Читать книгу Die Liebe des Schwarzmagiers - Beatrice Regen - Страница 5

Gesuch um Hilfe

Оглавление

„Diana Kresse?“, hörte Diana eine unbekannte Stimme hinter sich rufen, als sie von einem weiteren erfolglosen Bewerbungsgespräch auf dem Weg nach Hause war.

Sie blieb stehen. Obwohl sie wusste, was auf sie zukommen würde, und momentan keine große Lust hatte, sich mit Johns Fans zu unterhalten, drehte sie sich mit freundlichem Lächeln um.

„Ja?“

„Sie sind doch die Frau von John Gold, oder?“, fragte eine rothaarige Frau mittleren Alters.

„Seine Freundin, ja“, korrigierte Diana höflich.

„Oh, ja natürlich. Es muss wundervoll sein, mit ihm zusammenzuleben, nicht wahr?“

„Sonst wäre ich nicht mit ihm zusammen“, gab sie betont freundlich zurück und fragte sich dabei zugleich, ob sie es damit wirklich vollbrachte, ihre genervte Stimmung zu verbergen.

„Ich habe leider seine einmalige Autogrammstunde verpasst“, fuhr die Frau fort, „dabei bin ich mit Sicherheit sein größter Fan.“

„Mit Sicherheit“, antwortete Diana. Sie hätte gar nicht zählen können, wie oft sie diesen Satz schon gehört hatte.

„Meinen Sie, Sie könnten mir vielleicht ein Autogramm von ihm besorgen? Ich meine, wo wir uns jetzt doch schon so zufällig hier treffen…“

„Tut mir leid, ich würde Sie bitten, dafür auf eine nächste Autogrammstunde zu warten. Ich müsste dann jetzt auch einmal weiter.“

„Nun, schade. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, wenn ich Sie ein Stück begleite?“

Innerlich verdrehte Diana die Augen. „Generell natürlich nicht“, antwortete sie immer noch höflich, „aber ich habe es momentan ein wenig eilig. Ich wollte mir gerade ein Taxi nehmen.“

Wie gerufen kam in diesem Augenblick tatsächlich ein Taxi die Straße entlanggefahren, das Diana sogleich zu sich winkte. Sie verabschiedete sie sich eilig von der fremden Frau, stieg in das Auto und fuhr mit diesem einmal um den Block. Immer noch leicht verärgert, betrat sie schließlich ihren Garten, um durch den Hintereingang in das Haus zu gelangen. Sie freute sich schon auf die Aussicht, den ganzen Wirbel um John für einen Moment hinter sich lassen zu können. Noch bevor sie die Haustür jedoch erreichte, öffnete John ihr.

„Diana, du bist schon wieder zurück?“

Sie runzelte die Stirn. „Und du bist nicht in der Zauberschule?“

„Nein, ich habe heute früher Schluss gemacht.“

„John! Deine Schüler bezahlen dich für den Unterricht“, erklärte sie ihm nicht zum ersten Mal.

„Ich weiß, aber ich denke, sie kommen momentan auch ohne mich zurecht. Wieso bist du schon so früh wieder hier? Wie verlief dein Bewerbungsgespräch?“

Als Antwort warf sie ihm nur einen genervten Blick zu, den er ausreichend gut deuten konnte.

Mitfühlend strich er ihr über die Schulter. „Hast du Lust, spazieren zu gehen?“

„Danke“, würdigte sie sein Angebot kurz, aber verneinend. „Ich würde mich jetzt lieber einfach nur auf die Couch legen.“ Sie wollte auch gar nicht weiter über ihre Misserfolge sprechen. Sie wollte nur noch die Füße hochlegen und abschalten. Es wäre ihr auch nicht unrecht gewesen, alleine zu sein, doch sie hatte weder die Energie noch die Lust, weiter mit John über seine Pflichten zu diskutieren.

„Oh, ok.“ Es wirkte beinahe enttäuscht, als John nickte und ihr gezielt ins Wohnzimmer vorausging, während sie ihre Jacke an die Garderobe hing.

