Читать книгу Die Liebe des Schwarzmagiers - Beatrice Regen - Страница 12
Ein neuer Weg
ОглавлениеJohn schlug die Augen auf. Dunkelheit umgab ihn, doch sie störte ihn nicht. Er stand auf und trat erhobenen Hauptes aus dem Portal, durch welches er gekommen war. Seine Schritte waren schnell und unnachgiebig, als er den kleinen quadratischen Raum verließ und die graue, steinerne Wendeltreppe des Turmes hinaufstieg. Er hatte eine Entscheidung getroffen und es gab keinen Grund, zu zögern oder zurückzublicken. Trotz der Dunkelheit verschwendete er auch keine Zeit damit, ein Licht zu entzünden. Und trotz der Finsternis war sein Gang so sicher, als wäre es taghell. Er kannte sich in dem Turm aus. Lange Zeit war dieser sein Zuhause gewesen und jetzt würde er es wieder werden. John war zurück an jenem Ort, der immer als seine Heimat bestimmt gewesen war.
Je weiter er den Keller des Turmes hinter sich ließ, desto heller wurde es, doch auch im Dunkeln hatte er gesehen, dass sich nichts in dem Turm geändert hatte, seitdem er ihn vor acht Jahren verlassen hatte. Jedes alte, hölzerne Regal, jedes verstaubte Buch, sogar die kleinsten magischen Hilfsmittel standen noch an ihrem Platz. Miriam, das Mädchen, das er beauftragt hatte, sich während seiner Abwesenheit um seinen Turm zu kümmern, war ihrer Aufgabe gewissenhaft nachgekommen. Als er das Erdgeschoss erreichte, kam sie ihm bereits entgegen. Aus dem Mädchen war längst eine Frau geworden. Ihr dunkles Haar stand der schlanken Frau wirr um den Kopf. Ihre blaugrünen Augen begannen zu strahlen, als sie ihn sah. „Ich habe doch gespürt, dass das Portal wieder benutzt wurde“, sagte sie gut gelaunt. „Das ging aber schnell. Wo ist Diana? Ist sie auch da?“
Hinter ihr standen Matthias und seine Gesilda, die John ihm zurückgeholt hatte. John hatte ihnen erlaubt, für einige Tage im Turm Unterschlupf zu suchen. Nun bereute er es. Er hätte sehr gut darauf verzichten können, sie jetzt zu sehen. „Nein”, erwiderte er knapp. Es war nicht allein die Tatsache, dass er mit Miriam jetzt nicht über Diana sprechen wollte, die ihn zu solch einer knappen Antwort bewegte. Er sah an Miriam vorbei in Richtung der Küche. „Was ist mit Vole?“, fragte er.
Die gute Laune verschwand sofort aus dem Gesicht der jungen Frau. Und auch Matthias und Gesilda wirkten mit einem Mal angespannt. Sie alle schienen seine Stimmung richtig deuten zu können. Nervös huschten Miriams Augen ebenfalls in Richtung Küche. „Ihm geht es gut.“
John runzelte die Stirn. Er ging an ihr vorbei und betrat die Küche. Auf dem Küchentisch waren Blutspuren zu sehen. Für Johns Augen war es unverkennbar, dass es sich um das Blut seines Adlers handelte. Er hatte das Blut bereits wahrgenommen, als er im Portal zu Zeit und Raum erwacht war. Nun ließ er es verschwinden. Es war offensichtlich, dass es von einer Verletzung des Vogels stammte. Auch wusste er, dass Miriam ihn nicht belogen hatte. Dem Adler ging es zurzeit gut. John hätte gespürt, wäre dem nicht mehr so gewesen. Miriam hatte ihn behandelt. Was John nicht wusste, war, warum diese Behandlung notwendig gewesen war. „Wurden wir wieder angegriffen?“ Sein Blick haftete nachdenklich auf der sauberen Holztischplatte. Ein Angriff wäre ihm nun gerade recht gekommen, um sich ein wenig abzureagieren.
„Was? Nein! Das versuchen die Menschen schon seit Jahren nicht mehr.”
„Was ist dann passiert?“, fragte er streng. Streng genug, dass Miriam erkennen musste, er erwartete eine klare Antwort.
Sie biss sich auf die Unterlippe. Ihre Wangen färbten sich leicht rot. „Ich glaube, es war ein Unfall“, äußerte sie leise.
Stechend richtete er seinen Blick auf sie, womit er bewirkte, dass sich das Rot auf ihren Wangen verdunkelte.
