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Apolonia

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Die Burg Aebs wirkte verlassen. Die wenigen Frauen, die sich im Burghof befanden, sprachen nicht miteinander, sondern kamen eilends der Tätigkeit nach, die sie dazu veranlasst hatte, aus dem Haus zu gehen. Als John aber die staubigen Wege hinter den Burgmauern entlangging, wichen sie ihm nicht aus. Misstrauische Blicken trafen ihn und doch steckte hinter diesem Misstrauen auch ein Funke Hoffnung. Die Frauen verfolgten ihn und je weiter er ging, desto mehr Menschen sammelten sich hinter ihm. Niemand sprach ihn an und John ging weiter, ohne seinerseits das Wort an sie zu richten. Auch vor den Herrschaftsräumen der Burg standen keine Wachen. Ungehindert schritt John durch die weiten Flure und die Wendeltreppe hinauf zum Empfangssaal, als wäre er Herr über diese Burg. Eine Küchenmagd blieb erstarrt stehen, als sie ihn sah.

„Herr John!“ Sie verneigte sich tief.

John nickte kurz. „Wo ist Apolonia?”

„Die edle Herrin ist ins Dorf geritten. Sie wollte zum Schmied”, antwortete das Mädchen aufgeregt.

„Sie ist zurück”, erklang fast zeitgleich eine helle, strenge Stimme vom anderen Ende des Saales. In einem langen, rotgoldenen Kleid trat Apolonia in den Empfangssaal. Mit einem knappen Winken schickte sie die Dienstmagd fort.

„Apolonia!“, begrüßte John die Burgherrin, indem er leicht den Kopf neigte.

Erleichtert lächelnd kam sie auf ihn zu. Sie hielt ihm eine Hand entgegen und empfing seinen Handkuss. „John!“, erwiderte sie seine Begrüßung. „Euch schickt der Himmel.“

Nach seinem Handkuss richtete John sich wieder zu seiner vollen Größe auf und blickte der Frau vor ihm ernst in die Augen. „Nicht Gott ist es, der mich dazu veranlasste, Euch einen Besuch abzustatten“, stellte er sofort klar. Sie sollte nicht denken, dass er als ihr Retter gekommen war. Nach wie vor hatte er nicht die Absicht, dem heronischen König zu dienen.

Seine Antwort schien die Burgherrin zu irritieren. Das Lächeln verschwand nicht von ihren Lippen, doch wirkte es mit einem Mal unsicher. „Wer dann?“´

„Ich bin hier, um mich nach eurem Befinden zu erkundigen. Nicht, um Euren Mann im Krieg zu unterstützen“, machte er seine Beweggründe deutlicher. Er ließ seinen Blick durch den Empfangssaal schweifen und konzentrierte sich dabei auch auf die umgebenen Räumlichkeiten. Ragnor war augenscheinlich fort. In der gesamten Burg machte er kaum jemanden aus, der der Burgherrin hätte Schutz bieten können.

Apolonia lachte trocken. „Es sind genug Männer in den Krieg gezogen“, stellte auch sie fest. „Wollt Ihr nicht mit uns essen?“, lud sie ihn ein. Sie bemühte sich erfolglos, unbeschwert zu klingen. Es mochte sein, dass sie nicht wünschte, er zöge in den Krieg, doch einfach nur zu speisen war sicherlich ebenso wenig ihre Absicht.

„Das wäre mir eine Freude“, nahm John dennoch das Angebot an. Auch wenn er Ragnors Streitzug nicht unterstützen wollte, schadete es nicht, einige Worte mit seiner Gemahlin zu wechseln.

Apolonia nickte, woraufhin sie gemeinsam auf den Speisesaal zusteuerten. Wandhohe Gemälde zierten nicht nur den Flur, den sie nutzten, sondern auch den Speisesaal selbst. Auch hier hatte sich nicht viel geändert, seitdem John das letzte Mal zu Besuch gewesen war. An der Saaldecke waren mehrere silberne Kerzenleuchter befestigt. Frische Blumen standen auf der langen Tafel, mit Gold verzierte Stühle waren um diese herum aufgestellt.

„Ich hoffe, der Krieg wirkt sich nicht zu sehr auf Euren Haushalt aus?“, fragte John, als er sich auf einen dieser Stühle setzte. Es steckte dabei mehr Ernst hinter dieser Frage, als man hätte vermuten können. Gerade in Zeiten des Krieges boten Reichtümer, wie sie hier zu finden waren, nicht nur für die Kriegsgegner ein attraktives Ziel.