Statt ihm direkt zu folgen, ging sie die Treppe hinauf, um ihre Tasche im Arbeitszimmer abzulegen.

„Was machst du?“, wollte er wissen.

„Ich bringe nur meine Sachen hoch. Ich komme sofort.“

„Mach das doch später und setz dich erst einmal zu mir.“

„Ich bin doch gleich bei dir.“ Sie nahm die letzten Stufen, John gab sich mit dieser Antwort jedoch nicht zufrieden. „Diana, warte bitte.“ Er folgte ihr die Treppe hinauf und als sie die Türklinke des Arbeitszimmers hinunterdrückte, ließ sich die Tür nicht öffnen. Verwirrt drehte sie sich zu ihm um. „Was soll das?“

„Würde es dir etwas ausmachen, jetzt nicht ins Arbeitszimmer zu gehen?“

„Warum, was ist denn da drin? Ein Geschenk für mich?“ Noch einmal versuchte sie die Tür zu öffnen, doch nach wie vor ließ John es nicht zu.

„Nein, das ist es nicht“, widersprach er ihr.

Erst in diesem Moment hörte sie ihm seine Anspannung an. Misstrauisch musterte sie ihn. „Was ist es dann?“

John atmete tief durch. Er setzte zu einer Antwort an und sagte dann doch nichts.

„John, was ist da drin?“, forderte sie ihn erneut auf, ihr eine Erklärung zu liefern.

Immer noch angespannt sah er auf die verschlossene Tür. Man sah ihm förmlich an, wie es in seinem Kopf arbeitete. Schließlich sah er zurück zu ihr. Sein Blick traf direkt in ihre Augen. „Könntest du dich damit zufriedengeben, dass ich es dir nicht sagen möchte?“, fragte er ruhig.

Empört öffnete sie den Mund, doch er ließ ihr nicht die Zeit, um zu antworten.

„Würdest du einmal kurz spazieren gehen? Danach hätte ich diese Unannehmlichkeit sicher beseitigt. Bitte.“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „John, du tust ja gerade so, als wäre da eine andere Frau in dem Zimmer. Und da wir beide wissen, dass das lächerlich ist, sag mir doch einfach, was du zu verbergen versuchst.“

Erneut wanderte Johns Blick zur geschlossenen Tür des Arbeitszimmers. Er ging gar nicht auf die Absurdität dessen ein, was sie gerade ausgesprochen hatte.

„Ich denke, du würdest das nicht verstehen“, sagte er schlicht, ohne sie anzusehen. Besorgnis zeichnete seine Gesichtszüge. Fast schon demonstrativ presste er seine Lippen aufeinander, um ihr zu verdeutlichen, wie ernst es ihm war. Er wollte wirklich nicht weitersprechen.

Ebenso demonstrativ hob sie die Augenbrauen. „Glaubst du wirklich, ich werde jetzt Ruhe geben? Lass mich die Tür aufmachen! Jetzt. Wenn du wirklich nicht willst, dass ich erfahre, was hinter dieser Tür ist, musst du schon Magie anwenden, um es zu verbergen. Denn so einfach gebe ich mich sicher nicht zufrieden.“ Sie wusste, was sich auch immer im Arbeitszimmer befand, John würde keinen Zauber nutzen, um es zu verstecken. Er hatte ihr einmal versprochen, dass er seine Magie niemals gegen sie einsetzen würde. Auch nicht, um sie zu täuschen. Und John hatte noch nie eines seiner Versprechen gebrochen.

„Noch einmal: Lass mich die Tür aufmachen“, forderte sie.

„Da drinnen“, erklärte John nun und deutete mit der rechten Hand auf das Arbeitszimmer, „ist ein Magier aus meiner Zeit.“

„Was?“ Mit einer solchen Antwort hatte sie nicht gerechnet. Und sie wirkte ihrer Verwirrung nicht entgegen, sondern verstärkte sie nur. „Aus Aeb?“, fragte sie nach, während sie noch versuchte, ihre Gedanken zu ordnen.

