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7 Freundinnen

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Béatrice hatte im Kaminzimmer auf einem Silberteller liebevoll Kekse und dunkle Schokoladentrüffel arrangiert und schenkte Tee ein. Dabei musterte sie Elaine besorgt, die sich in ihrem Lieblingssessel zusammengekauert hatte.

»Geht es dir gut? Du siehst blass, fiebrig und ganz erschöpft aus.«

Als Elaine nickte, reichte sie ihr die Tasse über den Tisch. »Entspann dich, meine Liebe. Heute steht doch nichts mehr an.«

Elaine trank einen Schluck, stellte die Tasse zurück und schob einen Trüffel in ihren Mund. »Hm, mit Waldbeeren gefüllt, was für ein Gaumen­schmeichler.« Sie ließ die Köstlichkeit mit geschlossenen Augen auf der Zunge zergehen. Dann lächelte sie die Freundin an. »Vor dir kann ich wirklich nichts verbergen.«

»Willst du das denn?«

»Entschuldige, aber mein Gespräch mit Kardinal Bretone war gespickt mit unangenehmen Überraschungen.« Elaine rutschte der Name des Kardinals ungewollt heraus. Auch Béatrice gegenüber hatte sie konsequent Privates und Geschäftliches getrennt.

»Kardinal Umberto Maria Emanuele Bretone? Allein der Klang seines Namens, welche Ehre! Und der hat dich empfangen?« Dann kniff Béatrice die Augen leicht zusammen. »Du hast mit dem Vatikan zu tun?«

Die Frage ließ Elaine tief aufseufzen.

»In Rom kursieren schon länger Gerüchte, dass seine Position wackelt. Erzähl, wie ist er? Man sagt dem kleinen Bretone nach, dass er ein Charmeur und beiden Geschlechtern nicht abgeneigt sei.« Sie kicherte. »Ich liebe Tratsch aus erster Hand.«

»Mich hat er nicht verzaubert, im Gegenteil. Der Kardinal beschert mir gerade Albträume. Außerdem bevorzuge ich geistreiche Männer vor geistlichen.«

Béatrice setzte ihre Tasse ein wenig zu laut auf dem Tisch ab. »Jetzt red doch schon«, drängelte sie. »Wie lange willst du noch alles in dich hineinfressen? Wozu bin ich deine Freundin?«

Elaine kannte Béatrices direkte, undiplomatische Art. Und sie hatte recht. Auch wenn sie nur wenig erzählen konnte, würde sie so ein bisschen Frust loswerden und die Neugier der Freundin zufriedenstellen.

»Kardinal Bretone hat drei Päpste überlebt. Darüber sind seine Haare licht geworden, sein Bauch wohl gefüllt und wahrscheinlich auch seine Taschen«, erzählte Elaine nonchalant. »An den kleinen Händen mit den dicken, manikürten Fingern trägt er außer dem Kardinalsring einen weiteren protzigen Siegelring. Umberto hat mit Sicherheit einiges hinter den heiligen Mauern gesehen und taktiert klug, ansonsten hätte er sich dort nicht Jahrzehnte behaupten können. Er ist ein süßer Redner, höflich, charismatisch und verhandelt raffiniert. Und wie ich seit heute weiß, behält er auch in unmöglichen Situationen die Conte­nance.«

»Du klingst wie eine verbitterte Jungfer«, stichelte Béatrice, »und erinnerst mich an die verzweifelte Elaine, die ich einst heulend im Park der Villa Borghese getroffen habe. Ein paar Falten mehr vielleicht …«

»… mehr graue Haare und weniger Illusionen«, setzte Elaine die Aufzählung fort. »Allerdings plagen mich diesmal richtige Probleme, kein Kinderkram. Ich wünschte, es würde sich wie damals im Handumdrehen lösen lassen.«

»Jetzt lass das Jammern, Elaine. Das passt nicht zu deiner Aura der Kultiviertheit oder Autorität, und ist doch sonst auch nicht deine Art. Eitel sind wir zwar, aber Falten dürfen dazugehören. Du siehst für dein Alter fantastisch aus, bist eine klassische Schönheit und eine erfolgreiche Frau. Männer sind als ernsthaftes Gesprächsthema durch, unsere Kinder erwachsen, und auch die Probleme mit deinen Schwägerinnen haben wir schon hundert Mal diskutiert. Genieß das Leben! Nimm dir an mir ein Beispiel! Wie viele Jahre bleiben uns noch?«

»Wenn du wüsstest …« Ein trauriger Ausdruck huschte über Elaines Gesicht, bevor sie ihr bewährtes Lächeln aufsetze. »Du bist anders, Béatrice. Habe ich dir je erzählt, dass ich dich früher oft mit einem Schmetterling verglichen habe, der fröhlich von einer Blüte zur nächsten flog? Ich bin keine Lebenskünstlerin.«

»Weil du nie eine zu sein brauchtest. Du stammst aus einer reichen Familie, was dich schon vorneweg überlegen macht.«

»Wie meinst du das?«, fragte Elaine.

