Читать книгу Die Liebe des Schwarzmagiers - Beatrice Regen - Страница 4

Vorwürfe

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„Boah, was bilden die sich eigentlich ein?!“, wollte Diana eine Woche später von John wissen, als sie am Abend nach Hause kam. In den letzten Tagen hatte sie insgesamt sieben Bewerbungsgespräche geführt, die alle darauf hinausgelaufen waren, dass man sie als Einstellungskriterium darum gebeten hatte, ein Interview mit John zu arrangieren.

John sah sie an und schwieg. Er hatte sich schon die letzten Tage ihre Wutausbrüche anhören müssen. Auch ihren Jahrestag hatten sie aufgrund ihrer schlechten Laune nicht mehr richtig genießen können.

„Als ob ich nicht auch gut wäre, würde ich nicht deine Freundin sein“, sagte sie nicht zum ersten Mal diese Woche.

John nickte nur.

„Er liebt Sie doch. Für Sie würde er das sicher machen“, ahmte sie die Stimme der Frau nach, die sie soeben getroffen hatte. „Blöde Kuh!“

Er lachte leise.

„Ist doch wahr!“, beschwerte sie sich. „Als ob ich unter solchen Leuten arbeiten wollen würde.“

„Das musst du ja auch nicht“, antwortete er und gab ihr einen Kuss. „Du wirst schon noch eine Firma finden, die dein Talent zu würdigen weiß.“

„Pff, das sagst du schon die ganze Woche.“

„Weil es wahr ist. Ich weiß doch, dass du gut bist.“ Er wendete den Fisch, den er gerade in der Pfanne zubereitete. Sie sah auf das brutzelnde Fett, das den Fisch langsam braun färbte. Unvermittelt nahm sie ihm den Pfannenwender ab und stellte sich selbst an den Herd. Nur um etwas zu tun zu haben, schob sie den Fisch in der Pfanne hin und her. „Ach, ja? Woher willst du das eigentlich wissen? Du hast doch keine Ahnung davon“, gab sie übelgelaunt zurück.

„Wenn ich das richtig verstanden habe, hast du deine Doktorarbeit doch mit der bestmöglichen Note abgeschlossen, oder etwa nicht?“ Er öffnete eine Flasche Wein.

„Ja toll, die habe ich bestimmt auch nur geschenkt bekommen, weil meine Prüfer sich bei dir einschmeicheln wollten.“

Wieder lachte John. „Das glaubst du doch selbst nicht.“

„Ach, was weiß ich.“ Ihr war nicht nach Lachen zumute. Am liebsten hätte sie sich gar nicht mehr weiter beworben.

John ließ sich von ihrer Laune nicht aus der Ruhe bringen. „Du wolltest dir doch ohnehin jetzt erst einmal ein paar Wochen frei nehmen“, erinnerte er sie. „Warum entspannst du dich nicht erst einmal? Du hast noch genug Zeit, den richtigen Beruf für dich zu finden.“

„Ja, das wollte ich eigentlich schon, aber jetzt möchte ich einfach nur herausfinden, ob es auch noch vernünftige Unternehmen da draußen gibt.“

„Die gibt es sicher.“ Er nahm sie in den Arm. „Du schaffst das schon.“

Genervt befreite Diana sich aus seiner Umarmung und verließ den Küchenbereich, um sich auf die Wohnzimmercouch zu setzen. „Und wie?“, fragte sie und sah herausfordernd zu ihm herüber.

Er schaltete den Herd aus und stellte die Pfanne auf eine kalte Platte. Dann kam er zu ihr hinüber. „Das weißt du sicher besser als ich.“ Er setzte sich neben sie.

Demonstrativ wandte sie sich von ihm ab. „Na, danke für deine Hilfe.“

Behutsam strich er ihr mit dem Daumen über den Nacken. „Du weißt aber, dass ich es für dich machen würde, nicht wahr?“, fragte er nach einem Moment der Stille.

„Das du was für mich machen würdest?“

„Ein Interview geben, für wen auch immer. Von mir aus auch eine Show.“

Abrupt stand sie auf. „Du denkst also auch, dass ich es nicht ohne dich schaffe?!“

„Nein, das wollte ich damit nicht sagen.“

„Nicht? Was denn dann bitte?“

„Nein, ich wollte doch nur, dass du weißt…“

„…dass du mein großer Beschützer und Versorger bist und immer alles für mich klären wirst und ich mich um nichts kümmern brauche, richtig?“

„In gewisser Weise ja, aber…“

„Mensch, du verstehst aber auch gar nichts“, beschwerte sie sich und nahm die Treppe, um die Wohnküche zu verlassen. Sie wusste, dass John es einfach nur gut meinte und doch ärgerte es sie, dass er offensichtlich nicht verstand, worum es ihr ging.