„Er ist von Aeb aus hierhergereist, ja.“

„Das ist doch aufregend“, stellte sie langsam und immer noch irritiert fest. Viele Magier schien es auch in Johns Welt nicht zu geben, weswegen sie besonders gespannt war, diesen Mann kennenzulernen. „Warum darf ich ihn nicht sehen?“

John rollte mit den Augen. Ein sichtbarer Vorwurf darüber, dass sie seinen Wunsch stillzuschweigen nicht akzeptierte, lag in seiner Haltung. „Das ist komplizierter. Es ist einfach besser, wenn du dir keine Gedanken darum machst.“

„Geht es Miriam nicht gut?“

„Es ist nicht Miriam, die ihn geschickt hat, er ist aus eigennützigen Gründen hier.“

„Und ist er so stark wie du? Ist er gefährlich?“ Sie entfernte sich einen Schritt von der Tür, als ihr bewusst wurde, dass dies Johns Verhalten hätte erklären können. Doch auch mit diesem Gedanken schien sie nicht richtig zu liegen. „Nein“, winkte John ab. „Sonst wäre er nicht hier.“

„Und warum ist er hier?“

„Wirklich, Diana…“

„John!“

„Nun, er ist hier, weil er mich um meine Hilfe ersucht.“

Sie legte den Kopf zur Seite. „Hilfe wobei?“

Angestrengt atmete John tief durch. „Im Prinzip möchte er, dass ich mich in einen Krieg einmische, und ich bin nicht bereit dazu, dies zu tun“, ergab er sich dann jedoch in sein Schicksal. Er verschränkte die Arme vor der Brust.

„Einen Krieg?“ Je mehr Bruchstücke er ihr verriet, desto mehr wuchs ihre Verwirrung.

„Ja.“

„Ja, natürlich mischst du dich da nicht ein.“

Noch einmal atmete er hörbar tief durch, doch klang es immer noch eher angestrengt als erleichtert. „Gut, dass wir uns da einig sind“, erklärte er angespannt, „dann kann ich ihn ja jetzt wegschicken.“

„Kannst du.“ Mit einer einladenden Handbewegung deutete sie auf die Zimmertür.

„Diana, bitte. Du solltest ihn nicht sehen.“

„Ach komm, das ist doch lächerlich. Jetzt mach endlich die Tür auf.“

Nachgiebig hob John endlich die Hand. Zeitgleich ertönte ein Rumpeln im Inneren des Raums. Ohne länger zu zögern, betrat Diana das Arbeitszimmer. Ein Mann Anfang zwanzig kniete dort auf dem Boden und umfasste keuchend seinen Hals. Er trug einen braunen Kittel, der ihm das Aussehen eines Mönches verlieh. Sein Kopf war unnatürlich rot, sein Blick zu Boden gerichtet. Als Diana einen Schritt auf ihn zu trat, sah er verängstigt zu ihr auf. Seine geröteten Augen waren geweitet, Schweiß lag auf seiner Stirn und er zitterte. Sobald er sie aber erkannte, erhellte sich sein Blick schlagartig. „Gnädige Diana“, stieß er so erleichtert aus, dass es Diana tief ins Herz traf. Aus seiner knienden Position heraus verbeugte er sich derart ausufernd, dass er beinahe am Boden lag. Neben Mitleid überkam sie ein mulmiges Gefühl. Den Mann zu ihren Füßen zu sehen erschien ihr unwirklich und das mulmige Gefühl wurde auch dadurch nicht gemildert, dass sich John im nächsten Moment zwischen sie beide begab.

„Ich muss Euch nun erneut bitten, mein Haus zu verlassen“, erklärte er dem Fremden bestimmt.

Die blauen Augen des Mannes weiteten sich wieder. Mit einem Kopfschütteln sah er von John zu Diana und schließlich zurück zu John. „Nein, bitte, das könnt Ihr nicht… Frau Diana…“, wollte er sich direkt an sie wenden, doch John schnitt ihm das Wort ab. „Ich sagte Euch bereits…“

Auch jener Mann ließ John nicht aussprechen. Mit einem „Bitte“ übertönte er John und warf sich vollends vor dessen Füße, ganz offensichtlich mit der Absicht, seine Schuhe zu küssen. Bevor seine Lippen aber das dunkle Leder berührten, wurde der Mann durch eine unsichtbare Macht von John fortgeschleudert.