»Andere räumen dir ein angeborenes Privileg auf eine bevorzugte Behandlung ein.«

»Und du glaubst, das macht mein Leben einfacher? Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Es sind nur andere Sorgen.« Elaine schüttelte schmunzelnd den Kopf, genoss noch einen Trüffel und versuchte ihrer­seits, der Freundin ein Kompliment zu machen. »Schau dich an! Du hattest drei Ehemänner, hast vier Kinder großgezogen, gemodelt, dich als Designerin probiert, mit dem verrückten Antonio zusammen im Duett gesungen. Wie oft hast du dich neu erfunden?«

»Das war der Lauf meines Lebens und nicht immer lustig.«

»Ich wollte dich doch nicht kritisieren, im Gegenteil«, beschwichtigte Elaine die Freundin sofort. »Ich bewundere dich!«

Als Béatrice sie forschend anschaute, ergänzte sie: »Was ich sagen wollte: Für mich lebst du authentisch. Du scherst dich wenig darum, was andere denken.«

»Du etwa?«

Elaine wiegte nachdenklich den Kopf. »Wie man’s nimmt. Wer hat nach deinen Finanzen geschaut?«

»Was soll denn diese Frage?«

»Keine Ahnung, wie du alles geregelt hast. Als Freundin habe ich mir öfter Sorgen gemacht.«

»Worüber?«

»Dass dein, entschuldige den Ausdruck, von außen chaotisch wir­ken­­des Leben kippen könnte.«

Béatrice schluckte.

Hatte sie wieder etwas Falsches gesagt? Elaine war angespannt und müde. Im Hinterkopf dachte sie über den Streit mit Claudia nach, sorgte sich um Alessandro und versuchte den Verlust von 3 Milliarden Dollar zu verdauen. Béatrices Antwort, dass sie eben aus dem Vollen geschöpft oder sich eingeschränkt hätte, je nach Stand der Dinge, und außerdem immer der Maxime gefolgt sei, dass sich vom Breitreden nichts löse, überhörte sie. Erst als Béatrice die Hand auf ihren Arm legte und sagte: »Naja, und dann war ich in der glücklichen Situation, dass mir meine beste Freundin 100.000 Dollar geschenkt hat, als es wirklich schlimm war. Weißt du noch?«, kehrte sie wieder in die Wirklichkeit zurück.

»Nein, das habe ich in dem Moment vergessen, als ich es dir gegeben habe«, antwortete Elaine und riss sich zusammen, um der Freundin wirklich zuzuhören.

»Das Leben geht vorwärts, solange du vorwärts gehst. Ich habe dich selten so verkrampft erlebt. Magst du noch einen Tee?«

»Gern.« Elaine war erleichtert, als Béatrice von ihrem letzten Mann zu schwärmen begann.

»Ich hatte solches Glück mit meinem Benedict. Er war gebildet, ein feiner Mensch …«

Plötzlich fragte sich Elaine, ob sie im nächsten Februar überhaupt noch leben würde. Wann würden die Schmerzen einsetzen und die letzte Phase der Krankheit beginnen? Ob sie doch endlich mit der vorgeschlagenen Therapie anfangen sollte?

»Seinen wundervollen Namen du Marignac trage ich jeden Tag mit Stolz.«

Erneut ertappte sich Elaine, wie sie abgeschweift war und warf geschickt ein, dass sie Béatrice um diese große Liebe im Alter beneidet hatte.

»Weißt du, ich vermisse Benedict und sehne mich in seine Arme zurück. Selbst wenn es wie ein Klischee klingt, ich bedauere, ihn erst spät im Leben getroffen zu haben.«

»Ihr hattet zehn Jahre, oder?«

»Dreizehn wundervolle Jahre. Ich weiß noch genau, wie schockiert du warst, als ich Benedict mit Sechsundsechzig geheiratet habe, nachdem wir gerade mal drei Jahre zusammen waren.«

»Jesus Maria, du warst vielleicht ein verrücktes Huhn. In dem Alter mit einem weißen Kleid aufs Standesamt zu gehen!«

»Für Benedict war es die erste Hochzeit.«

»Ich sehe es wie heute vor mir: Er mit seiner roten Rose im Revers, dazu der schwarze Royce-Rolls voller Blumen, die verschlungenen B&B für eure Vornamen auf der Kühlerhaube, und wie er dich angehimmelt hat«, erinnerte sich Elaine und zauberte mit diesen Worten ein Lächeln in das Gesicht von Béatrice.

