Читать книгу 101 deutsche Orte, die man gesehen haben muss - Bernd Imgrund - Страница 18
10 BAUTZEN II
ОглавлениеVom Modellversuch zum Stasi-Knast
Das Bautzener Gefängnis liegt inmitten eines alten Villenviertels – hier mäht jemand seinen Rasen, dort wird eine Tür gestrichen. Bautzen II entstand 1906 als Gerichtsgefängnis und unter der Prämisse eines humanistischen Strafvollzugs. Was sich in der Weimarer Republik noch liberaler weiterentwickelte, erfuhr unter den Nazis eine Kehrtwende. In Bautzen wurden politische Gefangene weggeschlossen.
Nach 1945 in Händen des sowjetischen Geheimdienstes, fiel die Anstalt 1950 an die DDR. Durch eine Geheimtür, das sogenannte Schlupftor, hatte die Staatssicherheit (Stasi) ungehinderten Zugang zum Gebäude, das weiterhin Regimekritiker, angebliche Spione und Fluchthelfer beherbergte. Vor allem in den Mangeljahren nach dem Zweiten Weltkrieg, das belegen Berichte von Ehemaligen, herrschten in Bautzen katastrophale Verhältnisse, die zahlreichen Insassen das Leben kosteten.
Während Bautzen I bis heute als Justizvollzugsanstalt genutzt wird, dient der ehemalige Stasi-Knast inzwischen als Gedenkstätte für die Opfer von Unrechtsjustiz. Viele der alten Zellen können betreten werden und präsentieren Dokumente zur Historie des Ortes. Dazu gehören etwa in winziger Schrift auf Zigarettenpapier verfasste Kassiber, die in die Henkel von Einkaufsbeuteln eingenäht waren. Hintergrund: Offiziell war jedem Gefangenen nur ein kurzer Brief pro Monat erlaubt, der zudem selbstverständlich zensiert wurde. So beeindruckend wie trostlos sind auch die Mitschnitte von Gesprächen, in denen Stasi-Offiziere versuchen, Gefangene als Spitzel anzuwerben. Obwohl sämtliche Räume verwanzt waren und somit jegliches Gespräch belauscht werden konnte, setzte man seitens des Geheimdienstes auf zusätzliche Zellenberichte. Rund 10 % der in Bautzen Inhaftierten arbeiteten so der Staatssicherheit zu.
In die Freiheit entlassen wurden sie, wie auch sämtliche anderen Bautzener, bereits im Dezember 1989. Somit endete ihre Gefängniszeit noch vor der offiziellen Wiedervereinigung Deutschlands. Und 1992 dann setzte das neue sächsische Justizministerium einen Schlussstrich: Bautzen II wurde – für immer? – geschlossen.