Erschrocken schrie Diana auf, als der Fremde gegen die hintere Wand des Raumes prallte.

Ungerührt ergriff John abermals das Wort. „Ich warne Euch…!“, richtete er sich an den zu Boden Gesunkenen. Er wollte weitersprechen, doch der Mann ignorierte die Warnung. Hilfesuchend sah er zu Diana. „Bitte, hört mich an!“, flehte er panisch.

John trat einen Schritt nach rechts, sodass er ihr den Blick auf den Mann vollends versperrte. Mit einer knappen Handbewegung öffnete er das Fenster im Raum.

„Geht jetzt freiwillig, oder…“

„John!“ Dieses Mal war es Diana, die John unterbrach. Es war für sie unbegreiflich, was gerade in diesem Raum vor sich ging. Sie konnte nicht länger verstehen, dass John diesen Hilfesuchenden derart kühl zurückweisen wollte und ihn darüber hinaus ohne jeglichen Ansatz von Respekt behandelte.

John musste ihr diese Gedanken ansehen. Sie spürte, wie seine Anspannung zunahm. Mit eindringlicher Miene drehte er sich zu ihr um. „Ich dachte, wir waren uns einig?“

Diese Aussage verärgerte sie nur noch mehr, weil es ganz offensichtlich war, dass er ihr nicht alles berichtet hatte. Trotz dieser Verärgerung antwortete sie so ruhig, wie es ihr möglich war: „Ich möchte mir anhören, was er zu sagen hat.“ Sie drängte sich an John vorbei. Der fremde Mann saß immer noch am Boden. Mit der rechten Hand hielt er seinen linken Arm umfasst, den er sich scheinbar bei dem Aufprall gegen die Wand verletzt hatte. Hoffnungsvoll sah er sie an.

„Diana“, warf John ein, als sie auf den Fremden zuging, um ihm aufzuhelfen.

„Ja?“ Sie hielt dem Mann am Boden eine Hand entgegen. Immer noch ängstlich sah dieser auf ihre Hand und schließlich zu John. Diana folgte seinem Blick. John seinerseits sah zu ihr. Sie hätte nicht sagen können, was seine Miene ausdrückte, doch in diesem Moment war ihr das auch nahezu egal. „John, unser Gast scheint etwas verstört zu sein“, erklärte sie ihm ihrerseits kühl. „Möchtest du uns nicht einen Tee kochen? Das ist gut für die Nerven.“

Angestrengt schloss John die Augen. Er ballte die Hand zur Faust. Dann öffnete er die Augen wieder, drehte sich um und verschwand aus dem Zimmer.

Mit einem Schulterzucken widmete Diana ihre Aufmerksamkeit wieder dem Mann zu ihren Füßen. Dessen Blick war starr auf die Stelle gerichtet, an welcher John verschwunden war.

„Möchten Sie nicht aufstehen?“, versuchte Diana zu ihm durchzudringen. „Dann können wir hinunter ins Wohnzimmer gehen. Dort ist es sicherlich gemütlicher als hier.“

Auf ihre Worte hin lächelte der Mann vorsichtig. Er ergriff ihre immer noch ausgestreckte Hand und richtete sich auf. „Mein Name ist Matthias“, stellte er sich vor. „Ihr ahnt nicht, welch eine Ehre es für mich ist, Euch kennenzulernen.“ Er deutete einen Handkuss an.