Apolonia tat seine Frage mit einem milden Lächeln ab. „Für ein Mahl, das Eurer würdig ist, wird es noch reichen“, entgegnete sie.

Er war ihr dankbar für die Leichtfertigkeit, um die sie sich bemühte, und erwiderte ihr Lächeln. Für einen Moment sahen sie sich in die Augen, ohne ein Wort zu sagen. Apolonia war hübsch wie immer. Ihre feinen Gesichtszüge hatten die Männer betört, seit John sie kannte. Sie war nur ein wenig älter als John. Seidenes dunkles Haar fiel ihr auf die Schultern. Sie war schlank und hochgewachsen, stark und doch grazil. Das bezaubernde Lächeln, das sie aufgesetzt hatte, stand ihren natürlich roten Lippen gut. Doch der Ansatz von Sorgenfalten auf ihrer Stirn und etwas in ihren Augen zeugten von den Lasten, die sie trug und über die ihr Lächeln mit mäßigem Erfolg hinwegzutäuschen versuchte. Und trotz der Sorgen sah er ihr an, dass ihre Freude ihn zu sehen nicht nur daher rührte, dass sie ihn um einen Gefallen bitten wollte. Sie genoss seine Gesellschaft. Und dies tat auch er. In ihrer Gegenwart konnte er für einen Augenblick vergessen, warum er überhaupt zu ihr gekommen war. Und auch dafür war er ihr dankbar.

Es war Apolonia, die irgendwann den Kopf zu Seite drehte. „Viktoria, sagst du Jonathan Bescheid, dass er sich zu uns gesellen soll? Dann können wir gemeinsam speisen“, sprach sie eine der Küchenmägde an, die in dem Portal zur Küche auf Befehle warteten.

„Natürlich, gnädige Herrin.“ Nach einer tiefen Verbeugung verschwand das angesprochene Mädchen.

John sah ihr kurz nach. „Wie lange ist Ragnor schon fort?“, fragte er dann.

Die Burgherrin stand auf, umrundete den Tisch und steuerte auf eine kleine Kommode zu, die an der Seite des Speisesaals stand. „Er ist vor drei Wochen mit unseren Männern aufgebrochen“, antwortete sie und nahm eine gläserne Karaffe mit Rotwein aus dem kleinen Schränkchen. Ihre Haltung war so aufrecht, wie man es von ihr gewohnt war. Sie war keine Frau, welche ihre Lasten mit der Welt teilte.

„Ihr macht Euch sicher Sorgen um ihn.“

Apolonia drehte sich wieder zu ihm. Eilends kam sie zurück zum Speisetisch und goss ihnen den Wein in die Gläser, die dort bereitstanden. Wieder lächelte sie leicht. „Ragnor ist ein sehr pflichtbewusster, loyaler Mann. Er wird tun, was der König von ihm verlangt, doch er ist auch träge. Er wird nicht den Helden spielen.“

Jetzt begann John zu lachen, was sie wohl mit ihrer Aussage bezweckt hatte. „Da habt Ihr vermutlich Recht“, ließ er sich auf ihren Versuch sich zu beruhigen ein.

„Nun, ich kenne meinen Mann“, sprach sie fast schon mit guter Laune weiter.

„John!“ Der vierjährige Jonathan, deutete mit seinen kleinen Fingern auf John, als er an der Hand einer rundlichen Frau das Speisezimmer betrat.

John nickte dem Jungen gutmütig zu. „Jonathan, es ist mir eine Freude, dich wiederzusehen.“

„Lass mich fliegen!“, bat Jonathan.

„Jonathan!“, wies Apolonia ihren Sohn zurecht. Entschuldigend sah sie zu John. „Verzeiht. Ich bin noch dabei, ihn zu erziehen. Jonathan“, wandte sie sich wieder an den Jungen, „Herr John ist unser Gast. Setzt dich, sodass wir zusammen speisen können.“

Ohne Widerwort folgte Jonathan der Anweisung seiner Mutter und setzte sich zu ihnen an die Tafel. Augenblicklich begannen Apolonias Untergebenen den Tisch reichlich mit Speisen zu decken. Ein gebratener Truthahn, Obst, Kartoffeln, Brot und Gemüse wurden aufgetischt.