„Also, ich gehe davon aus, dass es ein Versehen war“, erklärte sie hastig. „Der Schütze hat bestimmt nicht erkannt, dass es sich bei dem Vogel um Vole handelte. Sonst hätte er es doch niemals gewagt, auf ihn zu zielen.“
Diese Aussage war in Anbetracht der Größe des Vogels vollkommen absurd und man sah ihr an, dass sie es selbst wusste.
John kniff kritisch die Augen zusammen. „Vole ist ein Kaffernadler“, stellte er fest.
„Ja. Ja, ich weiß. Trotzdem. Es muss ein Versehen gewesen sein. Reg dich nicht auf. Es wird sicher nie wieder vorkommen. Und Vole geht es schließlich gut.“
„Wer war der Schütze?“
Miriam schüttelte den Kopf. Beschwichtigend hob sie die Arme. „Ich weiß es nicht.“
Es war nicht schwer zu erkennen, dass sie log. Und es war ihm unverständlich, wie es hatte geschehen können, dass sie dies wagte. Er trat einen herrischen Schritt auf sie zu, woraufhin sie reflexartig die Augen schloss. Immerhin diese Art von Respekt zeigte sie ihm noch. Er blieb vor ihr stehen und musterte sie von oben bis unten. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, ging er an ihr vorbei aus der Küche hinaus zurück in die Eingangshalle. Er öffnete den Mund und stieß ein Geräusch aus, das für Menschen untypisch war. Es klang wie das Kreischen eines Vogels und war der typische Ruf, den er verwendete, um Vole anzulocken. Und es funktionierte, wie es immer funktioniert hatte. Als er den Mund wieder schloss, endete das Geräusch nicht, es änderte lediglich seinen Ursprung. Vole, der große, schwarze Kaffernadler, erschien in der Eingangshalle des Turmes. Er landete auf Johns ausgetrecktem Arm. Trotz seiner beeindruckenden Größe wog er nur wenige Kilogramm. Das Geräusch, das der Vogel ausstieß, verstummte, sobald er saß. John strich dem Tier mit der freien Hand über das Gefieder. „Führ mich zu ihm“, sagte er dann ruhig. Er wusste, Vole verstand, was er forderte. Und Vole war ihm gegenüber loyaler, als jeder Mensch es hätte sein können. Der Vogel erhob sich wieder. Durch eines der oberen Fenster in der Eingangshalle flog er aus dem Turm.
„Bitte“, richtete Miriam sich noch einmal an ihn. Sie lehnte im Durchgang zur Küche hinter ihm. „Folge Vole nicht. Wer auch immer auf ihn geschossen hat, ich bin mir sicher, er hat es aus Verzweiflung getan. Die Menschen da draußen hungern.“
„Das gibt ihnen nicht das Recht, sich an meinem Eigentum zu vergreifen!“, fuhr er sie an. Dies war wirklich nicht der Moment, in dem er gewillt war, Gnade walten zu lassen. Mit einer Handbewegung ließ er das Eingangstor des Turmes aufspringen. Er setzte sich in Bewegung, um den Turm zu verlassen, doch bevor er das geöffnete Eingangstor erreichte, erschien dort, wo sich vor Sekunden noch die geschlossenen Steintüren befunden hatten, eine Mauer aus Wasser. Mit gehobenen Augenbrauen sah John zurück zu Miriam. „Was soll das?“
„Die Menschen da draußen hungern!”, wiederholte Miriam noch einmal. „Du kannst sie nicht dafür bestrafen, dass sie überleben wollen.“
„Kann ich nicht?“
„John, bitte!“
John sah zurück auf die Wand aus Wasser vor ihm. „Glaubst du wirklich, dass du auch nur ansatzweise die Macht dazu hättest, mich aufzuhalten?“
„Nein, natürlich glaube ich das nicht!“, erwiderte Miriam ungeduldig. „Was ist das überhaupt für eine Frage? Und ich möchte dich auch gar nicht aufhalten müssen. Dir muss schon selbst bewusst werden, dass es nicht das Richtige ist, hungernde Menschen dafür zu bestrafen, dass sie auf die Jagd gehen.“
Noch vor wenigen Jahren hätte Miriam es nie gewagt, so mit ihm zu sprechen. Die Tatsache, dass sie es jetzt tat, verbesserte seine Laune nicht. Doch nicht sie war es, mit der er sich jetzt aufhalten wollte. Mit einem knappen Nicken ließ er das Wasser vor sich verschwinden. Er trat aus dem Turm hinaus und folgte Vole in die Richtung, in die er flog.