Mit einem Lächeln entzog sie ihm ihre Hand. „Nun lassen Sie uns doch zunächst einmal hinunter ins Wohnzimmer gehen. Dann sehen wir, ob ich Ihnen überhaupt weiterhelfen kann.“

„Es bedeutet mir bereits sehr viel, dass Ihr mir überhaupt Gehör schenkt.“

„Gerne“, antwortete sie mit einem Kloß im Hals, denn die Befürchtung, ihm wirklich nicht weiterhelfen zu können, holte sie ein. Sie ging ihm voran in Richtung Wohnzimmer. Bereits von der Treppe aus konnte sie John sehen, der auf der Couch saß und eine Tasse Tee in der Hand hielt. Wachsam musterte er sie und den Mann neben ihr, während sie die Treppen hinunterstiegen. Er gab keinen Ton von sich, als sie neben ihm auf Sessel und Couch Platz nahmen. Diana goss für Matthias Tee aus der Kanne, die John dort bereitgestellt hatte, und schenkte auch sich selbst ein. Dankend nahm Matthias die Tasse entgegen und trank sogleich einen Schluck daraus. Seine Haltung entspannte sich ein wenig. Nicht viel, aber doch spürbar.

„Nun Matthias, ich bin mir sicher, Sie haben es John bereits erklärt, aber sagen Sie mir doch auch noch einmal, warum Sie hier sind.“

Matthias stellte die Tasse wieder vor sich auf dem Tisch ab. Seine Hände zitterten leicht. „Es geht um meine Frau“, antwortete er. Eindringlich fokussierten seine Augen die ihren. „Sie wurde entführt und es steht nicht in meiner Macht, sie zu befreien.“

„Was?“, fragte sie erneut überrascht. „Wieso? Ich dachte, es geht hier um Krieg?“

Matthias nickte erschöpft. „Darum geht es auch. In diesem Krieg geht es um einige Städte in der Nähe Aebs. Im Moment sind wir Teil Heroniens, doch die Gallianen wollen das Land für sich beanspruchen. Es ist der Truppenführer der Gallianen, der meine Frau entführte. In nicht einmal mehr zwei Wochen wird es zu einer Schlacht kommen und die Gallianen möchten mich dazu zwingen, an ihrer Seite zu kämpfen. Meine Kräfte sind nicht ansatzweise vergleichbar mit der Macht Eures Mannes“, er sah flüchtig zu John, „und doch würde es ihnen einen massiven Vorteil bieten, würde ich an ihrer Seite kämpfen. Sie würden meine Frau töten, täte ich nicht, was sie von mir verlangen.“ Den letzten Satz sprach er nur mit holpriger Stimme aus. Mit seinen zittrigen Händen griff er wieder nach der Teetasse.

Diana sah zu John hinüber, während sie sich aktiv daran erinnern musste, dass Heronien in Johns Welt etwa dem entsprach, was sie heute als Deutschland kannte. Auch von Gallia hatte John ihr bereits berichtet. Die Gallianen, denen sie in Johns Welt begegnet war, hatten Französisch gesprochen. Zu Beginn ihrer Beziehung hatte Diana sich noch gewundert, dass so viele Parallelen zwischen Johns und ihrer Welt existierten, obwohl sie zeitlich nicht miteinander verbunden waren, bis John ihr berichtet hatte, dass die Welten sich eine gemeinsame Vergangenheit teilten und nur kleine Veränderungen im Weltgeschehen sowie eine zeitliche Verzögerung dazu geführt hatten, dass sie sich voneinander unterschieden.

John hatte seinen Tee inzwischen ausgetrunken und goss sich nun nach. Er wirkte noch immer unbeeindruckt.

„Und wie können wir Ihnen da helfen?“, fragte Diana wieder an Matthias gewandt. Bewusst ignorierte sie Johns unangebrachte Gelassenheit.

Matthias schien froh zu sein, die Gelegenheit zu bekommen, sich zu erklären. „Ich wäre nicht gezwungen, gegen meine eigenen Leute zu kämpfen, wenn ich meine Frau einfach nur befreien könnte“, erwiderte er schnell. „Und sie zu befreien, dazu sollte ich in der Lage sein, vorausgesetzt, ich wüsste, wo sie ist. Doch sie aufzuspüren, das geht weit über meine Macht hinaus. Ein Mann wie der schwarze Magier aber, für solch einen Mann sollte es ein Leichtes sein, eine verschollene Frau ausfindig zu machen.“ Wenn auch nur kurz, so wanderte sein Blick besorgt zurück zu John.