„Miriam sagte mir, das Volk hungere“, erklärte John, als er den ersten Bissen genommen hatte. Er griff nach dem Brot auf dem Tisch und brach es. Der Anblick der reichlichen Speisen hatte ihn lediglich an dieses Thema erinnert. In keinem Fall sprach er es an, um ihr einen Vorwurf oder gar ein schlechtes Gewissen zu machen. Zu seiner Zufriedenheit, nahm Apolonia es auch nicht so auf. „Das stimmt auch“, bestätigte sie Miriams Worte schlicht. „Unsere Männer haben nahezu unsere gesamten Vorräte als Proviant mit sich genommen. Und die Ernte im letzten Jahr war fürchterlich. Dieses Jahr ist es nicht besser. Vielen Menschen in Aeb geht es nicht gut.“ Sie klang ernsthaft besorgt. Natürlich war es ihr als Burgherrin ein Anliegen, dass es ihren Bürgern gut ging. Und trotz ihren Erklärungen, war es seltsam, dass das Dorf so schlecht versorgt sein sollte.

„Wie sieht es auf dem Markt in Herrensdorf aus?“, wandte er ein. „Dort war die Ernte noch nie schlecht.“ Er wusste, dass Aeb bisher regen Handel mit dem Klosterdorf betrieben hatte. Trotz des Krieges hätten die Erträge Herrensdorfes dem Hunger in Aeb sicher entgegenwirken können.

Apolonia lachte jedoch nur trocken. „Oh, ja genau“, antwortete sie mit kritisch gehobenen Augenbrauen, „vielleicht sollten wir von dort unsere Nahrung beziehen.“ Sie schüttelte den Kopf, während ihre Mundwinkel noch immer zuckten, als habe er einen Scherz gemacht.

Mit echter Irritation runzelte er die Stirn. „Verzeiht, doch ich verstehe Eure Belustigung nicht“, entgegnete er, um dieser Irritation Ausdruck zu verleihen.

Er bewirkte damit, dass sich seine Verwirrung auf sie übertrug. Sie musterte ihn eine Weile, mit dem offensichtlichen Ziel, herauszufinden, ob er seine Aussage ernst meine. „John, Ihr scherzt“, sagte sie, als sie ebenso offensichtlich zu keinem eindeutigen Ergebnis kam.

„Was ist mit Herrensdorf?“

„Oh, Ihr wart einfach zu lange fort!“

„Und was hat sich in meiner Abwesenheit in Herrensdorf ereignet?“, fragte er zunehmend misstrauisch.

Sie ließ ihn nicht lange auf eine Antwort warten. „Herrensdorf ist von den Gallianen besetzt worden. Ihr wisst gar nicht, worum es in diesem Krieg geht, oder?“

Mit einem Mal verschwand der Ansatz guter Laune, die in Apolonias Gesellschaft in ihm aufgekeimt war, und seine Stimmung verfinsterte sich. Dass Herrensdorf ein Ziel dieses Krieges hätte werden können, davon war es tatsächlich nicht ausgegangen. „Herrensdorf wurde zu Ehren Gottes errichtet“, stellte er leise fest. „Wer könnte es wagen, mit Gewalt dort einzudringen?“

Apolonia hob eine Schulter. „Nun, offensichtlich die Gallianen.“

„Was ist mit dem Kloster dort? Und seinen Einwohnern? Wurden sie verletzt?“

Sie legte den Kopf zur Seite. „Verzeiht meine Verwunderung, doch die Sorge um fremde Menschen entspricht nicht unbedingt Eurer Gewohnheit.“

Zur Antwort schüttelte er den Kopf. Natürlich konnte die Burgherrin nicht wissen, dass die Bewohner dieses Dorfes ihm nicht so fremd waren, wie sie glaubte. Niemand wusste von seiner Vergangenheit und er hatte auch nicht vor, etwas daran zu ändern. Langsam trank er von dem Wein, den Apolonia ihm eingeschenkt hatte. „In diesem Krieg geht es also um Herrensdorf?“, versuchte er noch mehr zu den Hintergründen zu erfahren.