„Was ist mit Diana?“, fragte Miriam. Sie rannte, um mit seinem Schritt mitzuhalten.
John biss die Zähne aufeinander. Noch immer hatte er kein Bedürfnis danach, über sie zu sprechen. Und sie hatte schließlich auch nichts damit zu tun, dass jemand seinen Adler angegriffen hatte.
„Geht es ihr nicht gut?“, fragte Miriam weiter, als er nicht antwortete.
John blieb stumm. Sein Blick war auf Vole gerichtet, der über ihnen am Himmel flog.
„Aber warum bist du dann hier? Du kannst sie doch gesund pflegen, wenn es ihr nicht gut geht!“, deutete sie sein Schweigen falsch.
Er gab sich nicht die Mühe, sie aufzuklären. Unnachgiebigen Schrittes setzte er den Weg fort, den Vole ihm wies. Miriam versuchte weiter auf ihn einzureden, doch er hörte ihr schließlich gar nicht mehr zu. Es dauerte auch nicht mehr lange, bis er sein Ziel erreichte. Sie befanden sich tief im Wald, als Vole zum Sturzflug ansetzte. Eine Gruppe von vier Frauen befand sich dort, nah genug beisammen, dass erkennbar wurde, dass sie zusammengehörten, und doch weit genug auseinander, dass deutlich wurde, dass kein einfacher Spaziergang sie in den Wald getrieben hatte. Sie suchten etwas. Alle vier von ihnen sahen abgemagert aus. Ihre Gesichter waren eingefallen. Eine von ihnen, sie war blond und hochgewachsen, kniete vor einem Baum auf der Erde und griff gerade nach einem vereinzelten Pilz an der Baumrinde. Sie war es, auf die Vole zuflog und welcher er mit seinem Schnabel einen breiten, roten Kratzer auf der Wange hinterließ.
Nicht nur die Attackierte, sondern auch ihre drei Freundinnen schrien bei diesem Angriff auf. Der Schock, welcher ihnen ins Gesicht geschrieben stand, wuchs, als sie John sahen. Und je mehr er wuchs, desto zufriedener wurde John. Sie sollten ruhig wissen, was auf sie zukam. Er würde sie dazu bringen, es nie wieder zu wagen, sich an seiner Habe zu vergehen. Er lächelte. Viel zu lange schon hatte er den Menschen nicht mehr gezeigt, was es bedeutete, sich mit ihm anzulegen. Heute würde er dieses Versäumnis wieder gut machen. Die blonde Frau sprang bei seinem Anblick ohne ein Zögern auf ihre Füße und versuchte, tiefer in den Wald hinein zu flüchten. Auch die anderen drei Frauen begannen wegzurennen. John machte sich nicht die Mühe, ihnen nachzueilen. Ein Handwinken genügte, um einen starken Wind heraufzubeschwören, welcher die Blondine erfasste und ihm vor die Füße warf.
„Bitte, Herr, schwarzer Magier! Verzeiht mir!“ Angsterfüllt sah sie zu ihm auf. Sie zitterte am ganzen Leib. Mit weit geöffneten Augen sah sie von John zu Miriam. „Du hast versprochen mich nicht zu verraten!“, rief sie in deren Richtung.
John hob zwei Finger seiner rechten Hand, woraufhin ein Pfeil aus dem Köcher flog, den die blonde Frau auf dem Rücken trug. Ein Pfeil wie jener, mit dem sie auf Vole geschossen hatte.
„Nein! Bitte!“ Die Frau hob abwehrend die Arme. Ihre weit aufgerissenen Augen blickten auf den Pfeil, der über ihr schwebte. „Bitte, es tut mir leid! Ich wusste nicht, dass es Euer Vogel war, auf den ich schoss!“
Mit den zwei ausgestreckten Fingern zielte John auf die Frau. Der Pfeil drehte sich in der Luft und flog mit höchster Geschwindigkeit auf sie zu. Er traf sie in die Hüfte. Vor Schmerz schrie sie laut auf. Mit beiden Händen fasste sie an die Einstichstelle und wieder hob John die Finger. Das Schreien der Frau wurde lauter, als der Pfeil wieder aus ihrem Körper gerissen wurde und erneut in die Luft flog. Blut quoll aus der entstandenen Wunde, doch die Frau schenkte ihre volle Aufmerksamkeit nur dem Pfeil, der noch über ihr schwebte. Sie schüttelte den Kopf. Dann sah sie zu Miriam hinüber. „Bitte! Hilf mir doch!“
Miriam stand wie angewurzelt hinter John. Sie wich dem Blick ihrer Bekannten aus. Sie war klug genug, nicht einzugreifen.