Diana folgte seinem Blick und fühlte sich selbst dabei alles andere als unsicher. „Könntest du das?“, fragte sie John direkt.

John trank noch einen Schluck Tee. Seine Haltung änderte sich nicht. Weder die Bitte des Fremden noch ihre Frage schien ihn zu beeindrucken. Seine Augen musterten sie ruhig. „Diana, du wolltest ihm zuhören und du hörst ihm zu. Du wolltest, dass er Tee trinkt und er trinkt Tee. Ob ich zu tun vermag, wonach er ersucht, spielt hier keine Rolle, denn ich habe nicht vor, ihm zu helfen und ich werde ihm nicht helfen. Und vor Menschen, die mich in einen Krieg verwickeln wollen, beliebt es mir nicht, darüber zu berichten, was ich zu tun vermag und was nicht.“

„Ihr versteht das falsch“, versuchte Matthias, sich zu rechtfertigen. „Ich versuche nicht Euch in einen Krieg zu verwickeln, sondern mich selbst eines Krieges zu entziehen.“

„Also kannst du es?“, fragte Diana noch einmal.

Stechend musterte John ihren Besucher. „Gehen wir davon aus, ich könnte es nicht, wie sähe Euer Plan dann aus?“

„Dann“, antwortete Matthias und senkte den Blick, „würde ich Euch bitten, in der Schlacht gegen mich zu kämpfen, sodass ich tun kann, was von mir verlangt wird, und doch niemandem schade.“

„Und damit wäre ich also nicht in einen Krieg verwickelt?“

„Aber Ihr könnt sie doch aufspüren, nicht wahr?“, fragte Matthias mit wiederaufkommender und unverhohlener Panik.

John schüttelte den Kopf, doch nicht als Antwort auf die Frage. „Der Tee ist leer“, sagte er stattdessen, nahm die Kanne zur Hand und stand auf.

„Bitte!“, stieß Matthias verzweifelt aus und warf sich John erneut vor die Füße. „Helft mir!“

John trat um den Mann herum, ohne ihn weiter zu beachten, ging in den Küchenbereich und von dort aus in die Speisekammer. Er schloss die Tür hinter sich.

Mit leidvollem Gesichtsausdruck setzte Matthias sich wieder auf. Tiefes Mitgefühl erfüllte Diana, als sie ihn so sah. „Bitte“, sagte sie zu ihm, „machen Sie sich nicht so viele Sorgen. Ich rede mit ihm.“ Mit diesen Worten erhob sie sich, ging ebenfalls an Matthias vorbei und folgte John.

„Was soll das?“, forderte sie eine Erklärung von ihm, nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte.

John holte gerade frischen Tee aus einem der Regale. Er blickte nicht einmal zu ihr. „Diana, ich werde nicht nach Aeb reisen, wenn dort Krieg ist“, erwiderte er entschieden und nach wie vor ruhig. Es wirkte, als berührte ihn das Schicksal ihres Besuchers aus der Vergangenheit nicht einmal. Mit seiner Gelassenheit ließ er Dianas innere Unruhe hingegen nur wachsen, denn sie verstand nicht, woher er seine Entschiedenheit nahm. Das Argument, dass er sich nicht in einen Krieg einmischen wolle, kam ihr mit einem Mal wie eine dumme Ausrede vor.

„Aber du musst doch nicht in den Krieg eingreifen“, widersprach sie ihm. „Du sollst doch nur diese Frau befreien. Das kannst du doch, oder?“

John sah zu der verschlossenen Tür. Diana kannte den Blick, den er dabei verwendete. Er zauberte.

„Baust du gerade eine schallundurchlässige Wand?“, fragte sie ihn. „Glaubst du wirklich, dass wir Matthias so wenig vertrauen können?“

Leicht rollte er mit den Augen. „Was ich weiß, ist, dass weder du noch ich ihn kennen. Und damit gibt es für mich keinen Grund, ihm zu vertrauen.“

„Miriam hat ihn zu uns geschickt“, entgegnete sie.

„Und Miriam weiß, dass ich vorsichtig bin“, entkräftete er ihr Argument.

