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14 Unverfrorenheit Freitag, 28. Februar 2014

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Als Isabella Corsini nach ihrer Scheidung eine neue Aufgabe und Einnahmequelle suchte, hatte sie gemeinsam mit ihrer langjährigen Freundin Elaine Volante die Geschäftsidee entwickelt, das private und berufliche Umfeld von Mietern, Mitarbeitern oder Ehegatten diskret zu durchleuchten. Vor dem Zeitalter des Internets war es schwierig gewesen, zeitnah relevante Informationen über fremde Menschen zu erhalten. Inzwischen führte sie ihre kleine Agentur dreißig Jahre. Elaine war durch Tausende Mieter immer noch ihre beste Klientin, obwohl inzwischen auch viele Geschäftsleute und Privatpersonen den diskreten Service der umtriebigen Monegassin nutzen.

Heute Vormittag hatte Isabella Corsini aufgeregt bei Elaine angerufen und die Freundin gedrängt, sie unbedingt noch vor dem Wochenende zu sehen, da sie ihr brisante Informationen über Sergej Rubatschov übergeben wollte. Isabella schlug vor, gemeinsam zu Mittag zu essen, aber das passte Elaine nicht. Sie hatte viele Termine und wollte ihre neue Routine beibehalten, jeden Tag eine halbe Stunde spazieren zu gehen. Also verabredeten sich am Hafen in Fontvieille vor dem Michelangelo, um das gemeinsam zu tun.

Der letzte Tag des Februars war zwar sonnig, die Temperatur lag jedoch nur knapp im zweistelligen Bereich. Wenigstens hatte der frische Wind abgenommen. Elaine kam pünktlich, was hieß, etwas früher als vereinbart, und setzte sich auf eine Bank in die Sonne. Sie mochte die dörfliche Atmosphäre im jüngsten Stadtteil des Fürstentums, den viel weniger Touristen besuchten als die Flaniermeile um das Casino. Dafür gab es entlang des Fußwegs lauschige Plätzchen unter Bäumen, kleine Springbrunnen und moderne Skulpturen. Die Yachten im Hafen waren, wie die Wohngebäude, eine Nummer kleiner als auf der anderen Seite des Felsens. Doch das Meer schimmerte genauso blau und das Plätschern der Wellen, die gegen die Boote schlugen, klang sogar eine Nuance lieblicher.

Elaine sog die frische Luft tief ein. Dabei schaute sie die Felsen-­Halbinsel hinauf, das Wahrzeichen des Fürstentums, wo sich der Palast der Grimaldis befand und das ozeanografische Museum wie ein Meeres­tempel über Monaco thronte. In den letzten Wochen hatte sich nicht nur Elaines Sicht auf das Leben, sondern auch auf die Dinge in ihrer Umgebung verändert. Rankten sich dort die Agaven, Aloen und Disteln schon immer so zahlreich bis ganz nach oben? Die Pinienbäume, die ihre Kronen wie devote Häupter über das Kliff Richtung Meer senkten, erschienen geradezu majestätisch. Monaco hat schöne Ecken, dachte sie. Man muss diese nur sehen.

Elaine versank in einer bisher nicht gekannten Melancholie, bis sich eine Hand auf ihre Schulter legte. Sie schreckte kurz zusammen und drehte sich um. Isabella stand lächelnd hinter ihr und gab ihr sogleich einen Kuss auf die Wange.

»Entschuldige, ich hatte noch einen Klienten an der Strippe, der partout nicht aufhören wollte zu reden.«

Sie spazierten Richtung offenes Meer, und die Freundin erkundigte sich nach Alessandro. Dann musste sie ihre Neuigkeiten loswerden.

»Ich kann dir nur empfehlen, einen großen Bogen um Rubatschov zu machen«, riet sie Elaine besorgt. »Dass er 2007 die Feinkostladenkette von Marcel gekauft hat, weißt du, oder?«

»Nein, ich habe nie zuvor von ihm gehört. Aber jetzt erinnere ich mich, dass mein Bruder damals ein Geheimnis um den neuen Besitzer gemacht hat.«

»Es wird seinen Grund haben«, erwiderte Isabella. »Die Etappen seines geschäftlichen Aufstiegs klingen wie ein Märchen aus Tausendundeine Nacht.«

»So schlimm?« Elaine schmunzelte über den Ausdruck und tat verblüfft, denn noch hatte sie die Forderung des Russen mit keinem Wort erwähnt.

»Mit dem stimmt was nicht.« Isabella blieb stehen und flüsterte: »Rubatschov hatte beste Beziehungen in Politik und Wirtschaft, war sogar eng mit Putin befreundet und steckt jetzt in ungeheuerlichen Schwierigkeiten. Sein Vermögen wurde eingefroren, über 1 Milliarde.«

»Tatsächlich? Ich werde das Dossier nachher gründlich studieren. Danke.«

Sie gingen weiter am Quai entlang, doch Isabella redete nur noch über den Russen. Elaine konnte keinen klaren Gedanken fassen, den sie dringend brauchte, denn in spätestens zwei Stunden würde Rubatschov in ihrem Büro erscheinen. Ihr kam eine Idee.

»Du hast mir selten so explizit von einem Mieter abgeraten.« Sie blieb stehen und griff Isabellas Arm. »Weißt du was, ich werde deinem Rat folgen und ihm kein Apartment vermieten. Ärger mit halbseidenen Ex-Oligarchen ist das Letzte, was ich gerade gebrauchen kann.«

Damit schloss sie jede weitere Diskussion ab, Isabella war zufrieden, und sie konnten den Rest des Spaziergangs zusammen genießen.