„Vor allen Dingen um Herrensdorf, ja. Aber auch um die umliegenden Dörfer. Die gallianische Dorfbevölkerung hatte in den letzten Jahren viel mehr Ernteeinbußen zu erleiden als wir. Sie sind zunächst ohne Erlaubnis ihres Königs über die Grenzen gekommen, um von uns Nahrung zu stehlen. Einige Bauern haben dann wohl heimlich Felder im Hoheitsgebiet König Heinrichs angelegt. Unser Boden scheint etwas besser zu sein. Insbesondere in Herrensdorf. Ich habe von dem Ackerbau nicht besonders viel Ahnung, wie Ihr Euch denken könnt. Doch dafür verstehe ich die Hoheiten umso besser. Als bekannt wurde, dass Gallianen unerlaubt Heinrichs Land besiedelten, wohlgemerkt ohne Abgaben zu leisten, weder an ihn noch an den gallianischen König, forderte unser ehrwürdige König Heinrich den gallianischen Roi Louis auf, seine Gefolgsleute öffentlich auf gallianischem Grund von heronischen Gefolgsmännern hinrichten zu lassen. Natürlich witterten beide Könige eine Gelegenheit für Krieg. Louis erteilte seinen Bauern Absolution und predigt ihnen seither, dass sie ebenso ein Recht zu leben und ein Recht auf Nahrung haben wie wir Heronen. Und dass es wert sei, für dieses Recht zu kämpfen. Es ist lächerlich, in anderen Teilen Gallias sieht die Ernte immer noch gut aus und würde er die Abgaben in den Bereichen, wo es gerade schlecht aussieht, erniedrigen, so könnten die Menschen dort wahrscheinlich irgendwie zurechtkommen. Natürlich möchte er ihre Leidenschaft nur ausnutzen, um sein Reich zu vergrößern. Und gerade das ertragsreiche Herrensdorf hat es ihm angetan.“

John griff nach dem Weinkrug und füllte sich sein leeres Glas auf.

„Habe ich euch verstimmt?“ Apolonias Blick wanderte von seinen Augen zu seinen Lippen. Er selbst spürte die Kälte, die in seinem Gesichtsausdruck lag. Er sah keinen Grund darin, sie zu verbergen. Dennoch schüttelte er auf ihre Frage hin abermals nur knapp den Kopf. „Warum freutet Ihr Euch, mich zu sehen?“, fragte er sie, statt sie an den anderen Gedanken teilhaben zu lassen, die ihm durch den Sinn gingen. Hätte sie in diesem Moment von ihm verlangt, die Gallianen in Herrensdorf zu töten, er hätte es vermutlich getan, um seinem Ärger Luft zu lassen. Es war ihm unbegreiflich, wie jemand es hatte wagen können, den Frieden in diesem Dorf zu zerstören.

„John, ich freue mich immer Euch zu sehen“, antwortete Apolonia unverfänglich. Ihre Höflichkeit war in diesem Moment allerdings unangemessen. Er war nicht auf den Austausch oberflächlicher Belanglosigkeiten aus.

Sein stechender Blick ließ Apolonia erröten. „Ich hatte gehofft, Ihr könntet es regnen lassen“, lenkte sie ein, ohne dass er noch einmal nachfragen musste. „Wie gesagt, meine Kenntnisse über die Landwirtschaft sind begrenzt, doch ich denke, es würde unseren Böden guttun.“

Schon bevor sie ihren Satz zu Ende gesprochen hatte, war durch die geöffneten Fenster des Saals das leise Rieseln des Regens zu hören, obwohl John noch immer nicht glaubte, dass Apolonia mit diesem Wunsch ihre wahren Sorgen zum Ausdruck gebracht hatte.

„Oh, danke! Jonathan, sieh nur, es regnet“, wandte sie sich an ihren Sohn. Es wirkte fast, als wiche sie Johns Blick aus. Der kleine Junge sah nur flüchtig aus dem Fenster, antwortete mit einem knappen „Ja“ und widmete seine Aufmerksamkeit dann wieder dem Apfel in seiner Hand.

John musterte Apolonia weiterhin scharf. „Um Regen hättet ihr auch Miriam bitten können.“

Die Freiherrin griff nun ihrerseits zum ersten Mal nach dem Weinglas vor ihr. Jetzt war es unverkennbar, dass sie seinem Blick auswich. „Haben wir“, erwiderte sie, nachdem sie einen Schluck genommen hatte, „doch es hat nichts geholfen. In ihrem Wasser steckt nicht die gleiche lebensspendende Energie wie in Eurem.“

John sah auf das Glas in ihrer Hand. Er wusste, warum sie es nicht wagte, ihm ihre eigentlichen Ängste zu gestehen. Sie kannte ihn und seine Abneigung gegen lästige Bittsteller lange genug. Er hätte auch nicht sagen können, dass er sie generell davon freisprach. „Seid offen zu mir“, forderte er jetzt dennoch. „Was erhofftet Ihr Euch durch meinen Besuch?“ Er wartete fast nur darauf, dass sie von ihm forderte seine Magie zu nutzen, um Menschen zu schaden.