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Schön, dann sei es eben. Aber wieso möchtest du ihm nicht helfen? Was würdest du tun, wenn mich jemand entführt hätte? Würdest du dann nicht auch alles daransetzen, mich zu befreien? Dieser Mann ist verzweifelt!“

John nickte und trat einen Schritt auf sie zu. „Diana, sollte das Unglück geschehen, dass dich jemand in seine Gewalt bringt, würde ich keine Sekunde ruhen, bis ich dich wieder in Sicherheit wüsste, glaube mir. Aber das“, er deutete mit der Hand in Richtung Tür, „ist nicht meine Angelegenheit. Ich habe dir schon immer gesagt, dass ich meine Mächte nicht zum Wohle der Menschheit einsetze. Und du stimmtest mir zu, dass es mein Recht ist, ein eigenes Leben zu führen.“

„Ja, und das denke ich auch immer noch. Aber dieser Mann hat dich konkret um deine Hilfe gefragt. Er ist nur wegen dir hier und sieht in dir seine einzige Hoffnung. Willst du sie ihm wirklich nehmen? Er möchte weder seine Frau verlieren, noch einen Krieg gegen sein eigenes Land führen. Kannst du das nicht verstehen?“, versuchte sie noch einmal an sein Mitgefühl zu appellieren.

„Ich sagte nie, dass ich ihn nicht verstehe“, erklärte er. Nur schien dieses Verständnis nichts an seiner Meinung zu ändern.

„Und würdest du dich nicht automatisch auf die Seite der Gallianen stellen, würdest du ihm nicht helfen?“, versuchte sie sich wieder auf seine Argumentationsebene einzulassen.

„Und stellte ich mich nicht automatisch auf die Seite der Heronen, würde ich es tun?“, entgegnete er nur.

„Na ja, du bist doch Herone.“

„Was bitte macht mich dazu?“

Verwirrt schüttelte sie den Kopf.

„Diana“, redete John weiter auf sie ein. „In diesem Krieg geht es lediglich um Land. Mir ist es egal, welcher König Aeb oder die Dörfer darum für sich beansprucht. Ich lebe ohnehin weder nach den Gesetzen des heronischen noch nach jenen des gallianischen Königs. Ich bezahle weder Steuern noch leiste ich sonstige Abgaben und Dienste. Und glaube mir, weder der heronische noch der gallianische König würden es wagen, dies von mir zu verlangen.“

„Nur geht es hier gerade nicht um dich, oder?“, fuhr sie ihn an. „Wie kannst du so egoistisch denken? Was ist mit deinen Freunden dort? Ragnor und Apolonia werden sicher mit ihren Männern in den Krieg ziehen müssen. Willst du sie einfach so sich selbst überlassen? Und dann auch noch Matthias gegen sie kämpfen lassen?“

„Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass du das nicht verstehen würdest.“

„Nein, ich verstehe dich auch nicht. Wie kannst du denn so herzlos sein?“

Zusätzlich zu der frischen Minze nahm John sich ein paar Pfefferminzteebeutel zur Hand. „Ich schätze Ragnor und Apolonia sehr“, antwortete er und wich dabei weiterhin ihrem Blick aus, „aber stell dir nur einmal vor, ich würde beispielsweise einen Schutzzauber auf Ragnor legen. Was meinst du, wie viele nicht weniger unschuldige Männer während des Krieges durch seine Hand sterben würden, bliebe er unverwundet?“

Je länger sie mit John redete, desto weniger verstand sie ihn. Sie schüttelte den Kopf. „Wie kannst du nur so rational denken?“

Johns Augen wanderten durch die Vorratskammer, als suchten sie nach etwas weiterem, das er mit in die Küche nehmen konnte. „Ich denke, das ist die einzige Art, wie man einen Krieg betrachten kann“, erwiderte er dabei ungerührt. „Es gibt nie eine gute und eine böse Seite. So einfach ist das nicht.“

