmal ins Reden kommst, wird deine Informationsflut zum reißenden Tsunami.«
Der Junge grinste breit.
»Hier oben unterm Dach haben Sie Handyempfang.«
Rommerskirchen hob den Daumen. Als Jugendlicher brauchte man heute wirklich nicht mehr viele Worte.
»Ich heiße übrigens Philip.« Er steckte betont lässig die Hände in die Potaschen.
»Bene«, antwortete der Junge und streckte ihm altmodisch die Hand entgegen.
»Va bene.« Rommerskirchen schüttelte ratlos die gereichte Hand. »Und du heißt?«
Der Junge stutzte kurz, dann wiederholte er: »Bene. Eigentlich Benedikt, aber das ist den meisten zu lang.«
Rommerskirchen schlug sich vor die Stirn.
»Jetzt hab auch ich es kapiert. Eigentlich ganz klar.« Im Stockwerk unter ihnen hörte man den Makler mit der anderen Interessentin in den Flur treten.
»Ich muss los.« Rommerskirchen erhob sich. »Vielleicht sieht man sich ja noch mal.«
Bene nickte. »Viel Glück«, murmelte er und wünschte sich, dass dieser coole junge Mann bald hier wohnte.