„John, ich möchte Euch nicht mit meinen Sorgen belangen“, wehrte Apolonia seine Aufforderung erneut ab.

Ihre Zurückhaltung begann ihn zu reizen. „Ich bat Euch, offen zu sprechen“, forderte er sie ein letztes Mal auf.

Noch einmal nahm sie ihr Weinglas zur Hand. Ohne daraus zu trinken stellte sie es nach einer Weile wieder ab. „Jonathan, möchtest du nicht mit Josephine draußen spielen gehen?“, fragte sie ihren Sohn, als sie offensichtlich zu dem Schluss kam, dass sie John nicht länger auf eine Antwort warten lassen sollte.

Sofort trat die üppige, brünette junge Frau, die sich zuvor im Hintergrund gehalten hatte, hinter den Jungen.

„Ich möchte mit John spielen!“, antwortete der Sohn verneinend.

Apolonia ignorierte seinen unzufriedenen Tonfall. „Nicht jetzt“, gab sie unwirsch zurück. „Geh bitte mit Josephine hinaus.“

„Aber…“

„Willst du deiner Mutter widersprechen?“, fragte sie streng.

„Nein, Mutter.“ Jonathan ergab sich in sein Schicksal und ergriff die ausgestreckte Hand der Frau neben ihm. Gemeinsam verließen sie den Saal.

„Nun, bitte“, ergriff John das Wort, sobald sich die Tür hinter den beiden geschlossen hatte, „belangt mich mit Euren Sorgen.“ Er versuchte den bitteren Geschmack herunterzuschlucken, der mit den Gedanken an Herrensdorf in ihm aufgekommen war.

Apolonia atmete tief durch. „Jetzt wo Ihr hier seid, sind sie unbegründet.“ Dieses Mal klang sie ehrlich. „Ich hatte nur Angst“, sagte sie, „dass sich das Kriegsgebiet ausbreitet. Wir befinden uns in unmittelbarer Reichweite zu Herrensdorf. Wenn die Gallianen nicht darauf warten, angegriffen zu werden, und von sich aus weiter angreifen, wären wir das nächste sinnvolle Ziel.“

John nickte. Das waren sie unbestritten. „Warum hat Ragnor niemanden zurückgelassen, der im Stande ist, die Burg zu verteidigen?“ Es konnte kaum ein königlicher Befehl gewesen sein, alle kampftauglichen Männer in den Krieg zu führen. Es musste eine freiwillige Entscheidung gewesen sein.

Apolonia bestätigte diesen Gedanken. „Er wollte ein paar Männer hierlassen, doch was würden die uns bei einem richtigen Angriff bringen? Mir war es wohler mit dem Gedanken, dass so viele Männer, wie wir entbehren können, an seiner Seite kämpfen. Und wenn man ehrlich ist, wäre es auch unwahrscheinlich, dass die gallianische Armee unserer Armee auf dem Weg hierher nicht sowieso in die Arme laufen würde. Außerdem können wir die Tore zur Burg verschlossen halten. Zumindest dadurch haben wir etwas Sicherheit.“

„Die Tore zur Burg waren nicht verschlossen, als ich kam.“ Sicher war Aeb zurzeit in keinem Fall.

„Sie waren nicht verschlossen, weil ich befürchte, dass sich die Bewohner des Dorfes vor der Burg dann ausgeliefert fühlen. Ich möchte verhindern, dass sie aufbegehren. Gerade für den Fall, dass wir angegriffen werden, brauchen wir jeden von Ihnen an unserer Seite.“

„Was also wünscht Ihr Euch von mir?“

„John, ich weiß, wie ungern Ihr mit Bitten gelangweilt werdet. Ich möchte gar nicht von Euch verlangen Umstände für mich in Kauf zu nehmen. Doch es wäre einfach schön, Ihr würdet Euren Urlaub hier dieses Mal ein wenig in die Länge ziehen.“

Unter dem Tisch ballte er die Hand zur Faust, als er versuchte, das aufkommende Bild Dianas aus seinem Sinn zu vertreiben.

„Ich mache keinen Urlaub hier“, gab er brüsk zurück.

