Читать книгу Die Liebe des Schwarzmagiers - Beatrice Regen - Страница 8

Im Wald

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John achtete nicht auf den Weg, den er nahm. Regen tropfte auf seine Haut und verdampfte augenblicklich wieder. Um ihn herum brannten von Blitzen getroffene Bäume. Ein starker Wind ließ die Flammen um die Bäume trotz des Regens in die Höhe züngeln. Das heiße Feuer erleuchtete die verdunkelte Nacht. Ihm aber war es egal, wie hell oder dunkel es war. Vor Augen hatte er immer noch allein das Bild Dianas, wie sie Daniel küsste, ihr nackter Oberkörper an jenen Mann gepresst, während dieser keine Hose trug. Jener Mann, der schon vor Jahren versucht hatte, Diana für sich zu gewinnen.

John ballte die Hände zu Fäusten. Der Donner dröhnte in seinen Ohren, als mehrere Blitze gleichzeitig knapp neben ihm auf den Boden trafen. Doch auch die Energie, die er für die Blitze aufwendete, verschaffte ihm keine Erleichterung. Zu intensiv hatte sich das Bild der Frau, die er liebte, in den Armen des Mannes, den er verabscheute, in sein Gedächtnis gebrannt. So sehr er es sich auch gewünscht hätte, er vermochte es nicht, dieses Bild zu verdrängen, oder die Gefühle, die es in ihm auslöste. Sie hatte ihn weggeschickt. Diana hatte ihn nach Aeb geschickt und in seiner Abwesenheit hatte sie sich mit dem Mann getroffen, mit dem sie ihn am meisten hatte verletzen können. Daniel. Sie hatte mit ihm gelacht und gescherzt. Sie hatte ihn geküsst. Und sie hatte sich ihm nackt gezeigt, als wäre es ihr egal, wie sehr sie John damit verletzte.

Sie hatte mehrfach gesagt, dass nichts zwischen ihr und Daniel gelaufen war, doch in keiner Sekunde hatte sie es gesagt, um sich zu rechtfertigen, oder um John zu beweisen, dass sie nur ihn liebte. Sie hatte es gesagt, um Daniel das Leben zu retten. Diesem Mann, der sich ihr aufgedrängt hatte und der nichts Besseres als den Tod verdient hatte.

John fuhr sich mit der Hand durch das Haar. Er entfernte sich immer weiter von dem Haus, in dem er sie zurückgelassen hatte. Er hatte ihre Trauer über den Tod Daniels gespürt, kurz nachdem er das Haus verlassen hatte, und er spürte sie noch jetzt. Er hatte ihre Tränen gesehen. Auch jetzt weinte sie noch. Und nun war sie auf dem Weg zu ihm. Trotz des Gewitters fuhr sie in höchster Geschwindigkeit mit ihrem Auto. Sogar auf diesem Auto spürte John die Berührung Daniels. Es war heute nicht das erste Mal gewesen, dass die beiden sich getroffen hatten.

Er schluckte.

Er sah zum Himmel hinauf und schloss für einen kurzen Augenblick die Augen, während er sich fragte, wie es dazu hatte kommen können und wieso sie das Bedürfnis gehabt hatte, sich mit Daniel zu treffen. Doch er fand keine Antwort darauf. Es gab keine Begründung oder gar Entschuldigung, die hätte rechtfertigen können, was sie getan hatte.

Er begab sich auf die Mitte der Straße, um sich von ihr, die ihn verraten und das Wohl eines anderen Mannes über seines gestellt hatte, finden zu lassen. Er wartete auf sie, ohne zu wissen, warum sie ihn suchte und was er selbst von ihr erwartete. Er stand lediglich da und beobachtete die Scheinwerfer ihres Autos, die sich ihm immer schneller näherten, selbst als sie nur noch kurz vor ihm war. Er konnte nicht sagen, ob sie ihn durch die Dunkelheit erst so spät wahrnahm, oder ob es einen anderen Grund hatte, dass sie erst kurz vor ihm zu bremsen begann. Mit quietschenden Reifen kam sie jedoch nur zentimetergenau vor ihm zum Stehen. Ihr Atem ging schwer. Sie zögerte. Dann aber stieg sie stürmisch aus dem Wagen aus.