„Sie sind deine Freunde!“

„Nicht sie sind es, die mich gerade um Hilfe bitten, oder?“

„John, ich möchte, dass du diesem Mann hilfst. Du sollst einfach nur seine Frau finden. Es geht überhaupt nicht darum, dass du dich auf irgendjemandes Seite stellst. Und wir haben doch nichts zu verlieren, oder?“, sprach sie weiter, was er nicht leugnen konnte. „Du hast mir doch selbst schon unzählige Male erklärt, dass diese Vergangenheit dort nicht mit unserer Welt verbunden ist, sondern eine andere Welt, die noch nicht so weit vorangeschritten ist wie unsere. Egal, was dort geschieht, es hat keinen Einfluss auf unsere Zukunft, nicht wahr?“

Unvermittelt umarmte er sie. Sie hörte seinen Atem in ihrem Ohr. „Mein Schatz“, erwiderte er, „das ist es nicht, was ich befürchte.“

Wieder spürte sie seine Anspannung. Erst in diesem Moment wurde ihr klar, dass ihm Bedenken durch den Kopf gingen, die er nicht in Worte fassen konnte oder von denen er glaubte, sie könne sie nicht verstehen. Als sie sich nun einen Augenblick Zeit gab, weiter darüber nachzudenken, glaubte sie auch zu begreifen, worum sich diese Bedenken drehten. Er musste befürchten, in diesem Krieg die Kontrolle über sich selbst zu verlieren und etwas zu tun, das er bereuen können würde. Sie wusste, es war nicht ohne Grund geschehen, dass die Menschen seiner Zeit ihn fürchteten.

„Und wenn du trotzdem versuchst, ihm zu helfen?“, fragte sie immer noch in seinen Armen. Bewusst sprach sie versöhnlich. „Ich habe nur solches Mitleid mit ihm, weil ich mir vorstellen muss, wir wären auf solch eine Weise voneinander getrennt. Wäre das nicht schrecklich?“

„Unsagbar schrecklich“, antwortete er völlig ernst und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Zum ersten Mal, seitdem sie in die Küche gekommen war, sah er ihr in die Augen.

Diana drückte ihn fester an sich. „Du wirst ihm also helfen?“

Er löste sich von ihr. „Ich halte das für keine gute Idee. Wenn ich erst einmal in Aeb bin, können so viele unvorhergesehene Dinge geschehen. Auch wenn es nicht die Absicht dieses Mannes auf unserer Couch ist, so kann es doch so einfach geschehen, dass ich auf irgendeine Weise in den Krieg verwickelt werde, wenn ich erst einmal dort bin. Und du hast keine Ahnung von dem, was geschehen kann, wenn ich mich in einen Krieg einschalte.“

„John, ich bitte dich. Hilf ihm. Mir zuliebe.“

Verzweiflung stand ihm ins Gesicht geschrieben, als er abermals die Augen schloss. „Noch etwas, das nicht in meiner Macht steht“, sagte er und öffnete die Augen wieder, „dir einen Wunsch abzuschlagen.“

Diana gab ihm einen langen Kuss auf den Mund. „Ich danke dir!“

Er trat einen Schritt von ihr weg und nahm ihre Hand. Eine unnatürliche Wärme ging von seiner Hand aus und erfüllte ihren gesamten Körper. „Was war das?“, fragte sie John, als er ihre Hand losließ.

„Nun, was denkst du, was es war? Ich werde es sicherlich nicht zulassen, dass mir das gleiche Schicksal widerfährt wie diesem Matthias.“

„Ein Schutzzauber? Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich das nicht will. Was wird sein, wenn ich mich auf der Arbeit an Papier schneide und jemand sieht, dass ich nicht zu bluten beginne?“

„Du arbeitest zurzeit nicht.“

„Danke, dass du mich daran erinnerst. Trotzdem. Du weißt, was ich meine.“

„Es ist kein Schutzzauber“, erwiderte John. „Jedoch ist es ein Zauber, der es mir erlauben wird, dich wiederzufinden, falls du verloren gehst. Egal wie weit du von mir entfernt sein magst. Ich passe auf dich auf.“

Die Liebe des Schwarzmagiers

Подняться наверх