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17 DER DEUTSCHE MICHEL

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Nationalfigur, Schlafmütze und Armer Poet

Was den US-Amerikanern der Uncle Sam oder den Franzosen die Marianne, ist den Deutschen der Michel. Stärker als die zuerst genannten jedoch hängt der deutschen Nationalfigur ein zwiespältiges Image an. Die erstmals im 16. Jh. aufgetauchte Type war stets ein Lieblingsobjekt der Karikaturisten. Der Michel repräsentierte ab dem 19. Jh. den deutschen Biedermann, einen gemütlichen, bildungsfernen Simpel. Anderen jedoch galt er gleichzeitig als Sinnbild des mal von Fürsten unterdrückten, mal vom welschen Erzfeind bedrohten Opfers. In solchen Zusammenhängen steht der Michel für die deutschen Tugenden und die Sehnsucht nach der Einheit des Deutschen Reiches. Die Instrumentalisierung des Michels für alle möglichen politischen und kulturellen Zwecke fand auch im 20. Jh. seine Fortsetzung. Allen Ausformungen gemeinsam: die Michel-Mütze, eine als Zipfel auslaufende Schlafmütze.

Der Onkel Fritze aus „Max und Moritz“ trägt sie und auch der Philosoph Martin Heidegger zog sie auf, sobald er sein bäuerliches Refugium, eine Almhütte im Schwarzwald, erreichte. Ihre berühmteste Darstellung jedoch fand die eigenartige Mütze 1839 mit Carl Spitzwegs Werk „Der arme Poet“. Das nur 36 x 45 cm kleine Gemälde gilt den Deutschen laut Umfragen als zweitbeliebtestes Bild der Weltgeschichte (nach Leonardo da Vincis „Mona Lisa“). Seit 1887 ist es dank einer Schenkung der Nachkommen im Besitz der Neuen Pinakothek München.

Den Unterkiefer vorgeschoben, die Feder quer im Mund, demonstriert dieser einsame Poet zugleich Armut und Anmut, eine geradezu stoische Selbstgewissheit im Ungewissen. So ungesichert wie die Existenz von Spitzwegs Schriftsteller ist auch die historische Rückführung des Deutschen Michels auf Hans Michael Elias von Obentraut. Angeblich soll dieser Reitergeneral aus dem Dreißigjährigen Krieg die Figur mit seinem Spitznamen in die Welt gesetzt haben. Auf der Stromburg im Hunsrück, wo er anno 1574 das Licht der Welt erblickte, legt man jedoch heutzutage nicht mehr die Rüstung an, sondern die Schürze. Denn Burgherr Johann Lafer, bekannt als Fernsehkoch, betreibt hier seit 1994 ein Gourmetrestaurant.


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