»Benedict habe ich tief geliebt. Diese Ehe war kein Machtkampf. Nur wir zwei. Kinder, Beruf, Alltagsstress lagen hinter uns. Sex war selten, aber ausgesprochen befriedigend. La dolce vita vom Feinsten, herrlich unkompliziert. Ich vermisse unser gemeinsames Leben, die Konzertbesuche, Diskussionen bis in die Nacht hinein über Bücher und Filme, lange Spaziergänge, schöne Reisen ...«

Elaine nahm einen Keks vom Teller und knabberte nachdenklich daran.

»Sag nun, was liegt dir so schwer auf dem Herzen?«, fragte Béatrice noch einmal. »Du naschst selten so viel.«

»Ich bewundere, wie du Sachen ansprichst und anpackst, die dir wichtig erscheinen. Deine Geradlinigkeit hat mich als junge Mutter gerettet. Hattest du manchmal Bedenken?«

»Scherzt du jetzt? Jeder zweifelt ab und an. Du weißt doch, wie bei uns zu Hause die Fetzen geflogen sind! Eifersucht auf beiden Seiten. Den Kindern gegenüber hatte ich natürlich ein schlechtes Gewissen, aber das konnte ich nicht zeigen. Sie sollten so unbelastet wie möglich aufwachsen.«

»Wem sagst du das, Béatrice.«

»Du weichst schon wieder meiner Frage aus. Was ist los? Ist etwas mit Alessandro? Ich dachte, es geht ihm besser?«

»Geht es zum Glück auch. Ich habe dir schon am Telefon erzählt, dass er in die Reha-Abteilung überwiesen wurde. Gestern konnte ich eine ausgezeichnete Therapeutin für ihn engagieren. Sie werden an seiner Feinmotorik arbeiten. Ich hoffe, dass Alessandro in einigen Wochen wieder allein essen oder duschen kann. Nächste Woche kommen eine Logopädin und ein Krankengymnast dazu. Es wird langsam, aber Geduld ist nicht die Stärke meines Sohnes.«

Beide schwiegen und hingen ihren eigenen Gedanken nach. Bis Elaine endlich erzählte, dass diesmal das Vermächtnis der Familie auf dem Spiel stand. Und dass sie selbst eigentlich nur die Häuser und Wohnungen verwalte, die ihr Vater gebaut hatte, und nichts Eigenes erschaffen habe. Der Anspruch in Familiendynastien wie ihrer sei hoch, und Erfolg werde als selbstverständlich betrachtet.

»Unser Leben scheint auf den ersten Blick glamourös, und es stimmt, wenn du materiellen Wohlstand damit meinst, aber privat bleibt wenig Spielraum. Du bist ein Rad im Getriebe und musst geschäftlich und auf gesellschaftlichem Parkett perfekt funktionieren.«

»Du hast das Vermögen nicht durchgebracht, sondern es erhalten und vermehrt. Worauf willst du hinaus?«

»In den nächsten Monaten habe ich mein wichtigstes Versprechen zu erfüllen und muss vorher ein verzwicktes, zugleich hochbrisantes Problem lösen.«

»Und?«

»Ich zweifle, ob ich das schaffe.«

»Du hast doch bisher alles in deinem Leben geschafft, warum bist du plötzlich so verzagt?!«

Elaine wich dem Blick der Freundin aus. »Ich bin müde, und der Druck ist riesig.«

»Du führst jetzt die Familie. Das, zusammen mit deinem Erfolg, macht dich unantastbar. Befreie dich endlich vom Schatten deines Vaters. Die Zeiten haben sich geändert.«

»Ich wünschte, es wäre so einfach. Viele Dinge sind eng ineinander verflochten. Ich muss das Imperium erhalten und möchte es den Kindern möglichst unbelastet übergeben.«

»Mein Gott, Elaine, wenige Familien auf dieser Welt sind so vermögend wie ihr, und mit Geld kannst du bis auf Krankheiten doch alles regeln. Wer wird dein Nachfolger, Alessandro? Bist du wegen seiner labilen Gesundheit in Sorge?«

»Das auch, ja. Glaube mir, Béatrice, die Welt wird täglich verrückter, und jeder sucht eiskalt seinen Vorteil.«