Wieder bewegte John seine Finger zu der Frau am Boden. Wieder drehte sich der Pfeil in der Luft auf seinen Befehl hin um und schoss auf die Frau zu. Dieses Mal landete er direkt neben ihrem Kopf. Weinend schloss die Frau die Augen. Sie presste die Hände auf die offene Wunde an ihrer Hüfte. John drehte sich von ihr ab und ging an Miriam vorbei zurück in die Richtung, aus welcher sie gekommen waren. Miriam sah auf die blonde Frau, die sich langsam wieder aufrichtete.
„Du hast mich verraten“, formte die Frau tonlos mit den Lippen. Obwohl er ihr den Rücken zugewandt hatte, sah er es. Er blieb stehen und drehte sich noch einmal zu den Frauen um. „Miriam, du weißt, dass ich sie sofort töten würde, würdest du es jetzt wagen, ihr deine Hilfe anzubieten. Also, worauf wartest du?“
Miriam schluckte und drehte sich von der blonden Frau ab. „Was, wenn es sich entzündet?“, fragte sie John erst nach einigen Metern leise.
Er zuckte demonstrativ desinteressiert mit den Schultern. Das war nicht seine Angelegenheit. Er hatte sie nicht schlimmer verletzt, als sie es mit Vole getan hatte. Er hatte ihr Leben geschont. Mehr konnte niemand von ihm verlangen.
„Ich habe auch Vole behandelt! Bitte John. Du hast sie doch bereits bestraft.”
Er antwortete ihr nicht, sondern ging weiter zurück in Richtung seines Turmes. Sie folgte ihm.
„Es tut mir leid, dass ich dich belogen habe“, sagte sie, als sie ihn eingeholt hatte. „Doch ich hatte ihr versprochen, dir nichts zu sagen.“
„Warum hast du es ihr versprochen?“
„Nun, weil sie Angst vor deiner Reaktion darauf hatte, dass sie deinen Vogel angegriffen hat“, sprach sie, als wäre es selbstverständlich. Es schien, als verstehe sie immer noch nicht den Fehler, den sie damit begangen hatte.
„Diese Angst hatte sie zu Recht“, gab er mürrisch zurück. „Du hättest dich nicht auf ihre Seite stellen dürfen.“ Noch während er sprach, kam in ihm die Frage auf, warum Miriam dies getan hatte. Es war wohl so, dass er sich nicht einmal ihrer Loyalität sicher sein konnte.
„John, ich habe mich nicht auf ihre Seite gestellt“, versuchte sie ihm zu widersprechen. „Ich wollte nur nicht, dass du überreagierst. Diese Frau hat Vole nicht angegriffen, um dir oder ihm zu schaden. Sie wollte ihn essen. Sie hatte lediglich Hunger. Du hast gesehen, wie sie aussah.“
John fixierte sie scharf, während sie fast rannte, um mit seinem Tempo mitzuhalten. „Du hast mich belogen“, erwiderte er kühl. „Natürlich hast du dich damit gegen mich gestellt.“
„Nein, das habe ich nicht!“, erhob sie unvermittelt die Stimme. „Und ich bin auch nicht Diana! Was immer sie dir angetan hat, projiziere das nicht auf mich. Kannst du mir mal bitte erklären, was zwischen euch vorgefallen ist, dass du dich jetzt wie ein Narr aufführst?“
Mit einem Windstoß ließ er Miriam so schnell gegen den nächsten Baum prallen, dass sie nicht einmal dazu kam, zu schreien. Sie hätte kaum etwas sagen können, mit dem sie seine Wut mehr entfacht hätte. Und er sah keinen Grund, seiner Wut nicht freien Lauf zu lassen. Ein dumpfes Geräusch erklang, als ihr Kopf gegen den Baum schlug. Tränen schossen ihr in die Augen. Sie rieb sich mit der Hand über den Kopf, nachdem sie vom Baum zu Boden gefallen war. Auf ihrer Hand blieb Blut haften. „Autsch!“, stieß sie aus.
John baute sich vor ihr auf. „Narr?“, wiederholte er. „Was maßt du dir an?”