„Oh, das heißt, Ihr brecht bald wieder auf?“

„Nein, das wollte ich damit nicht sagen. Ich wollte Euch zu verstehen geben, dass ich nicht nur zum Urlaub machen hier bin. Ich ziehe zurück nach Aeb. Ich bleibe.“

Obwohl sich nichts an ihrer aufrechten Haltung änderte, schien es, als fiele ein Stein von ihrem Herzen. „Oh“, sagte sie lediglich. Sie trank von ihrem Wein. „Dann ist Diana auch hier?“

Dank dieser Frage malte sich das Bild Dianas nur noch schärfer vor seinem inneren Auge ab. Allzu deutlich sah er die Abscheu in ihren Augen, die nicht mehr verschwunden war, seitdem er Daniel getötet hatte. Er hätte sich gewünscht, er hätte die gleiche Abneigung gegen sie empfinden können, doch das vermochte er nicht.

Als Antwort auf Apolonias Frage räusperte er sich lediglich.

Mit geneigtem Kopf sah Apolonia ihn an. Ihre Augen weiteten sich, als sie verstand, was er verschwieg. „Danke, dass Ihr trotzdem gekommen seid, um Euch nach meinem Befinden zu erkundigen.“

John nickte. Nicht nur seine Hand unter dem Tisch war angespannt, sondern jeder Muskel seines Körpers. Es war Zeit, dass er diese Anspannung loswurde. Nichts hätte ihm besser dabei helfen können, als seine Magie einzusetzen. „Apolonia, ich bat Euch offen zu sprechen. Nehmet nur einen Moment an, Eure Bitten würden mich nicht langweilen. Was hättet Ihr noch auf dem Herzen?“

„John, ich habe tausend Sorgen. Die Bauern benötigen fruchtbare Felder und Männer, die sie bestellen. Mein Mann und alle Herren, die mir lieb sind, sind in den Krieg gezogen. Natürlich wünschte ich, jeder von Ihnen würde gesund zurückkehren. Gesund und siegreich, damit unser König zufriedengestellt ist.“

„Wie viele tragende Felder würden Euch genügen, um die nächste Zeit ausgesorgt zu haben?“

„John, Ihr wollt doch nicht…“

Mit der geballten Hand schlug er auf den Tisch, sodass die Gläser, die auf diesem standen, gefährlich zu klirren begannen. „Apolonia, ich dachte Ihr wisset, wie ungern ich mich wiederhole“, fuhr er sie laut an. Ihm war nicht mehr danach, sich zu beherrschen.

Erschrocken über seine harsche Reaktion zuckte Apolonia an ihrem Platz zusammen. Ihr gegenüber hatte er lange nicht einen derartigen Ton angeschlagen.

„Der Weizen-Tom verfügt mit seiner Familie über die größten Weizenfelder hier in der Umgebung“, beeilte sie sich, zu antworten. Ihre Stimme überschlug sich leicht. „Wenn seine Ernte dieses Jahr nicht ausgeblieben wäre, hätten wir deutlich weniger Sorgen.“

„Ich kenne seine Felder“, erwiderte John ruhiger. „Es würde mich kaum Zeit kosten, den Weizen dort zum Sprießen zu bringen. Doch der Weizen müsste geerntet werden. Ich denke, es würde schnell gehen, Euch das Mehl direkt zu schenken. Ich werde Weizen-Tom fragen, wie viel Platz er in seinem Speicher hat und ihn füllen. Er wird eine Bezahlung für den Platz bekommen, doch das Mehl gehört Euch und steht Euch zur freien Verfügung.“ Er erhob sich. „Sobald ich dies geregelt habe, werde ich nach Herrensdorf reiten.“

Er wusste, die kleinen Zauber, die in Aeb benötigt wurden, würden ihm nicht dabei helfen, Diana zu vergessen. Sie und ihre naive Weltanschauung. Ihre bedingungslose Hilfsbereitschaft. Auch Abstand von Aeb und dem Zeittor würde ihm sicher guttun.

„Ragnor und seine Männer sind nicht in Herrensdorf“, riss Apolonia ihn aus seinen Gedanken.

„Ich werde Ragnor im Anschluss aufsuchen“, erklärte er knapp. „Doch zunächst möchte ich mir selbst ein Bild der Lage dort machen. Ich möchte wissen, was aus der Klostergemeinde geworden ist.“

„Kanntet Ihr jemanden dort?“

„Niemanden von Bedeutung für mich.“

Apolonia erhob sich ebenfalls und verließ zusammen mit John den Saal. Im Burghof reichte sie ihm ihre Hand und empfing dieses Mal zum Abschied seinen Handkuss. „Ihr wisst nicht, welch großen Gefallen Ihr mir tut“, bedankte sie sich bei ihm.

John sah von seinem Handkuss zu ihr auf. „Doch, das ist mir sehr wohl bewusst.“

Die Liebe des Schwarzmagiers

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