„Diana, warte doch!“, hörte sie John hinter sich sagen, doch sie wollte seine Erklärungen im Moment nicht hören. Sie schlug die Schlafzimmertür hinter sich zu. „Lass mich in Ruhe“, rief sie ihm zu und bereute es fast schon im selben Augenblick. Das Problem mit John war, dass er sich meistens sehr genau daran hielt, wenn sie ihm sagte, dass sie ihn nicht sehen wollte. Natürlich wäre es ihr aber lieber gewesen, er hätte sie doch irgendwie dazu gebracht, dass sie nicht mehr sauer auf ihn und auf sich selbst war.

Schmollend legte sie sich aufs Bett und schaltete das Radio ein. Sie sah zur Tür. „Wieso kommst du nicht einfach rein?“, dachte sie für sich, in dem Wissen, dass ihm das Gedankenlesen nicht möglich war. Dann nahm sie sich das Buch, das auf ihrem Nachttisch lag, und begann es zu lesen. Hunger verspürte sie ohnehin keinen.

Es vergingen zwei Stunden, bis er wieder an die Tür klopfte.

„Ja“, sagte sie und verwendete mit einer gewissen Absicht einen missgelaunten Ton.

Vorsichtig öffnete John die Tür und steckte seinen Kopf ins Zimmer. „Darf ich hereinkommen?“

Sie rollte mit den Augen. „Das ist genauso dein Zimmer wie meins, also kann ich wohl nichts dagegen sagen. Im Prinzip gehört es sogar mehr dir als mir, immerhin hast du von deinem Geld das Haus gekauft.“

John schloss die Tür hinter sich. „Dir ist bewusst, dass ich dieses Geld ohne dich nie verdient hätte, oder? Du weißt, dass ich ohne dich verloren in dieser Welt wäre.“

„Ach, das stimmt doch schon längst nicht mehr. Ich habe dir einmal geholfen und das war es auch.“ Jetzt zumindest brauchte er sie nicht mehr. Mit jedem Tag weniger.

John setzte sich neben sie ins Bett und streichelte sie. „Du hilfst mir jeden Tag. Wirklich. Du weißt selbst, wie es ist, in einer fremden Zeit zu sein. Glaubst du wirklich, ich könnte dieser Zeit ohne dich standhalten?“

„Boah, jetzt mach mir bitte keinen Vorwurf, dass du in dieser Zeit bleiben musst. Ich habe dir schon tausendmal gesagt, dass…“

„Diana“, sagte er beschwichtigend, „du weißt, dass ich dir damit keinen Vorwurf machen wollte.“

„Ja, ich weiß, dass du das nicht wolltest. Aber trotzdem stimmt es doch. Du würdest lieber nicht hierbleiben. Ich bin die Einzige, die dich hält. Du musst mich nicht immer wieder daran erinnern, ich habe auch so schon ein schlechtes Gewissen, danke. Aber ich könnte einfach noch weniger für immer in deiner Welt leben, verstehst du das nicht?“

Lachend erhob er sich vom Bett. Er tat dies manchmal, wenn er nicht weiter streiten wollte und wusste, dass es keinen Grund für einen Streit gab. Manchmal regte sie dieses Lachen noch mehr auf und sie bekam das Gefühl, dass er sie nicht ernst nahm. Viel öfter aber erkannte sie, dass es tatsächlich lächerlich war, dass sie sich über ihn aufregte und sie stimmte in sein Lachen mit ein. Heute kämpfte sie gegen ein solches Einstimmen an, doch sie konnte ihm nichts vormachen, er wusste, dass er sie gebrochen hatte.

„Warum möchtest du unbedingt streiten?“, fragte er sie liebevoll.

„Jetzt setz dich schon wieder neben mich“, bat sie ihn.

Er kam ihrer Bitte nach und setzte sich auf seinen Teil des Bettes. Sie lehnte sich gegen ihn. „Ich möchte doch gar nicht streiten“, versuchte sie sich zu erklären, obwohl sie sich selbst nicht ganz verstand. „Ich möchte nur irgendwie meine Wut loswerden. Ich bin einfach enttäuscht und sauer. Natürlich nicht auf dich. Es ist nur…“, begann sie unüberlegt.

„Es ist was?“, hakte er nach.

„Ach nichts“, versuchte sie ihn abzuwimmeln, obwohl ihr bewusst war, dass es zu spät dafür war.

„Na, sag schon“, forderte er sie auf, ihren Satz zu beenden.

Sie wusste, dass sie selbst schuld war, dass er mehr hören wollte und wollte es auch irgendwie erzählen, also ergab sie sich in ihr Schicksal: „Es ist nur… irgendwie… bin ich manchmal einfach eifersüchtig auf dich.“

Irritiert runzelte er die Stirn. „Eifersüchtig?“ Er rückte ein Stück von ihr ab und betrachtete sie mit hochgezogenen Augenbrauen.