Langsam erhob sich Miriam wieder. „Sag mir nicht, dass zwischen euch nichts vorgefallen wäre“, erklärte sie dann selbstsicher, obwohl man ihr auch den Schmerz ansah, den sie spüren musste. Hinter ihrer aufgesetzten Selbstsicherheit lag zudem ein kleiner Funke Angst. Er wandte den Blick von ihr ab und wollte den Weg in Richtung seines Turmes fortsetzen. „Diana hat nichts damit zu tun, ob ich Menschen bestrafe, die sich an meinem Eigentum vergehen“, sagte er leise und wusste dabei selbst nicht, ob er mit Miriam oder mit sich selbst sprach.
Miriam rannte noch einmal an seine Seite. Sie fühlte sich offensichtlich angesprochen. „Mag sein. Aber sie hatte einen Einfluss darauf, wie du es tust. Bevor du Diana kanntest, hättest du keine Sekunde gezögert, diese Frau in dem Wald dort zu töten. Und wäre zwischen dir und Diana alles gut, hättest du mich sie zumindest behandeln lassen. Also sag mir nicht, dass zwischen euch alles wie immer ist.“
„Das geht dich nichts an.“
Miriam hielt ihm ihre blutbehaftete Hand entgegen. „Es geht mich nichts an, ja?“
Er rollte mit den Augen. Das Blut auf ihrer Hand verschwand, so wie es auch die Wunde an ihrem Kopf tat. Sie strich sich noch einmal mit der Hand darüber. „Danke“, sagte sie, als sie auf ihre saubere Handfläche blickte. „Was ist jetzt mit dieser Frau im Wald? Darf ich ihr helfen?“
„Nein.“ Er ging weiter.
Miriam atmete tief durch. „Und was hast du jetzt vor?”, eröffnete sie ein neues Thema.
„Wieso muss ich etwas vorhaben? Ich wohne hier.“
„Das heißt, du willst hierbleiben? Hier bei mir im Turm?”
„Wenn du ein Problem damit hast, gewähre ich dir auszuziehen.”
Auf diese Aussage hin schwieg sie eine Weile. „Nein, ich habe kein Problem damit, dass du hierbleibst“, sagte sie irgendwann. „Ich mag dich.“ Es hatte etwas Kindliches an sich, wie sie es sagte, zugleich wirkte es noch immer nachdenklich.
Er nickte nur knapp. „Hoffen wir, dass du nicht nur den Mann magst, den Diana versuchte, aus mir zu machen, denn der möchte ich nicht mehr sein.“
Etwas unbeholfen massierte Miriam ihre eine Hand mit der anderen. „John, wir wissen doch beide, dass sie dich nicht wirklich verändert hat“, erwiderte sie. „Sie hat es nur vollbracht, deine gutmütigere Seite etwas mehr zu betonen.“
Dieses Mal lachte er leise. In diesem Moment gefiel es ihm, dass dieses Mädchen in der Lage war, ihn zu durchschauen. Nicht viele Menschen verfügten über diese Fähigkeit. „Du weißt, dass ich den Gedanken nicht mochte, dass sie mich verändert hat.“
Auch Miriam begann leicht zu lächeln, in dem Wissen, dass sich seine Laune gebessert hatte. „John?“, fragte sie etwas schüchtern nach ein paar weiteren Metern.
Er schüttelte den Kopf. „Eines muss man dir lassen“, antwortete er auf die unausgesprochene Frage, die zwischen ihnen stand, „hartnäckig bist du. Gut, es soll mir recht sein. Jedoch ist es dir verboten...“
„...irgendjemanden merken zu lassen, dass ich deine Erlaubnis habe“, beendete sie seinen Satz. Auch in diesem Fall kannte sie seine Einstellung. „Natürlich werde ich das nicht. Ich bin nicht dumm. Vielen Dank!“ Mit einem strahlenden Lächeln rannte sie zurück in den Wald hinein. John sah ihr nach. Auch auf seine Lippen schlich sich für Sekunden ein Lächeln ein, bevor es abrupt verschwand, während er ihr noch immer nachsah. Statt zurück zum Turm zu gehen, schlug er den Weg zur Burg ein. Momentan wollte er nicht zurück in den Turm, wo er Matthias und Gesilda begegnen würde. Am liebsten hätte er sie fortgeschickt. Doch er hatte ihnen erst vor wenigen Tagen erlaubt bei ihm zu bleiben. Und so schnell würde er ihnen seinen Meinungswechsel nicht mitteilen. Möglicherweise würden sie ohnehin in den nächsten Tagen fortgehen. Oder er würde gehen. Immerhin gab es zurzeit Orte, an denen er mehr mit seiner Magie anfangen konnte, als in Aeb in seinem Turm.