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Biblische und außerbiblische Bezüge und traditionsgeschichtliche Aspekte Biblische Referenzen

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Wie die Kommentierung im Einzelnen zeigen wird, ist die Erzählung sehr eng mit der biblischen Überlieferung verbunden, indem sie in einem reichen Maße auf ältere biblische Texte und Traditionen rekurriert. Bereits Israel Abrahams hat in einem 1893 erschienenen Aufsatz mit dem Titel „Tobit and Genesis“ darauf aufmerksam gemacht, in welch hohem Maße die Erzählung an Überlieferungen aus dem Pentateuch erinnert. Dabei hatte er insbesondere die Bestattungsnotizen im Blick.103 Lothar Ruppert, der in diesem Kontext „von einer nachgestaltenden Erzählung“ sprechen kann,104 sowie Paul Deselaers,105 George W. E. Nickelsburg,106 Steven Weitzman,107 Norbert J. Hofmann108 und Micah H. Kiel109 haben diesen Ansatz aufgegriffen und weiter ausgebaut.110

Wenn auch eine ausführliche Klassifikation der unterschiedlichen Referenzen einer eigenen Arbeit vorbehalten bleiben und für einzelne Bezüge auf die Kommentierung selbst verwiesen werden muss, können an dieser Stelle doch einige grundlegende Linien gezogen werden.

Gesetz des Mose– Ein klarer Rekurs auf die biblische Überlieferung erfolgt mit der Wendung vom „Buch des Mose“ bzw. dem „Gesetz des Mose“. Sie hat in der Überlieferung des Buches zwei konkrete Haftpunkte: zum einen in a) den Bestimmungen zur Wallfahrt nach Jerusalem und den Tempelabgaben, wodurch eine klare Fokussierung auf kultische Zusammenhänge erfolgt, und zum anderen b) im Kontext der Endogamieforderung.

a) Bemerkenswert im Hinblick auf das Motiv der Jerusalemwallfahrt mit den Abgaben an den Jerusalemer Tempel (1,4–8; vgl. 1,8: νόμος Μωσῆ) ist zunächst, dass die einzelnen Bestimmungen hier sehr differenziert dargelegt werden, wobei zahlreiche Rückgriffe auf unterschiedliche biblische Gebote zu den Abgaben erfolgen.111

b) Der zweite Haftpunkt hängt mit dem Gebot der Endogamie zusammen, wonach der junge Tobias seine Verwandte Sara heiraten bzw. Sara einen Verwandten zum Ehemann nehmen soll. Die Referenz erfolgt zum ersten Mal in Tob 6,13 (siehe auch 7,11.12.13). Die Endogamieforderung der Abschiedsrede (4,12) enthält diesen expliziten Schriftbezug nicht; ebenso fehlt er im Gebet Saras (3,14). Allerdings findet sich an keiner Stelle der biblischen Überlieferung eine Bestimmung, die genau auf die hier vorliegende Form des Endogamiegebots, das auf die Heirat mit dem nächsten Verwandten ausgelegt ist und dessen Verletzung unter Todesstrafe steht, passt. Es ist anzunehmen, dass hier eine freie Auslegung der biblischen Erbtöchtertora (Num 27,1–11; 36,1–12) vorliegt, die den Terminus „Tora“ in einem weiteren Sinne auffasst, was auf eine Unterscheidung von „mündlicher“ und „schriftlicher Tora“ hinausläuft.112

Prophetische Traditionen– Prophetische Traditionen werden ausdrücklich eingeführt, wenn Tob 2,6 mit einer Zitationsformel auf Am 8,10 verweist und den betreffenden Vers auch im Wortlaut wiedergibt. Eine weitere explizite biblische Referenz (allerdings ohne Zitation einer bestimmten Stelle) findet sich in Tob 14,4 mit dem Verweis auf die Verkündigung Nahums zur Zerstörung Ninives. Tob 14,4.5 rekurriert zudem ganz allgemein auf die Verkündigung der Propheten Israels – zum einen im Hinblick auf das Geschick Assurs und Ninives (so 14,4) und zum anderen im Hinblick auf die Verheißungen zur Erbauung des Tempels (so 14,5).113

Subtexte– Abgesehen von einer Vielzahl von biblischen Anspielungen114 fungieren biblische Texte ansonsten häufig als Subtexte, und zwar dergestalt, dass ein biblischer Text die Folie bildet, auf die v. a. durch eine Mehrzahl von Referenzen, aber auch durch Motivbezüge immer wieder rekurriert wird.

a) Eine herausragende Rolle nimmt hier Gen 24 ein, wobei sich Parallelen in der Geschehensstruktur (z. B. die Brautwerbung als Grund für die Reise in 6,11 und Gen 24,4.7), gleichlautende Wendungen (z. B. das „Gelingen“ als Leitwort: 5,22; 10,11.13 und Gen 24,21.40.42.56), thematische Bezüge (das Thema der Endogamie in 1,9; 6,12.16; 7,10 und Gen 24,3f.7.40) und Anspielungen (das „Liebgewinnen“ der Frau: 6,18b und Gen 24,67) unterscheiden lassen.115

b) Hinzu kommen weitere Verbindungen mit den Erzelternerzählungen, die eher punktueller Art sind: Tobias’ Braut Sara trägt den Namen der Erzmutter, und die Begegnung von Tobias und Sara (7,1–9a) weckt zudem Assoziationen an Jakobs Begegnung mit den Leuten Labans in Gen 29,4–6.116

c) Darüber hinaus sind aber auch Entsprechungen zur Josefsgeschichte zu nennen.