Es störte sie, dass sie bereits jetzt wieder das Gefühl hatte, sich rechtfertigen zu müssen. „Ja, ist das nicht klar? Dir gelingt immer alles, was du tust. Die ganze Welt liebt dich und zwar um deinetwillen und nicht etwa, weil ich so toll wäre.“

John kniff die Augen leicht zusammen, wie er es immer tat, wenn er nicht ganz einverstanden mit dem war, was sie sagte.

„Was? Stimmt doch, oder nicht?“, reagierte sie auf diesen Blick.

Er schüttelte nur den Kopf und stand abermals vom Bett auf. „Wir sollten jetzt schlafen gehen, denkst du nicht?“, wechselte er das Thema. Mit diesen Worten verließ er das Zimmer. Diana folgte ihm ins Bad. „Warum schüttelst du den Kopf?“, fragte sie ihn.

John atmete einmal tief durch, drückte Zahnpasta auf seine Zahnbürste und steckte sich diese in den Mund. Erwartungsvoll beobachtete Diana ihn dabei. Es dauerte nicht lange, bis John die Zahnbürste zurücklegte. Er fuhr sich einmal mit dem Daumen über die Lippen. „Du weißt, warum ich mir die Zähne putze, oder?“

Dieses Mal verstand sie sofort, was er ihr sagen wollte. Mit einem schlechten Gewissen sah sie auf den Fußboden. „Weil ich es unfair fand, wenn nur ich das tun muss“, erwiderte sie ruhiger.

„Nein“, antwortete John, „in Wahrheit tue ich es, weil du es nicht magst, wenn ich zu oft Magie anwende, egal ob für mich oder für dich. Ich könnte die Bakterien in deinem Mund ebenso schnell töten, wie jene in meinem Mund.“

Sie rollte mit den Augen, ohne etwas dazu zu sagen.

„Es ist lächerlich zu sagen, die Menschen dieser Welt würden mich um meinetwillen lieben“, fuhr er nüchtern fort, „denn sie wissen nicht einmal, wer ich bin.“

Diana verschränkte die Arme vor der Brust. „Du weißt, was ich damit sagen wollte“, stellte sie fest.

„Und du weißt, dass du die Person geschaffen hast, die alle lieben“, erwiderte er ernst. „Du hast mir diesen Beruf als Zauberkünstler und Lehrer ausgesucht. Du sagst mir, wie ich mich in dieser Welt präsentieren soll. Und das Einzige, was ich tue, ist, mich daran zu halten.“ Ohne sie noch einmal anzusehen verließ er das Bad. Er wirkte kontrolliert wie immer, doch dass er sie nicht angesehen hatte, verriet ihr, dass er niedergeschlagener war, als sie erwartet hätte.

„Was ist denn los?“, fragte sie vorsichtig, als sie sich im Schlafzimmer neben ihn ins Bett legte.

Er küsste ihre Hand. „Ich habe nur Angst, dass ich der Grund dafür sein könnte, dass es dir nicht gut geht.“

„Das bist du doch nicht. Denk das bitte nicht!“ Sie schmiegte sich näher an ihn. „Du bist der beste Freund, den man sich vorstellen kann.“

Sie hörte, wie er unzufrieden zu lächeln begann. „Nur ein wenig zu perfekt, ja?“

Diana küsste ihm das Haar. „Vergiss einfach, dass ich das gesagt habe, einverstanden?“

Er drehte sich zu ihr. Nachsichtig musterte er sie. „Vielleicht sollten wir doch noch einmal Urlaub machen“, schlug er vor. „Du weißt, wie die Menschen meiner Zeit dich verehren. Dort bist du der Höhepunkt, nicht ich. Vielleicht würde dir das jetzt nach diesen Bewerbungserfahrungen ganz guttun.“

„Vielleicht hast du damit sogar Recht“, stimmte sie ihm zu, „aber ich möchte auch in der richtigen Welt anerkannt sein.“

„In der richtigen Welt“, erwiderte John schmunzelnd.

Sie wusste, dass diese Worte für ihn etwas anderes bedeuteten als für sie selbst.

„Ich glaube, das bist du mehr, als du denkst“, fuhr er fort. „Anerkannt, meine ich, auch in dieser deiner richtigen Welt.“

„Ja, vielleicht.“

„Und? Was sagst du zum Urlaub? Es wäre ohnehin mal wieder an der Zeit.“

„Tut mir leid, aber ich würde mich gerade lieber erst einmal um die Bewerbungen kümmern. Danach wäre ich sicher auch entspannter.“

„Schade, aber ja. Gut, dann später.“

„John?“

„Ja?“

„Machst du mir den Mund sauber?“

John lachte. „Na endlich.“ Er strich ihr mit dem Daumen über die Lippen. Sofort erfüllte ein Frischegefühl ihren Mund.

„Danke!“

Die Liebe des Schwarzmagiers

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