Als Elaine später im Büro das Dossier las, verstand sie Isabellas Misstrauen und ihre Aufregung. Beim zweiten Durchgehen markierte sie die wichtigsten Punkte für das folgende Gespräch mit Rubatschov.

 Gründete 1992 die Mirprombank, Grundlage seines Imperiums.

 War ab dem Jahr 2000 Putins Banker.

 2007 kaufte Rubatschov das Feinkostgeschäft Gourmet-Diardo.

 2008 schätzte die russische Forbes sein Vermögen auf 2 Milliarden US-Dollar.

 Putin brach 2009 mit Rubatschov, Grund: private Bereicherung.

 2010 verlor seine Mirprombank die Banklizenz, Insolvenz.

 2011 floh er nach London.

 2014 wurden seine Gelder/Konten weltweit eingefroren, er steht auf der Liste von Moskau-Interpol.

Und wahrscheinlich ist das nur die Spitze des Eisbergs, dachte Elaine. Bevor sie Alessandro alles übergab, musste sie unbedingt klären, wann und warum ihre Brüder mit Bargeld-Geschäften begonnen hatten. Würden womöglich noch weitere Forderungen auf die Familie zukommen?

Elaine überlegte, ob das der Grund war, warum die Brüder sich nie für die Lorvetto-Immobilien interessiert hatten. Wussten sie nichts von der Verbindung zum Vatikan oder war das Geschäft zu klein für sie?


»Herr Rubatschov, haben Sie inzwischen ein schriftliches Dokument, mit dem Sie Ihren Anspruch glaubwürdig nachweisen können?«, fragte Elaine ihren Gast eine Stunde später freundlich und versuchte, ihre Nervosität zu überspielen.

»Darüber hatten wir doch schon gesprochen, Madame. Weder Ihr Bruder noch ich brauchten diese Art Nachweis. Wir vertrauten uns.«

Daraufhin zuckte Elaine bedauernd die Schultern. »Marcel kann das leider nicht mehr bestätigen, dann muss ich Sie enttäuschen. Wir haben nichts zu besprechen.«

»Madame Volante, bitte denken Sie noch einmal genau nach.«

»Das habe ich, wiederhole mich aber gern in einer ausführlichen Version: Mein Bruder hat weder Ihren Namen noch Bargeldgeschäfte, und schon gar nicht in dreistelliger Millionenhöhe, mir gegenüber erwähnt. Zweitens tätige ich keine illegalen Geschäfte. Bei mir gibt es für jede Transaktion die nötigen Belege. Drittens öffne ich keiner Erpressung Tür und Tor. Und ich habe keine 120 Millionen Dollar in bar in einer Schublade herumliegen.«

»Sie ignorieren meinen Anspruch?«

»Es existiert keiner.«

Rubatschov fingerte nervös am Knoten seiner Krawatte, diesmal ein dunkelblaues Modell von Hermès, als er Elaine fragte, ob sie annehme, die Geschichte sei damit beendet.

»Ich habe keine Geschichte mit Ihnen, junger Mann.«

»Aber ich mit Ihrer Familie!« Seine Augen blitzten schon bösartig, während sein Mund noch verkrampft zu lächeln versuchte.

Wie bei einem Hund, der vor dem Angriff die Zähne fletscht, dachte Elaine und schwieg trotz des unguten Gefühls beharrlich.

»Ich bin ein Gentleman, genau wie Ihr Bruder Marcel. Es übersteigt vielleicht Ihre Vorstellung, aber wir haben uns gegenseitig geschützt, indem wir ohne die üblichen Belege gearbeitet haben.« Rubatschov schüttelte entnervt den Kopf. »Müßig, jemanden wie Ihnen erklären zu wollen, dass 1+1 nicht zwangsläufig 2 ergibt, auch wenn das mathematisch richtig ist. Für mich geht es um mehr als 120 Millionen. Diese Summe kann man in unseren Kreisen gewinnen und verlieren. Mein Ruf steht auf dem Spiel und damit meine Zukunft. Nicht alle Menschen in meinem Umfeld reagieren besonnen. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.«

»Wie soll ich das verstehen, dass Sie sich gegenseitig geschützt haben? Das muss man doch nur, wenn man etwas zu verstecken hat. Und überhaupt, wollen Sie mir drohen?«

»Nur aus meinem Leben erzählen. Und es gehören mindestens zwei Parteien zu einem Geschäft.« Ruhig wiederholte er: »Madame, ich bin Verpflichtungen eingegangen.«

»Wenn Sie mir etwas antun, bekommen Sie Ihre angeblichen Millionen auch nicht zurück.« Elaine ignorierte starrköpfig, was Rubatschov ihr zwischen den Zeilen zu sagen versuchte.

Der tippte seine rechte Fußspitze unruhig auf den Teppichboden. »Ich lasse Ihnen nochmals eine Woche Zeit. Jede Bank gibt Ihnen kurzfristig einen Kredit. Madame, bitte revidieren Sie Ihre Entscheidung. Sie sind eine intelligente Frau, die viel zu verlieren hat. Zwingen Sie mich nicht, zu anderen Mitteln zu greifen.«

Elaine stand auf und zog energisch die Jacke ihres Chanel-Kostüms zurecht. »In meinem Alter pflegt man zu überlegen, bevor man spricht. Sie können sich den Besuch nächste Woche sparen. Ich lasse mich nicht erpressen und wünsche Ihnen einen angenehmen Tag.«

Sergej Rubatschov warf Elaine Volante einen Blick zu, der Bände sprach. Wortlos verließ er das Büro.

Elaine war instinktiv klar, dass sie zwar vom logischen Standpunkt die richtige Entscheidung getroffen hatte, das letzte Wort in dieser Sache jedoch noch lange nicht gesprochen war.

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