Sowohl Josef als auch Tobit befinden sich in einem fremden Land (1,1–2//Gen 39,1); beide haben einen offiziellen Posten inne (1,13//Gen 41,42–43); beide werden unverdientermaßen angegriffen und geraten in Lebensgefahr (1,19–20//Gen 37,18–28; 39,7–20); schließlich aber werden sie ins Recht gesetzt und kommen zu unerwartetem Reichtum (1,14; 14,2//Gen 45,11; 47,12).117

d) Neben diesen Entsprechungen zu narrativen Passagen der Genesis spielen für die Pentateuchrezeption auch die Bezüge zum Deuteronomium eine bedeutende Rolle. Hier ist – abgesehen von allgemeinen sprachlichen Wendungen – insbesondere auf die dtn.-dtr. Sündentheologie und die Vorstellung der Reziprozität zwischen der Umkehr des Volkes und dem Erbarmen Gottes zu verweisen, die in Tob 13,5–6 auf der Folie von Dtn 30,2–3.5 eingespielt wird. Deutliche Bezugnahmen auf Dtn 32 finden sich in Tob 13,2. Wenn in Tob 14,3–11 in Analogie zu Dtn 33 eine Abschiedsrede Tobits vor seinem Tod erfolgt, ist ein weiterer Bezug zum Dtn gegeben, sodass deutlich wird, dass dieses insgesamt auf die formale Gestaltung des Buches eingewirkt hat.118

e) Insbesondere Tobits eschatologischer Hymnus in Tob 13 sowie sein Geschichtsausblick in Tob 14,4–7 enthalten eine Vielzahl von Anspielungen auf die Heilsprophetie Deutero- und Tritojesajas sowie auf weitere Traditionen aus der prophetischen Überlieferung.119 Von besonderer Bedeutung ist es, dass Tob 14,5 zu den Belegen gehört, welche die Hoffnung auf die Errichtung eines neuen Tempels in einer Zeit artikulieren, in welcher der Jerusalemer Tempel mitsamt seinem Kultbetrieb (wieder bzw. noch) bestand. Bemerkenswert ist auch die Abschiedsrede Tobits, da hier – analog zu den apokalyptischen Entwürfen in der Henochüberlieferung wie der Tier- und der Wochenapokalypse – eine klar gegliederte Geschichtsschau dargeboten wird.

f) Tobits biographischer Rückblick am Anfang der Erzählung (1,3–22) verweist auf historische Ereignisse wie die Exilierung durch die Assyrer (1,2.3.10), die Herrschaft Salmanassars (1,2.13.15), auf Sanherib und seine Ermordung (1,15.21) sowie auf die Regierung Asarhaddons (1,21f.). Der Autor greift hier auf die einschlägigen Notizen aus den biblischen Geschichtswerken, insbesondere den Königebüchern, zurück. Tobits Erzählung vom Abfall seiner „Brüder“, die der Sünde Jerobeams folgen (1,4–8), rekurriert auf 1 Kön 12,28–32.

g) Die Erzählung hat auch mit Motiven anderer antikjüdischer Erzählungen wie Daniel und Judit Berührungen. Denn auch in diesen Texten finden sich Hinweise auf spezifisch jüdische Speisegesetze (Dan 1,8; Jdt 10,5) sowie die Betonung der Endogamie (Jdt 8,1–2), der rechten Bestattung (Jdt 8,3) und des Gebets (z. B. Dan 2,20–23; 3,24–50LXX; 3,51–90LXX; Jdt 9,2–14; Est 4,17a–iLXX; 17k–zLXX). Besonders bedeutsam sind in diesem Zusammenhang die Beziehungen zur Weisheitsschrift Jesus Sirachs. Enge Berührungen liegen im Kontext der ethischen Unterweisungen vor, wobei ein Schwerpunkt auf dem Gebot der Armenfürsorge und der Barmherzigkeitstaten liegt (vgl. die Worte des Vaters 4,3–19 bzw. die Abschiedsrede Rafaëls in 12,6–20; siehe auch zu 5,18). Aber auch im Hinblick auf die transzendente Verankerung des medizinischen Wissens (siehe zu 6,8–9) oder die Bedeutung des Gebets (siehe zu 3,16f.) fällt die Nähe zum Siraziden auf.

h) An biblische Traditionen knüpft auch die Angelologie des Buches mit dem Engel Rafaël an und führt diese weiter. Dabei ist bemerkenswert, dass hier eine Vermischung zweier ursprünglich getrennter angelologischer Vorstellungen erfolgt, nämlich der des Botenengels und der des Thronengels. Diese ist innerbiblisch erst in späten Überlieferungen zu greifen.120

Wie in der Henochliteratur deutet sich dabei – im Unterschied zur biblischen Tradition – eine Hierarchisierung der Engelwelt an, da die Thronengel als eine besondere Gruppe hervorgehoben werden. Ein weiterer Unterschied zur älteren alttestamentlichen Überlieferung liegt vor, wenn der Engel hier auch einen Namen trägt.121 Eine solche Namensgebung ist in den biblischen Texten weder für den Boten- noch für die Thronengel bekannt.122

i) Weitere Entsprechungen sind allgemeiner Natur: Wie die Ester- und Danielerzählung spielt auch diese Geschichte in der östlichen Diaspora, sodass gerade im Hinblick auf die spezifische Problematik dieser Situation, wie die Abgrenzung von den Völkern durch spezielle Speisegebote, auch einzelne Passagen dieser Bücher anklingen. Hinzu kommen weitere Bezüge zu anderen biblischen Schriften: So scheint die Erzählung mit dem Thema des Leidens des Gerechten auch auf die Hiobgeschichte zu rekurrieren; auffälligerweise finden sich hier aber keine sprachlichen Anspielungen, sondern nur eine Motiventsprechung, wenn die beiden Protagonisten Zielpunkt des Vorwurfs und der Anklage ihrer Ehefrau werden.123

Tobit

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