„Du hast ihn umgebracht!“, schrie sie ihm verzweifelt entgegen. Ihre Stimme überschlug sich und ein neuer Tränenschwall strömte aus ihren Augen. Ihre Trauer stach jedoch nur noch tiefer in sein Herz. Noch immer galt ihre Sorge Daniel. Darüber hinaus machte sie John, den sie hätte lieben und um Verzeihung bitten sollen für das, was sie getan hatte, einen Vorwurf. Ihm, John, den sie betrogen hatte.

Der nächste Blitz erleuchtete ihr Gesicht. Hass lag in ihren Augen. Hass, der unterstrich, wie viel ihr Daniel wirklich bedeutet hatte.

„Wieso bist du mir gefolgt?“, wollte er wissen. In seiner Hand bildete sich wie von selbst eine Kugel aus Feuer. Es war mehr als Trauer, die in diesem Moment Besitz von ihm ergriff. Es war auch Wut. Diana hatte ihn verletzt. Sie hatte ihn zutiefst getroffen. Und sie tat es noch. Sie antwortete ihm auch nicht auf seine Frage. Ebenso ignorierte sie die Feuerkugel in seiner Hand. Sie ging lediglich zielstrebig auf ihn zu und verpasste ihm mit all der Kraft, die sie aufbringen konnte, eine Ohrfeige. „Er ist tot!“, erklärte sie weinend.

Das Feuer in seinen Händen löste sich in Luft auf, doch als Diana weiter auf ihn einschlagen wollte, hinderte er sie daran, indem er schlicht ihre Hand festhielt. „Ich weiß. Ich habe ihn schließlich getötet“, erwiderte er ruhig. „Also sag: Warum bist du mir gefolgt?“

Sie entriss ihm ihre Hand. „Mach das rückgängig!“, schrie sie hysterisch.

Ihre Worte trafen ihn wie ein weiterer Schlag und verletzten ihn beinahe mehr als alles andere, was sie an diesem Tag getan hatte. Wie konnte sie es wagen, ihm ins Gesicht zu sagen, dass sie wegen Daniel hier war? Dass Daniel ihr wichtiger war als John selbst. Wie konnte sie von ihm verlangen, diesen Mann ins Leben zurück zu rufen, dessen Tod das einzig Richtige war, was an diesem Tag geschehen war? Wie konnte sie überhaupt irgendetwas von ihm verlangen? Insbesondere etwas, von dem sie wusste, dass es ihm unmöglich war.

„Du weißt, dass ich das nicht kann. Also, warum bist du hier?“ Warum konnte sie ihm nicht einfach sagen, dass sie ihn liebte? Dass es ihr leidtat, was geschehen war? Dass Daniel ihr egal war?

„Du musst es können!“, schrie sie stattdessen. „Du hast einen Menschen getötet, John. Du! Du kannst das doch nicht einfach so akzeptieren. Du musst ihn wiederbeleben!“

John sah zur Seite. Er leckte sich über die Lippen. „Damit du wieder das Bett mit ihm teilen kannst?“, fragte er ruhig, ohne sie anzusehen.

Nur im Augenwinkel nahm er wahr, wie ihre Hand leicht zitterte, als wolle sie ihn erneut damit schlagen. Dieses Mal allerdings hielt sie sich zurück. „Du weißt, dass ich das nicht getan habe!“, erklärte sie hörbar um Beherrschung bemüht. Sie deutete auf ihr Kleid, auf dem sich noch immer der Kaffeefleck befand. Er folgte dieser Aufforderung, sie anzusehen.

„Nur deswegen habe ich mein Kleid ausgezogen!“, schrie sie weiter. „Ich hätte dich niemals betrogen! Mag sein, dass Daniel mehr wollte, doch das hätte er nicht bekommen.“

Es schien, als verstände sie nicht einmal, was er ihr wirklich vorwarf. „Als ich eintrat, hörte ich, wie er zu dir sagte, du wärest nicht glücklich mit mir. Du hast ihm nicht widersprochen.“

„Ja, weil er mich in der nächsten Sekunde geküsst hat. Er mich! Nicht umgekehrt!“

„Du wolltest es also nicht?“

„Nein! Und wärest du eine Sekunde früher nach Hause gekommen, hättest du gehört, wie ich zu ihm sagte, dass ich dich nie so verletzen könnte.“