»Diese Binsenweisheit ist nicht neu. Elaine, wenn du etwas loswerden willst, sprich darüber. Du weißt, ich helfe dir, wo ich kann. Redest du über Immobilien, Geld, den Vatikan, Männer oder hast du heute einfach deinen Moralischen?«

»Bist du sauer auf mich?«

»Natürlich nicht, aber lass dir nicht jedes Wort aus der Nase ziehen.«

»Entschuldige.« Elaine spielte entrückt mit der Perlenkette. »Vorhin ist ein unglaublicher Skandal ans Licht gekommen. Mir ist schleierhaft, wie ich die Situation retten soll.«

»Du klingst verzweifelt. Wenn diese Sorgen die Ängste um Alessandro übertreffen, dann bin sogar ich mit meinem Latein am Ende. Aber bevor ich kein echtes Lächeln auf deine Lippen zaubern kann, lasse ich dich nicht wieder nach Monaco zurück!« Béatrice verschwand in der Küche.

»Wenn jemand mein Vertrauen verdient hat, bist du das«, rief Elaine ihr nach und entschied aus dem Bauch heraus, Béatrice in einige ihrer privaten Probleme einzuweihen.

»Danke für das Kompliment.« Béatrice erschien mit zwei Gläsern Champagner im Kaminzimmer. »Frauen-Champagner-­Therapie – Probleme sind dazu da, gelöst zu werden.«

Sie stießen an und tranken einen Schluck. »Der harmonische Klang ist genauso Balsam für die Seele wie das Prickeln im Gaumen danach«, bemerkte Elaine lächelnd. »Das bringst nur du fertig, meine Liebe. Bist du bereit für eine verrückte Geschichte?«

»Natürlich. Gibt mir das endlich den Stoff für einen spannenden Thriller?«

»Béatrice, darüber darfst du niemals reden! Und aufschreiben kannst du davon kein Wort. Das musst du mir versprechen!«, wies Elaine die Freundin etwas harsch an. Als Béatrice sie mit großen Augen fragend anschaute, ergänzte Elaine: »Weil es dich gefährden könnte!«

Jetzt zögerte Béatrice keine Sekunde. »Du kannst auf mich zählen. Ich höre zu und schweige danach wie ein Grab, versprochen. Wenn es mit Kardinal Bretone zu tun hat, ahne ich die Dimensionen. Du Arme! Das wäre mit Sicherheit Stoff für einen Bestseller.« Sie zwinkerte Elaine zu.

»Stoff vom Feinsten, und Kardinal Bretone ist dabei nur eine Figur auf dem Schachbrett. Allerdings kenne ich das Ende noch nicht.«

»Bei welchem Thriller wäre das anders?«

»Stimmt. Wie im richtigen Leben.«

Sie prosteten sich noch einmal zu, diesmal mit verschwörerischem Blick.

»Du hast gerade Schach erwähnt. Mein Benedict liebte es, über das Spiel zu philosophieren. Es mir beizubringen war ein hoffnungsloses Unterfangen, weil ich nicht drei Züge im Voraus denken konnte. Dafür erinnere ich mich bestens an seine Worte.«

»Und die wären?«

»Benedict-O-Ton: Der König ist die mächtigste Person in der Gesellschaft und beim Schach. Ziel des Spiels ist logischerweise die Mattsetzung des gegnerischen Königs. Meine Frage: Stellt Kardinal Bretone den König, den Springer, Läufer, Turm oder nur einen schlichten Bauer dar?« Béatrice schaute die Freundin erwartungsvoll an.

»König und Bauer können sich jeweils nur einen Schritt bewegen, richtig?«

»Genau.«

»Das trifft nicht auf den Kardinal zu. Er ist ein schwer zu durchschauender Intrigant, der viele Fäden in der Hand hält, aber nicht der König.«

»Das kann ich mir lebhaft vorstellen. Bist du die Dame, die gefährlichste Figur, um die sich alles dreht und die er fürchtet?«

»Es könnte gut sein, dass Kardinal Bretone mich dafür hält.«

»Dann ist er entweder ein Turm oder ein Springer, und du musst auf der Hut sein!«, warnte Béatrice und rollte mit den Augen.

»Du bist ein Unikum. Was würde ich ohne dich machen?« Spontan umarmte Elaine ihre beste Freundin.

Sie schoben die Sessel enger zusammen, schlüpften aus den Pumps und legten die Füße auf kleine Hocker. Sie redeten bis weit nach Mitter­nacht. Im Kamin knisterte launig das Feuer.

Monaco Enigma

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