Das hatte John gehört. Er war nach Hause gekommen, voller Freude, sie wiederzusehen. Er hatte sich auf ihre Augen gefreut, auf ihr Lächeln, wenn sie ihn sah. Das Lächeln, das breiter werden würde, sobald er ihr erzählen würde, dass er die Frau gefunden hatte, die sie und Matthias ihm aufgetragen hatten zu suchen. Dass er sie befreit hatte und dass es ihr gut ging. Doch noch bevor er das Haus betreten hatte, hatte er die Anwesenheit Daniels gespürt. Er hatte gehört, wie Daniel zu ihr gesagt hatte, sie brauche sich keine Sorgen darüber machen, er verrate John etwas von dem, was zwischen ihnen geschehen war. „Ich habe es gehört“, klärte er sie auf. „Er antwortete, du habest mich schon verletzt.“ Und er hatte ihr lachend erklärt, er wisse, dass sie auf seinen Körper stehe. Noch jetzt lief es John bei dem Gedanken daran kalt über den Rücken. Das Lachen hatte nicht nur selbstverliebt geklungen, es hatte auch eine Vertrautheit zwischen Daniel und Diana ausgedrückt, die es nicht hätte geben dürfen.

„Ich habe nicht mit ihm geschlafen!“

„Er war nackt“, sagte John mehr zu sich selbst als zu ihr. Und wieder kehrte das Bild der beiden in vollster Intensität zurück vor sein inneres Auge.

„Ja, aber doch nicht, weil ich es so gewollt hätte! Das musst du doch mitbekommen haben!“

„Das heißt, er hat sich selbst gegen deinen Willen entblößt und dich gegen deinen Willen geküsst? Er hat dir die Hurerei nur unterstellt?“

„Ja, verdammt!“

„Was bitte war dann falsch daran, dass ich ihn tötete? Und warum trauerst du ihm nach?“, fragte er sie voller Ernsthaftigkeit. Er hoffte inständig, dass sie ihm darauf eine Antwort geben würde, die Klarheit in seine innere Unruhe bringen würde. Denn noch immer konnte er weder in Worte fassen, noch für sich selbst erfassen, was er wirklich glaubte. Er wollte ihr glauben, dass sie ihn nicht betrogen hatte und er tat es auch. Und doch wollte ihr Verhalten nicht zu dem passen, was sie berichtete.

Wieder ging ein Zittern durch ihren Körper. „John! All das ist es doch nicht wert, jemanden dafür umzubringen! Wir haben lediglich etwas herumgealbert.“

„Herumgealbert!“, hallte es in seinen Gedanken wider. „Mir war es das wert“, gab er zurück und hoffte, sie würde ihn endlich verstehen.

„Ist Daniel dir wirklich wert, dafür unser ganzes Leben wegzuwerfen?“, schrie sie ihn an, voller Wut, Empörung und Vorwurf. Und zum ersten Mal verspürte er die Hoffnung, dass sie doch wegen ihm hierhergekommen war, nicht wegen Daniel. Möglicherweise war der Grund, der sie so aufbrachte, tatsächlich, dass sie um ihr gemeinsames Leben fürchtete. Möglicherweise trauerte sie doch nicht um den Mann, der seinen nackten Körper an ihren gepresst hatte.

„Niemand muss ihn je finden“, redete er beruhigend auf sie ein und griff nach ihren Händen, doch sie zog sie von ihm fort. Mit Ekel sah sie ihn an.

„John! Ich habe ihn gefunden! Du hast ihn umgebracht, verdammt! Verstehst du das nicht? Mach es rückgängig, du weißt genau, dass ich nicht mit einem Mörder an meiner Seite leben kann!“ Ihre Stimme zitterte, so sehr weinte sie.

Er trat von ihr zurück. „Das war kein Mord. Es war mein Recht“, erinnerte er sie. Schließlich hatte er die beiden eng umschlungen vorgefunden und Daniel hatte gewusst, dass Diana ihm gehörte. John hätte ihn leiden lassen können, für das, was er getan hatte, doch das hatte er nicht. Er hatte ihn nur getötet.

„Gott“, stieß sie angewidert aus. Sie musterte John kurz, dann senkte sich ihr Blick zu Boden. „John, liebst du mich?“, fragte sie leise.

Fassungslos darüber, dass sie ihm jetzt diese Frage stellte, schüttelte er den Kopf. Sie war es, die ihm ein Eingeständnis ihrer Liebe schuldete, nicht umgekehrt. Erwartete sie, dass er sie nun auch noch dafür belohnte, dass sie sich mit einem anderen Mann vergnügt hatte? Natürlich liebte er sie, doch sie konnte nicht ernsthaft verlangen, dass er ihr dies nun auch bekundete. Sie hatte ihn verletzt. Nun aber stand sie hier selbstgerecht vor ihm ohne den Hauch einer Entschuldigung im Blick. Im Gegenteil, noch immer strahlte ihre gesamte Haltung Abscheu aus, als verurteile sie ihn für das, was er getan hatte. Es war absurd. Anmaßend. Mit einem genervten Schrei streckte John beide Arme zur Seite. Seiner Bewegung folgte ein solch starker Luftzug, dass sich links und rechts neben der Straße die angrenzenden Bäume entwurzelten und umkippten. Er tat es, um seiner Wut freien Lauf zu lassen, jedoch auch, um sie Diana zu zeigen. Schwer atmend sah er sie an. Er öffnete den Mund, um ihr eine Erwiderung auf ihre Frage zu geben, doch ihm fehlten die Worte. Er schloss den Mund wieder.

„John, beantworte mir bitte meine Frage.“

Wieder schüttelte er den Kopf. Er sah auf das dunkle Braun der entwurzelten Bäume neben sich. „Warum fragst du mich das?“

„Wenn du mich liebst, dann musst du mir Daniel zurückholen. Ansonsten kannst du vergessen, dass ich je wieder mit dir rede.“

Er schloss die Augen. Es verwunderte ihn kaum mehr, dass sie auch diese Frage nur für Daniel gestellt hatte. „Diana“, begann er um Beherrschung bemüht, „selbst wenn ich es wollte, ich kann ihn …dir… nicht zurückholen. Er ist tot.“

„Versuch es!“

„Glaubst du wirklich, ich hätte derartiges noch nie versucht? Ich kann es nicht.“ Er sah sie fest an. Das war die Wahrheit und das wusste sie.

„Du musst es können. Du hast ihn schließlich auch umgebracht. Also, verdammt nochmal, mach es rückgängig!“ Mehr denn je war ihr ihre Verzweiflung anzuhören. So sehr, dass sie ihm leidtat, obwohl es Daniel war, der diese Verzweiflung in ihr auslöste.

„Ich kann es nicht“, war dennoch das Einzige, was er ihr sagen konnte.

„Du kannst alles!“

„Ich bin nicht Gott!“ Er betonte jedes einzelne Wort. In ihrer Verzweiflung war sie irrational, wie er es nicht von ihr kannte, was ihm abermals nur noch mehr verdeutlichte, wie unnatürlich wichtig ihr Daniels Leben war. Doch sie musste die Wahrheit einsehen. Daniel war tot. Gestorben durch Johns Hand. Und es war nicht rückgängig zu machen. Von niemandem.

Seine Worte drangen nur langsam zu Diana durch. Sie ballte die Hand zur Faust. „Du sollst es versuchen!“, befahl sie ihm noch einmal. „Wenn dir auch nur irgendetwas an mir liegt, versuchst du es!“

Er biss die Zähne aufeinander. Ihre Worte waren verlangend. Sie forderte seine Liebe ein, war aber weit davon entfernt, ihm ihre zu zeigen. Noch dazu forderte sie seine Liebe, um ihr einen anderen Mann zurückzuholen. Mehr und mehr gab sie ihm das Gefühl, dass Daniels Leben ihr wirklich wichtiger war als er. Er aber liebte sie und selbst wenn er wusste, dass er nicht tun konnte, was sie von ihm verlangte und auch obwohl er es nicht wollte, so wollte er sie doch nicht verlieren. Wortlos ging er an ihr vorbei und setzte sich auf den Beifahrersitz ihres Autos. Mit deutlicher Erleichterung setzte sie sich neben ihn.

Die Liebe des Schwarzmagiers

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